| # taz.de -- Kampf gegen sexualisierte Kriegsgewalt: Gut gemeint, schlecht gelau… | |
| > Der UN-Sicherheitsrat verabschiedet eine Resolution gegen sexualisierte | |
| > Gewalt in Konflikten. Den USA ging der deutsche Vorschlag zu weit. | |
| Bild: In der DR Kongo wurden Frauen durch Soldaten und Milizen vergewaltigt und… | |
| BERLIN taz | Es sollte der Höhepunkt der deutschen Präsidentschaft des | |
| UN-Sicherheitsrats werden. Amal Clooney war geladen, die | |
| Friedensnobelpreisträger Nadia Murad aus dem Irak und Denis Mukwege aus dem | |
| Kongo. Von einem „Meilenstein“ sprach Bundesaußenminister Heiko Maas, | |
| nachdem sich die 15 Ratsmitglieder nach acht Stunden Debatte am Dienstag | |
| bei Enthaltung Russlands und Chinas auf [1][UN-Resolution 2467 über | |
| „konkrete Maßnahmen“ gegen sexualisierte Gewalt in Konflikten einigten]. | |
| „Noch immer wird Krieg auf und um den Körper von Frauen und Mädchen | |
| geführt“, sagte Pramila Patten, die aus Mauritius stammende | |
| UN-Sonderbeauftragte für sexualisierte Gewalt in Konflikten. Ihren Posten | |
| hatte der UN-Sicherheitsrat vor zehn Jahren geschaffen, als Reaktion auf | |
| den Horror, dem Frauen damals im Osten der Demokratischen Republik Kongo | |
| durch Soldaten und Milizen ausgesetzt waren: vergewaltigt, gefoltert, | |
| verstümmelt, zerfetzt. | |
| Seitdem, so Patten, wurde „das Bewusstsein der internationalen Gemeinschaft | |
| wachgerüttelt und internationales Handeln ist auf beispiellose Weise | |
| gewachsen“. Dennoch mahnten Murad und Mukwege an, dass Gerechtigkeit, | |
| Schutz, Anerkennung und Rehabilitation für die Opfer immer noch Ausnahme | |
| ist. | |
| Mit „sexualisierter Gewalt in Konflikten“ bezeichnen die Vereinten Nationen | |
| „Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Zwang zu Prostitution, | |
| Schwangerschaft, Abtreibung, Sterilisierung, Heirat; sowie jede andere | |
| gleichwertige Form sexualisierter Gewalt an Frauen, Männern, Mädchen oder | |
| Jungen, die direkt oder indirekt mit einem Konflikt verbunden ist“ – | |
| entweder durch die Person des Täters als Mitglied einer Konfliktpartei oder | |
| durch die Person des Opfers als Mitglied einer als Feind definierten | |
| Zielgruppe. 19 Länder stehen unter Beobachtung der UN: Expertenteams | |
| sammeln Informationen, die Sonderbeauftragte erstattet dem Generalsekretär | |
| Bericht. 2018 waren UN-ExpertInnen in der Demokratischen Republik Kongo, in | |
| Elfenbeinküste, Guinea, Irak, Kolumbien, Liberia, Mali, Myanmar, Nigeria, | |
| Somalia, Sudan, Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik tätig. | |
| ## Der Eklat | |
| Die Berichte dienen als Grundlage für die Zusammenarbeit von UN-Stellen mit | |
| Regierungen. Drei Erfolge nennt der letzte UN-Bericht für 2018: Im Kongo | |
| wurden zwei Prozesse gegen Milizenführer ermöglicht, in der | |
| Zentralafrikanischen Republik ermittelte eine Sondereinheit wegen | |
| Massenvergewaltigung, in Guinea gehören die UN-ExpertInnen einer Kommission | |
| zur Aufarbeitung von Staatsverbrechen an. Dennoch benennen die ExpertInnen | |
| Probleme: Ausgrenzung, unzureichender Aufklärungswillen, fehlender Schutz. | |
| Daher forderte der UN-Generalsekretär jetzt, die Möglichkeiten der UN zu | |
