| # taz.de -- Union gegen Reform der Fleischbranche: Schwache Argumente für Leih… | |
| > CDU und CSU verhindern seit Wochen, dass der Bundestag Zeitarbeit in der | |
| > Fleischindustrie verbietet. Ihre wichtigsten Einwände sind falsch. | |
| Bild: Harter Job: Beschäftigte eines Schlachthofs arbeiten am Fließband | |
| Berlin taz | Weniger Geld als der Mindestlohn, keine | |
| Corona-Sicherheitsabstände, überlange Schichten, aber keiner ist | |
| verantwortlich – solche Missstände in der deutschen [1][Fleischindustrie] | |
| soll das von Minister Hubertus Heil (SPD) vorgelegte | |
| Arbeitsschutzkontrollgesetz verhindern. Fleischfirmen mit mehr als 49 | |
| Beschäftigten dürfen demnach ab 2021 bei der Schlachtung, Zerlegung und | |
| Fleischverarbeitung nur noch eigenes Personal beschäftigen. | |
| Dann könnten die Konzerne die Schuld an der Ausbeutung meist | |
| osteuropäischer Arbeiter*innen in ihren Betrieben nicht mehr auf ein | |
| Dickicht aus Subunternehmern mit Werkverträgen oder Leiharbeitsfirmen | |
| schieben. Doch im Bundestag blockiert die CDU/CSU-Fraktion die | |
| Verabschiedung des Gesetzes seit Wochen – weil sie die Leiharbeit erhalten | |
| will. Ihre [2][wichtigsten Argumente] im Faktencheck: | |
| Argument: Die Firmen brauchen Leiharbeit, wenn sie zum Beispiel in der | |
| Grillsaison plötzlich viel mehr produzieren müssen als normalerweise. | |
| Bewertung: „Das ist falsch“, sagt der Vorsitzende der Gewerkschaft | |
| Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler. Die Schlachthöfe würden | |
| genau planen, wann wie viel Schlachtvieh geliefert werde. „Das geht auch | |
| gar nicht anders, denn auch die Bauern füllen ihre Ställe kontinuierlich, | |
| Ställe rentieren sich gar nicht, wenn sie nicht ständig ausgelastet sind.“ | |
| In der Fleischweiterverarbeitung schwankten die Mengen einzelner Produkte | |
| im Laufe des Jahres, nicht aber die Gesamtauslastung. „Denn auf die | |
| Grillsaison folgt die Brühwurstsaison, es gibt Schinken zur Spargelzeit, | |
| Oster- und Weihnachtsgeschäft haben nochmals eigene Schwerpunkte.“ Alle | |
| diese Saisons und ihre speziellen Produkte seien planbar: „Niemand wird von | |
| der Nachfrage nach Grillwürsten überrascht.“ | |
| Argument: Für Zeitarbeit gelten seit Jahren die normalen | |
| Arbeitsschutzvorschriften: gleiche Bezahlung, gleicher Gesundheitsschutz, | |
| der Betriebsrat ist zuständig. | |
| Bewertung: Einiges spricht dafür, dass sich die Firmen an diese Regeln | |
| einfach nicht halten werden. Denn es wird sich wohl meist um dieselben | |
| einschlägig Bekannten handeln. „Die meisten der (Sub-)Unternehmen, die mit | |
| Werkverträgen negativ aufgefallen sind, haben auch eine | |
| Leiharbeitserlaubnis“, warnt Zeitler. Sie würden einfach mit Leiharbeit | |
| weitermachen. Tatsächlich bekamen Beschäftigte eines berüchtigten | |
| Subunternehmers demnach zum 1. August befristete Leiharbeitsverträge | |
| vorgelegt. Zudem: Fleischkonzerne wie Tönnies können sich wie bisher hinter | |
| Subfirmen verstecken, wenn ihnen Leiharbeit nicht verboten wird. | |
| Argument: Man könnte Leiharbeit mit einer Quote begrenzen. | |
| Bewertung: Wenn man davon ausgeht, dass Leiharbeit in der Fleischindustrie | |
| für Ausbeutung missbraucht würde, ließe sich das auch in begrenztem Ausmaße | |
| nicht rechtfertigen. Sollte es dennoch nötig sein, kurzfristig die | |
| Produktion auszuweiten, erlaubt das Arbeitszeitgesetz bereits Mehrarbeit. | |
| Auch über befristete Beschäftigung oder tarifliche Arbeitszeitkonten können | |
| laut NGG Produktionsspitzen ausgeglichen werden. | |
| Argument: Das Leiharbeitsverbot schadet dem lokalen Handwerk, zum Beispiel | |
| Fleischereien. | |
| Bewertung: Falsch. Betriebe mit bis zu 49 Beschäftigten sollen laut | |
| Arbeitsminister Heils Gesetzentwurf von dem Verbot ausgenommen sein. | |
| Argument: Die Reform schadet der heimischen Fleischindustrie. Dann müssen | |
| wir bald mehr importieren aus Ländern mit niedrigeren Standards. | |
| Bewertung: Der Preisaufschlag für die Arbeiter ist gering: „Der Anteil der | |
| Lohnkosten bei Schlachtunternehmen liegt je nach Geschäftsmodell und je | |
| nachdem, wie viel Verarbeitung sie haben, bei 5 bis 10 Prozent“, sagt Achim | |
| Spiller, Professor für Marketing von Lebensmitteln und Agrarprodukten an | |
| der Universität Göttingen. Laut einer Schätzung der NGG würde sich | |
| Schweinefleisch (die in Deutschland wichtigste Fleischsorte) für die | |
| Verbraucher*innen nur um knapp 10 Cent pro Kilogramm verteuern, wenn die | |
| Arbeiter einen tariflichen Stundenlohn von 15 Euro bekämen und darauf 40 | |
| Prozent Lohnnebenkosten anfielen. Spiller: „Diese geringen Mehrkosten | |
| allein würden nicht zu Abwanderung von Fleischwerken ins Ausland führen.“ | |
| 26 Nov 2020 | |
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| [2] https://www.ig-zeitarbeit.de/presse/artikel/arbeitsschutzkontrollgesetz-bed… | |
| ## AUTOREN | |
| Jost Maurin | |
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