# taz.de -- Probleme in der Fleischindustrie: Reform unschuldig an „Schweines… | |
> Derzeit können viele Tiere nicht geschlachtet werden. Liegt das auch am | |
> geplanten Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in Großschlachthöfen? | |
Bild: Tariflohn für die Arbeiter würde das Kilo Schweinefleisch um 10 Cent er… | |
BERLIN taz | Der „Schweinestau“ in deutschen Ställen liegt Gewerkschaftern | |
zufolge nicht am [1][geplanten Verbot von Fremdarbeitskräften] in | |
Kernbereichen großer Schlachthöfe. Der Generalsekretär des Deutschen | |
Bauernverbands, Bernhard Krüsken, geht „aktuell von einem Rückstand in der | |
Größenordnung von 300.000 bis 400.000 Tieren aus“, die nicht getötet werden | |
können, weil die Schlachthöfe ihre Produktion reduziert haben. „Die | |
Personalprobleme [dort] auf ein Gesetz zurückzuführen, das noch nicht | |
einmal verabschiedet ist, scheint wenig plausibel“, teilte Jonas Bohl, | |
Sprecher der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), am Montag der | |
taz mit. | |
Der Verband der Fleischwirtschaft dagegen machte neben dem Schutz vor | |
Corona-Infektionen auch die [2][Ankündigung] der Bundesregierung | |
verantwortlich, dass Fleischfirmen mit mehr als 49 Beschäftigten ab 2021 | |
bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung nur noch eigenes | |
Personal beschäftigen dürfen. Das soll verhindern, dass Fleischkonzerne die | |
Schuld an Ausbeutung meist osteuropäischer Arbeiter in ihren Betrieben auf | |
Subunternehmer mit Werkverträgen oder auf Leiharbeitsfirmen schieben. Doch | |
wegen der Pläne der Großen Koalition gebe es „bereits [3][jetzt | |
Arbeitskräftemangel], sodass für zusätzliche Schichten oder Schlachtungen | |
am Wochenende kein zusätzliches Personal zur Verfügung steht“, erklärte der | |
Verband, auf dessen Mitgliedsunternehmen etwa 90 Prozent aller | |
Schlachtungen in Deutschland entfallen. | |
Der Bauernverband nennt andere Gründe: zum Beispiel den Ausbruch der | |
Afrikanischen Schweinepest in Deutschland, infolgedessen der Export in | |
Nicht-EU-Staaten wie China zusammengebrochen ist. Zudem erwähnt | |
Generalsekretär Krüsken „saisonal höhere Schlachtschweinezahlen und die | |
geringere Kapazität der Fleischwirtschaft aufgrund der coronabedingten | |
Auflagen in den Betrieben“. Deutschlands größter Fleischkonzern, Tönnies, | |
musste die Schlachtungen nach eigenen Angaben in seinem Stammwerk im | |
nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück ausschließlich wegen Corona auf | |
75 Prozent der normalen Kapazität senken. Im niedersächsischen Sögel sind | |
es sogar nur 50 Prozent. Dort sind laut Landkreis Emsland mehr als 80 | |
Mitarbeiter des Schlachthofs oder Kontaktpersonen von ihnen positiv auf das | |
Virus getestet worden. | |
Der Bauernverband fordert nun von den Behörden, Schlachtungen zum Beispiel | |
an Wochenenden oder Feiertagen zu erlauben, um den „Schweinestau“ auf den | |
Höfen zu beheben. | |
„Die Fleischindustrie versucht zur Zeit alles, um den Eindruck zu | |
vermitteln, das ‚Arbeitsschutzkontrollgesetz‘ sei das Ende der | |
Fleischproduktion in Deutschland – das ist schierer Unsinn“, ergänzte | |
NGG-Sprecher Bohl. „Auch ohne Ausbeutung über Werkverträge oder Leiharbeit | |
lässt sich in Deutschland mit Fleisch Geld verdienen.“ | |
## 10 Cent mehr pro Kilo Schweinefleisch | |
Wenn die Arbeiter einen tariflichen Stundenlohn von 15 Euro bekämen und | |
darauf 40 Prozent Lohnnebenkosten anfielen, verteuerte sich das Kilogramm | |
Schweinefleisch laut einer Modellrechnung der Gewerkschaft um 9 Cent. Mit | |
Mehrwertsteuer wären das [4][knapp 10 Cent]. Denn: „Der Anteil der | |
Lohnkosten bei Schlachtunternehmen liegt je nach Geschäftsmodell und je | |
nachdem, wie viel Verarbeitung sie haben, bei 5 bis 10 Prozent“, sagte | |
Achim Spiller, Professor für Marketing von Lebensmitteln und Agrarprodukten | |
an der Universität Göttingen, bereits Anfang Juli der taz. | |
5 Oct 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Missstaende-in-Fleischwirtschaft/!5699434/ | |
[2] https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/219/1921978.pdf | |
[3] https://www.v-d-f.de/news/pm-20201002-0148 | |
[4] /Arbeit-in-der-Fleischindustrie/!5693754 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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