| # taz.de -- Arbeitsbedingungen der Fleischindustrie: Viele Schlachter prekär b… | |
| > Fast jeder zweite Arbeiter der Branche ist über Subfirmen angestellt. Das | |
| > zeigen Regierungsangaben. Ein Verbot ist noch möglich, sagen | |
| > Gewerkschafter. | |
| Bild: Leiharbeit oder direkte Beschäftigung? Arbeiter zerlegt Schweinekeulen i… | |
| Berlin taz | Gut 46 Prozent der in der deutschen Fleischindustrie | |
| Beschäftigten sind über Werkverträge oder [1][Leiharbeit] angestellt. Das | |
| geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linkspartei | |
| hervor. Die Regierung beruft sich auf Daten der Berufsgenossenschaft | |
| Nahrungsmittel und Gastgewerbe. | |
| „Der hohe Anteil von Werkverträgen und Leiharbeit zeigt, dass dieses System | |
| missbraucht wird“, sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft | |
| Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler, der taz. Mit diesen | |
| Instrumenten würden viele Unternehmen verschleiern, wer genau für die oft | |
| sehr schlechten Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich ist. | |
| Tatsächlich lagen die Löhne in der Fleischindustrie laut Regierung im | |
| vergangenen Jahr um mehr als ein Drittel unter dem gesamtwirtschaftlichen | |
| Durchschnittseinkommen. Bei Frauen ist es sogar noch etwas mehr. Die | |
| Niedriglohnquote ist damit doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. | |
| Zwischen 2008 und 2019 sei der Anteil ausländischer Arbeitnehmer in der | |
| Fleischindustrie von 9 auf 30 Prozent gestiegen – in Schlachthöfen sogar | |
| von 13 auf über 50 Prozent. Da diese Beschäftigten meist kein Deutsch | |
| sprechen, können sie sich kaum gegen Ausbeutung wehren. | |
| Nach mehreren massiven Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen sollte der | |
| Bundestag eigentlich Ende vergangenen Monats ein Verbot von Werkverträgen | |
| und Leiharbeit in großen Fleischbetrieben beschließen. Laut dem Entwurf von | |
| Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dürfen etwa Unternehmen mit mehr als 49 | |
| Angestellten dann nur noch eigenes Personal beschäftigen. Darüber hinaus | |
| soll das Gesetz verstärkte Kontrollen, digitale Arbeitszeiterfassung sowie | |
| bessere Standards für die Unterbringung der Beschäftigten gewährleisten. | |
| ## Unionsparteien verzögern das Projekt | |
| Auf Druck von CDU/CSU wurde die Abstimmung jedoch vertagt. Viele | |
| fleischverarbeitende Unternehmen seien von Leiharbeiter*innen abhängig, | |
| heißt es von Uwe Schummer, der CDU-Mitglied im Ausschuss für Arbeit und | |
| Soziales ist. Er forderte eine tarifliche Öffnungsklausel, die in | |
| bestimmten Unternehmen 10 bis 15 Prozent Zeitarbeit ermöglicht. | |
| NGG-Chef Zeitler dagegen warnte davor, Leiharbeit weiterhin zu erlauben. | |
| Die Branche sei schon dabei, aus Mitarbeitern von Subunternehmern mit | |
| Werkverträgen Leiharbeiter zu machen, sagte der Gewerkschaftschef. | |
| „Werkvertragsfirmen haben in der Regel auch eine Genehmigung zur | |
| Arbeitnehmerüberlassung. Dann werden dieselben Menschen von denselben | |
| Arbeitgebern in dieselben Betriebe weitervermittelt. Und es ändert sich | |
| nichts.“ | |
| Die Konzerne würden weiter mit einem schwer durchschaubaren Dickicht aus | |
| Subunternehmen arbeiten, sodass die oftmals osteuropäischen Beschäftigten | |
| immer noch nicht wüssten, wer eigentlich für sie zuständig ist. „Politisch | |
| verantworten müssen das dann die Abgeordneten der Union, die sich momentan | |
| willfährig vor den Karren der Industrie spannen lassen.“ | |
| Zeitler hält es weiter für möglich, dass das Verbot wie geplant Anfang 2021 | |
| in Kraft tritt. „Bis zum Jahresende gibt es im Bundestag noch die ein oder | |
| andere Sitzungswoche“, so der Gewerkschafter: „Es gibt gar keinen Grund, zu | |
| sagen, der Kampf ist jetzt verloren.“ | |
| Anmerkung vom 12.11.2020: In einer früheren Version des Artikels hieß es, | |
| dass sieben von zehn Arbeiter in der fleischverarbeitenden Branche über | |
| Subfirmen angestellt seien. Das ist falsch. Der Anteil der über | |
| Werkverträge angestellten Arbeiter liegt nicht bei 63 Prozent, sondern bei | |
| knapp 39 Prozent. Zusammengenommen mit Leiharbeitern sind demnach also | |
| nicht 70 Prozent, sondern 46,5 Prozent prekär beschäftigt. | |
| 4 Nov 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Maximilian Berkenheide | |
| Jost Maurin | |
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