# taz.de -- Facebook verbannt QAnon-Gruppen: Das Hausrecht zu spät genutzt | |
> Facebook will in Zukunft stärker gegen Anhänger*innen der | |
> QAnon-Verschwörungsbewegung vorgehen. Das wird nicht ausreichen. | |
Bild: Trump-Anhänger tragen QAnon | |
Der Megakonzern Facebook ist endlich einen längst überfälligen Schritt | |
gegangen: Seit Dienstag löscht das Unternehmen Facebook-Seiten und | |
-Gruppen, sowie Instagram-Kanäle, die zur rechtsextremen, | |
verschwörungsmythenhörigen, gewaltbereiten und menschenverachtenden | |
[1][Gruppe QAnon] gehören. Wäre die Social-Media-Plattform eine Kneipe, | |
könnte man ab jetzt sehen, wie der Inhaber langsam durch die schmalen Gänge | |
streift und Nazis rausschmeißt, die sich dort zum Stammtisch treffen und | |
sich regelmäßig an andere Gäste ranwanzen, um ihnen etwas vom Deep State, | |
vom Messias Donald Trump und von kinderschändenden Demokrat*innen zu | |
erzählen. Aber der Wirt macht zu spät von seinem Hausrecht Gebrauch. | |
Der Ursprung der QAnon-Bewegung liegt drei Jahre zurück. Im Oktober 2017 | |
postete ein User im Internetforum 4chan vermeintliche Insider-Informationen | |
zu [2][einem bevorstehenden Staatsputsch]. Für Rechte wurde der Unbekannte, | |
fortan „QAnon“ genannt, ein Prophet. Er predigte vom Putsch, der von | |
Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft geplant werde, um | |
die USA zu einer Diktatur zu machen. Und er predigte von Trump dem Helden, | |
der alles stoppen könne, und von Gewalt. QAnon wurde zu einem Kult, der | |
sich an rechten Verschwörungserzählungen bediente wie an einem Baukasten: | |
ein bisschen Frauenhass, ein bisschen Deep State, seit 2020 ein bisschen | |
Coronaleugnung und ganz wichtig: eine große Portion Antisemitismus. | |
Seit Mitte August geht Facebook bereits gegen QAnon-Gruppen und -Seiten | |
vor, die Gewalt androhen oder sich darüber austauschen. Insgesamt | |
entfernte Facebook innerhalb eines Monats nach eigenen Angaben 6.500 | |
Seiten und Gruppen, 1.500 davon zählt es zu QAnon. Doch das allein hat | |
offensichtlich nicht genützt. „Während wir QAnon-Inhalte entfernt haben, | |
die Gewalt feiern oder unterstützten“, schreibt Facebook in dem | |
Blogbeitrag, in dem auch die neuen Regelungen vorgestellt werden, „haben | |
wir andere QAnon-Inhalte gesehen, die in Zusammenhang stehen mit anderen | |
Schäden in der realen Welt.“ | |
Mit „realer Welt“ meint Facebook eigentlich die analoge, die ebenso real | |
ist wie die außerhalb des Bildschirms. Sie befinden sich in einem steten | |
Austausch, in einer Wechselwirkung. Als Beispiel führt Facebook die | |
Waldbrände an der US-Westküste an, während derer teilweise wegen | |
Verschwörungserzählungen von QAnon Löscharbeiten und die Rettung von | |
Menschen behindert worden seien. | |
## Neue rechte Strategien | |
Jedoch: Kein Wort über Drohschreiben an angebliche Anführer der erlogenen | |
Verschwörung wie George Soros, Bill Gates, Barack Obama. Kein Wort über | |
Familien, die auseinanderbrechen, weil Mitglieder ins Rechtsextreme | |
abrutschen. Kein Wort über Attentäter, die QAnon-Jünger gewesen sind und | |
Menschen getötet haben. Und auch kein Wort über die aktuellsten Versuche | |
von QAnon den US-Wahlkampf zu beeinflussen. | |
Der Grund, warum Facebook nun stärker handelt: Die bisherigen Maßnahmen | |
haben nicht geholfen. Auch weil QAnon, genauso wie andere gefährliche | |
Akteure, sehr schnell begreift, wie sie Regeln umgehen können. Posts, die | |
in kurzer Zeit ein großes Zielpublikum erreichen und dann gelöscht oder | |
geändert werden, werden wenig später durch einen nächsten Post ersetzt. Und | |
diese Strategie kann auch in Zukunft funktionieren. | |
Wenn die Nazis aus der Kneipe fliegen, werden sie sich mit Pappnasen und | |
Trenchcoat im Schutz einer großen Gruppe hineinschleichen. Sie werden | |
vielleicht nicht mehr ihre Flugzettel auf dem Tresen deponieren, aber sie | |
werden uns ansprechen, sobald sie uns kurz alleine auf der Toilette | |
treffen. Auf Facebook werden sie flüstern, neue Codes entwickeln, sich | |
tarnen. So erreichen sie zwar weniger Menschen als bisher, aber auch wenn | |
diese sich radikalisieren, ist das fatal. | |
Sich auf Facebook zu verlassen, auf die quasi Nazisonderermittler, das ist | |
nicht drin. Wir müssen selbst widersprechen. Und das auch auf anderen | |
digitalen Verbreitungswegen. Der größte deutsche Telegram-Kanal von | |
QAnon hat 120.000 Abonnent*innen. Nicht wenige von ihnen verstehen sich | |
als Krieger im Kampf gegen die Verschwörer. Sie werden ihre Waffen nicht | |
ablegen, nur weil Facebook sich eine neue Regel überlegt hat. | |
7 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Johannes Drosdowski | |
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