| # taz.de -- Nominierung von Bettina Jarasch: Ein lahmer Kompromiss | |
| > Nicht Ramona Pop oder Antje Kapek, sondern Bettina Jarasch wird grüne | |
| > Spitzenkandidatin für Berlin. Das ist nicht die beste Wahl. | |
| Bild: Kennen außerhalb der grünen Bubble in der Hauptstadt nur wenige: Bettin… | |
| Es muss ziemlich brodeln unter der gerade so glatten Oberfläche der Grünen. | |
| Denn wenn eine Partei zwei sehr erfahrene Führungsfrauen hat und sich doch | |
| nicht auf eine der beiden als Spitzenkandidatin festlegen kann, dann wirft | |
| das Fragen auf. Genau das tut die Vorstellung von Bettina Jarasch als grüne | |
| Spitzenkandidatin für 2021. | |
| Eine Erklärung wäre, dass man die beiden – Vizeregierungschefin Ramona Pop | |
| und Fraktionschefin Antje Kapek – gar nicht für so fähig hält. Dann aber | |
| müssten die Grünen erklären, warum sie den beiden ihre wichtigsten Posten | |
| anvertraut – und wieso der allgemeine Eindruck nicht einer von Unfähigkeit | |
| ist. | |
| Die wahrscheinlichere Erklärung: Die Anhänger der einen mochten die jeweils | |
| andere auf keinen Fall als Spitzenkandidatin und mögliche Regierungschefin | |
| sehen. Also musste ein Kompromiss her und Jarasch ran, hervorgeholt aus der | |
| drittletzten von sechs grünen Sitzreihen im Abgeordnetenhaus. | |
| Es war bezeichnend, dass die 51-Jährige bei ihrer Vorstellung am Montag | |
| davon sprach, sie sei „als Brückenbauerin bekannt“. Das soll helfen, Klüf… | |
| zu überwinden – als künftige Regierungschefin, aber offenbar auch in der | |
| eigenen Partei. | |
| ## Jarasch kann Anspruch nicht erfüllen | |
| Die Sache ist bloß, dass Jarasch vor dreieinhalb Jahren mit derselben | |
| „Brückenbauerin“-Wortwahl für sich als Bundestagskandidatin geworben hat, | |
| die Grünen sie aber durchfallen ließen – trotz großen Einsatzes in fast | |
| sechs Jahren als Landesverbandschefin. Es ehrt Jarasch, dass sie den Job | |
| trotz dieser Klatsche übernimmt. Aber wenn eine Spitzenkandidatur | |
| ausdrücken soll, dass eine Partei hier ihre beste, bekannteste oder | |
| erfahrenste Kandidatin zur Wahl stellt, dann kann Jarasch diesen Anspruch | |
| nicht erfüllen. | |
| Pop und Kapek sind seit 2001 und 2011 im Parlament. Seit Ende 2016 sind | |
| beide Teil der Regierung – ja, auch Kapek, weil trotz aller formalen | |
| Gewaltenteilung die Fraktionsspitzen an den Senatssitzungen teilnehmen. Pop | |
| hat sich während der Coronapandemie als krisenfest erwiesen. Trotzdem | |
| kennen bei Umfragen viele selbst sie nicht, geschweige denn Kapek. Wer soll | |
| dann außerhalb des Grünen-Kosmos Jarasch kennen? | |
| Man kann argumentieren, das sei völlig egal, weil die Berliner Grünen im | |
| Windschatten ihrer Bundesspitze Baerbock/Habeck ohnehin ins Rote Rathaus | |
| kommen. Da ist etwas dran, weil ein Teil der Wählerschaft einfach nicht | |
| zwischen Bundes- und Landesebene unterscheidet – umso mehr, wenn wie 2021 | |
| Abgeordnetenhaus und Bundestag am selben Tag zu wählen sind. | |
| Wegen der Coronakrise aber könnte das anders aussehen. Wenn es nicht um | |
| visionäres Brückenbauen, sondern um kurzfristiges Problemlösen geht, sind | |
| Macher gefragt. Genau diesen Ruf hat die designierte SPD-Spitzenkandidatin | |
| Franziska Giffey: langjährige Stadträtin in Neukölln, Bundesministerin – | |
| das sind andere Führungserfahrungen als die einer Landesvorsitzenden zu | |
| Oppositionszeiten. | |
| Bislang geben die Umfragen zwar noch nicht her, dass Giffey die SPD wieder | |
| nach oben bringt. Aber welche Partei letztlich die richtige Wahl getroffen | |
| hat, wird das Aufeinandertreffen der beiden in der Landespolitik zeigen. | |
| 10 Oct 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Alberti | |
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