| # taz.de -- Kommentar zum Friedensnobelpreis: Kämpfer gegen das Unvorstellbare | |
| > Zwei KämpferInnen gegen sexualisierte Gewalt bekommen den | |
| > Friedensnobelpreis. Die Entscheidung des Komitees verdient Respekt und | |
| > Beifall. | |
| Bild: Entkam der IS-Gefangenschaft: Nadia Murad | |
| Es ist eine kluge Entscheidung des Nobelpreiskomitees, im [1][#MeToo-Jahr | |
| 2018] und mitten im Getöse um [2][Brett Kavanaugh] den | |
| [3][Friedensnobelpreis] an den kongolesischen Arzt [4][Denis Mukwege] und | |
| die irakische Jesidin Nadia Murad zu vergeben. Die beiden haben sich auf | |
| unterschiedliche Weise einem der brutalsten Menschheitsverbrechen | |
| entgegengestellt: die gezielte Zerstörung von Frauen als Mittel zur | |
| Zerstörung ganzer Bevölkerungen – das unvorstellbare Extrem auf der großen | |
| Skala dessen, was Männer Frauen antun können. | |
| Es gibt keine adäquaten Worte für das, was viele Frauen in den | |
| Kriegsgebieten Ostkongos durch bewaffnete Milizionäre und Soldaten erlitten | |
| haben und was der Minderheit der JesidInnen im Nordirak durch den Terror | |
| des sogenannten Islamischen Staates angetan worden ist. Die IS-Krieger | |
| betrachteten die jesidischen „Ungläubigen“ als Untermenschen, die man in | |
| ihrer Identität vernichten könne, indem man ihre Frauen verschleppt, | |
| vergewaltigt und zum Gebären der Söhne und Töchter „wahrer“ Gläubiger | |
| zwingt. Die aus dem Völkermord in Ruanda hervorgegangenen Hutu-Kämpfer im | |
| Ostkongo und ihre vielen unterschiedlichen bewaffneten kongolesischen | |
| Freunde und Gegner sahen die Bevölkerungen, denen sie sich mit Gewalt | |
| aufzwangen, als Freiwild. Sie nutzten die gezielte Vergewaltigung und | |
| Folter von Mädchen und Frauen zur Bestrafung und Demütigung ganzer | |
| Zivilbevölkerungen. | |
| Diese Art von Kriegsführung ist Terror pur, ein Ausdruck schrankenloser | |
| Macht, und auch eine Belohnung für die eigenen jungen männlichen Kämpfer, | |
| deren Kommandeure ihnen ansonsten höchstens Glück im Jenseits zu bieten | |
| haben. Sie ist nicht nur aus Irak und Kongo bekannt, auch aus den Kriegen | |
| Ex-Jugoslawiens, aus dem Zweiten Weltkrieg und letztlich aus so gut wie | |
| allen bewaffneten Konflikten, in denen Zivilbevölkerungen kollektiv zu | |
| legitimen Kriegszielen erklärt werden. Nicht von ungefähr nimmt | |
| sexualisierte Gewalt als Kriegswaffe einen zentralen Platz ein in der | |
| internationalen strafrechtlichen Verfolgung von Verbrechen gegen die | |
| Menschlichkeit. | |
| Dabei zeigt die Erfahrung, dass sie zu den am schwersten nachzuweisenden | |
| Straftaten gehört, da Erlebnisse Einzelner unter sexueller Folter kaum | |
| verifizierbar sind. Allzu oft werden die Überlebenden mit ihrem zerfetzten | |
| Unterleib und ihren gebrochenen Seelen allein gelassen und als Menschen | |
| ignoriert. Sie sind nicht mehr als interessantes Anschauungsmaterial für | |
| reißerische Horrorreportagen und gelehrte Völkerstrafrechtsseminare. | |
| Es ist das Verdienst Mukweges, diesen Terroropfern direkt und konkret zu | |
| helfen, und das Verdienst Murads, über das Grauen Zeugnis abzulegen. Beides | |
| gibt anderen die Möglichkeit, Terroropfern nicht nur direkt zu helfen und | |
| ihre Erlebnisse bekannt zu machen, sondern ihnen dadurch, dass sie Zeugnis | |
| ablegen, ein Gesicht zu geben, ihren Schutz zu fördern, an ihre | |
| Menschenwürde zu erinnern. Es ist das Verdienst des Nobelpreiskomitees, | |
| zwei mutige Menschen auszuzeichnen, die Unfassbares erlitten und gesehen | |
| haben und im Umgang damit Außergewöhnliches für die Menschheit geleistet | |
| haben. | |
| 5 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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