| stärken. Der jüngste UN-Bericht empfiehlt unter anderem | |
| Sanktionsmöglichkeiten für den UN-Sicherheitsrat gegen renitente Länder, | |
| ähnlich wie beim Verbot des Einsatzes von Kindersoldaten. Opferverbände | |
| müssten in das Berichterstattungssystem integriert werden. Opfer müssten | |
| „multisektorelle Hilfe“ bekommen, bis hin zu Verhütungs- und | |
| Abtreibungsmöglichkeiten. | |
| Während die meisten Forderungen in der Resolution ansatzweise übernommen | |
| wurden, führte dieser letzte Punkt am Dienstag zum Eklat. Die USA drängten | |
| erfolgreich darauf, aus dem Absatz über Gesundheitsversorgung den Passus | |
| „einschließlich sexuelle und reproduktive Gesundheit, psychosoziale, | |
| rechtliche und überlebenssichernde Unterstützung und andere multisektorelle | |
| Dienste“ zu streichen. Bereits in den vergangenen Jahren hatten sich die | |
| USA an Formulierungen über „reproduktive Gesundheit“ in UN-Resolutionen | |
| gestört, weil sie als Billigung von Schwangerschaftsabbrüchen verstanden | |
| werden können. | |
| „Wir sind bestürzt darüber“, sagte Frankreichs UN-Botschafter François | |
| Delattre, „dass ein Staat die Entfernung des Verweises auf sexuelle und | |
| reproduktive Gesundheit gefordert hat.“ Die Änderung der USA am Text sei | |
| „nicht hinnehmbar“. Der britische Sonderbeauftragte Tariq Ahmad sagte, | |
| Großbritannien werde weltweit weiter „Zugang zu sexueller und reproduktiver | |
| Gesundheitsversorung für Überlebende sexualisierter Kriegsgewalt“ anbieten. | |
| „Das hat Priorität. Wenn wir einen Ansatz verfolgen, der Überlebende ins | |
| Zentrum stellt, können wir das nicht ignorieren.“ | |
| ## Vom Meilenstein zum Mühlstein | |
| In Deutschland betont das Auswärtige Amt lieber, dass mit Resolution 2467 | |
| „erstmals Opfer und Überlebende im Mittelpunkt“ stünden und Täter stärk… | |
| zur Rechenschaft gezogen werden können. Tatsächlich ist die Drohung mit | |
| unabhängigen Ermittlungen sowie mit Sanktionen „gegen jene, die | |
| sexualisierte Gewalt in Konflikten ausüben und anleiten“, eine Neuerung | |
| gegenüber der bisherigen Resolution 1888 vom September 2009. Dies und auch | |
| der „überlebenden-zentrierte Ansatz“ geht direkt auf die Appelle von Murad | |
| und Mukwege zurück – und durch sie auf die jahrelange Arbeit derjenigen, | |
| die sich um die Opfer kümmern. | |
| Sollte die Resolution aber einen Präzedenzfall dafür darstellen, wie Druck | |
| auf den UN-Sicherheitsrat funktioniert, dürfte sich Maas' Meilenstein in | |
| einen Mühlstein verwandeln. Richard Gowan vom Thinktank „Crisis Group“ | |
| kritisierte die Deutschen auf Twitter: Nachdem sie so viele Stars | |
| angeschleppt hatten, konnten sie kein US-Veto mehr riskieren und mussten | |
| nachgeben. „Der Sicherheitsrat und [2][die Kriegsopfer sind die großen | |
| Verlierer].“ Zumal die USA nicht die einzige Vetomacht waren, denen der | |
| deutsche Text zu weit ging. Russland und China brachten einen Entwurf ein, | |
| der die Passagen über Strafverfolgung und Gesundheit fast komplett weg | |
| ließ. Wäre der deutsche Text durchgefallen, wäre dieser drangekommen. | |
| 24 Apr 2019 | |
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| Patricia Hecht | |
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