| # taz.de -- Frauen aus dem Nordirak: Duldung statt sicherer Aufenthalt | |
| > Rund 1.000 Jesidinnen und ihre Kinder hat Deutschland 2015 und 2016 | |
| > aufgenommen. Bei einigen wurde jetzt der Asylantrag abgelehnt. | |
| Bild: Eine der geretteten Frauen: Nadia Murad, die 2018 mit dem Friedensnobelpr… | |
| Berlin taz | „Wir stellen hier fest, dass sich die Sicherheitslage | |
| eindeutig verbessert hat.“ Diesen Satz sagte Bundesaußenminister Heiko Maas | |
| (SPD) bei einem Besuch im Irak im Dezember 2018. Für Menschen, die aus dem | |
| Irak nach Deutschland geflohen sind und hier Asyl beantragt haben, heißt | |
| das: Möglicherweise wird Deutschland sie bald wieder in ihr Heimatland | |
| abschieben. Zu einem Problem könnte das auch für eine kleine Gruppe | |
| jesidischer Frauen werden, die in den vergangenen Jahren über | |
| Sonderkontingente nach Deutschland gekommen sind. | |
| Systematisch hatte der „Islamische Staat“ Frauen und Mädchen der religiös… | |
| Minderheit der Jesid*innen über Monate misshandelt. Die Terrormiliz habe | |
| Hunderte Männer getötet sowie Tausende Frauen und Kinder gefangen genommen, | |
| berichtete die UN-Untersuchungskommission zu Syrien 2017 zum dritten | |
| Jahrestags des Angriffs auf die Gruppe. Viele der Frauen wurden nach Syrien | |
| gebracht, versklavt und vergewaltigt. „Der IS hat das Verbrechen des | |
| Genozid begangen“, erklärte die Kommission – und dieser Völkermord dauere | |
| noch immer an. | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) beschloss | |
| deswegen ein „Sonderkontingent für besonders schutzbedürftige Frauen und | |
| Kinder aus dem Nordirak“. So holte die Landesregierung zwischen 2015 und | |
| 2016 etwa 1.000 Frauen und Kinder, die Opfer des IS geworden waren, nach | |
| Baden-Württemberg, 100 weitere fanden in Niedersachsen und | |
| Schleswig-Holstein Schutz – die allermeisten von ihnen Jesidinnen. | |
| Michael Blume, Referatsleiter im Staatsministerium, war monatelang immer | |
| wieder in den Nordirak gereist, um das möglich zu machen. Es sei „das | |
| härteste, aber auch sinnvollste Jahr“ seines Lebens gewesen, hatte Blume | |
| 2016 der Südwestpresse gesagt. Eine der so geretteten Frauen ist Nadia | |
| Murad, die im Dezember 2018 für ihren Kampf gegen sexualisierte Gewalt mit | |
| dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. | |
| Bei dem Kontingent handelte es sich um eine humanitäre Hilfsaktion. Wer so | |
| nach Deutschland kam, musste kein reguläres Asylverfahren durchlaufen. | |
| Einige jesidische Frauen verließen das Kontingent allerdings freiwillig und | |
| beantragten Asyl – offenbar, um im Rahmen des Familiennachzugs ihre | |
| Angehörigen nachholen zu können. Denn über das Kontingent hatten nur Frauen | |
| und Kinder Schutz gefunden, Ehemänner oder erwachsene Geschwister nicht. | |
| ## Schlecht oder falsch beraten | |
| Nun wurden einige dieser Asylanträge abgelehnt. Dadurch, dass sie diese | |
| überhaupt gestellt hatten, hatten die Frauen allerdings ihren | |
| Aufenthaltstitel verloren – eine Rückkehr ins Kontingent ist daher nicht | |
| möglich. | |
| Überraschend sind die Ablehnungen nicht. Während 2015 noch fast 90 Prozent | |
| irakischer Asylsuchender Schutz bekamen, lag die Schutzquote im Zeitraum | |
| Januar bis November 2018 gerade noch bei etwa 32 Prozent. Für irakische | |
| Jesid*innen sank sie im gleichen Zeitraum von über 93 auf 52 Prozent. | |
| „Diese Frauen waren in IS-Gefangenschaft und sollen jetzt in ein Land | |
| zurück, wo der IS immer noch wütet und keine psychotherapeutische Hilfe zu | |
| erwarten ist,“ hatte der Psychologe Jan Ilhan Kizilhan in der „Tagesschau“ | |
| gesagt. Er hatte 2015 die Frauen für das Sonderkontingent mit ausgewählt. | |
| Die Landesregierung Baden-Württemberg bemüht sich nun nach eigener Aussage, | |
| diesen Frauen zu helfen. Sie seien schlecht oder falsch beraten worden, | |
| heißt es. Von Asylanträgen habe das Staatsministerium „ausdrücklich | |
| abgeraten“, so Kretschmann im November. Asylanträge von jesidischen | |
| Flüchtlingen würden nur noch in Einzelfällen anerkannt. | |
| Akut von Abschiebung bedroht ist derzeit jedoch offenbar keine der | |
| Betroffenen. „Aktuell werden keine Frauen oder Familien mit Kindern in den | |
| Nordirak abgeschoben“, heißt es aus dem baden-württembergischen | |
| Innenministerium. Aufgenommene Jesidinnen, deren Asylantrag nicht zum | |
| Erfolg geführt hat, hätten deshalb „keine aufenthaltsbeendigenden Maßnahmen | |
| zu erwarten“. Die Betroffenen würden zunächst geduldet. „Entsprechende | |
| Möglichkeiten, Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen, werden zu gegebener Zeit | |
| geprüft.“ | |
| 9 Jan 2019 | |
| ## AUTOREN | |
| Dinah Riese | |
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