| # taz.de -- Bundesarbeitsgericht zu Plattform-Jobs: Erfolg für Crowdworker | |
| > Überraschendes Urteil des Bundesarbeitsgerichts: Ein Plattformarbeiter | |
| > wurde als Arbeitnehmer eingestuft. Er kann nun auf Lohnnachzahlung | |
| > hoffen. | |
| Bild: Crowdworker verdienen beispielsweise Geld durch einfach Programmierauftr�… | |
| ERFURT taz | Crowdworker sind nicht zwingend selbständig, sondern können | |
| auch – ohne Arbeitsvertrag – angestellt sein. Das hat jetzt das | |
| Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Pilotprozess entschieden. Erfolg hatte | |
| ein Mann aus Wesel, der für die Plattform Roamler arbeitete und gegen seine | |
| „Kündigung“ klagte. | |
| Crowdworker erhalten ihre Aufträge in der Regel über eine | |
| Internetplattform. Dort werden kleine Aufgaben angeboten, wer zugreift kann | |
| etwas verdienen. Manche der Tätigkeiten kann man [1][zu Hause am Computer | |
| erledigen], etwa einfach Programmieraufträge oder das Schreiben einer | |
| Produktbewertung. Andere Aufträge finden draußen in der echten Welt statt, | |
| etwa beim Aufladen von E-Scootern oder der Kontrolle von Werbemaßnahmen. In | |
| Deutschland gibt es schon Hunderttausende, die mit solchen Mikro-Aufträgen | |
| Geld verdienen – meist ist es nur ein Zuverdienst. | |
| Der konkrete Kläger ist 52 Jahre alt und stammt aus Wesel am Niederrhein. | |
| Er hatte die App der Münchener Plattform Roamler auf seinem Smartphone | |
| geladen und übernahm regelmäßig kleinere Auftrage, oft mehr mehrere hundert | |
| im Monat. So kontrollierte er zum Beispiel bei Geschäften, ob bestimmte | |
| Werbeplakate korrekt zu sehen waren. Er wurde damit nicht reich, aber weil | |
| er fleißig war, kam doch eniges zusammen, knapp 20 000 Euro im Jahr 2017. | |
| Es war für ihn deshalb ein großer Einschnitt, als Roamler im April 2018 | |
| nach einem Konflikt die Zusammenarbeit beendete – per Email. | |
| Der Mann wollte sich das nicht gefallen lassen und zog vor Gericht. Er war | |
| wohl der erste Crowdworker, der auf die Feststellung seiner Eigenschaft als | |
| Arbeitnehmer klagte. Unterstützung erhielt er von der [2][Gewerkschaft IG | |
| Metall], die das Crowdworking mit Sorge beobachtet. So könnten wichtige | |
| arbeitsrechtliche Standards unterlaufen werden, wenn bisher intern | |
| erledigte Tätigkeiten an eine anonyme Menge (crowd) ausgelagert werden, | |
| befürchtet die Gewerkschaft. Manche sprechen in Anspielung auf den Begriff | |
| „outsourcing“, von „crowdsourcing“. | |
| ## Eine Überraschung | |
| In den ersten beiden Instanzen verlor der Rheinländer jedoch. Er sei kein | |
| Arbeitnehmer, sondern selbständig. Er habe die Aufträge nicht annehmen | |
| müssen, so das Landesarbeitsgericht (LAG) München. Auch habe er die | |
| Aufgaben nach einer selbstgewählten Reihenfolge abarbeiten können. Ein | |
| ähnliches Ergebnis war auch beim Bundesarbeitsgericht erwartet worden. | |
| Zur großen Überraschung vieler Arbeitsrechtler entschied das BAG nun aber | |
| anders. Der klagende Crowdworker habe faktisch ein Arbeitsverhältnis mit | |
| Roamler gehabt. Ausschlaggebend war hierfür nicht die anfänglich | |
| abgeschlossene Basis-Vereinbarung. Dies habe als Rahmenvertrag noch keine | |
| Arbeitspflicht beinhaltet. Aber die konkrete Organisationsstruktur der | |
| Plattform sei darauf ausgerichtet gewesen, dass sich die Tätigkeit pro | |
| Kleinstauftrag erst einigemaßen rentierte, wenn man ein gewisses „Level“ | |
| erreicht hatte. Und um dieses Level zu halten, musste man regelmäßig für | |
| Roamler arbeiten. Diese Anreize für eine kontinuierliche Zusammenarbeit | |
| führte dazu, dass die Tätigkeit letztlich doch eher fremd- als | |
| selbstbestimmt war. | |
| Die Folgen im konkreten Fall sind nun aber recht begrenzt. Denn Roamler hat | |
| im Sommer 2019 sicherheithalber auch ein eventuell bestehendes | |
| Arbeitsverhältnis gekündigt. Heute ist der Mann also definitiv nicht mehr | |
| Arbeitnehmer von Roameler. Allerdings kann er für die Monate nach der | |
| Trennung Lohnnachzahlung verlangen. Da könnten einige Tausend Euro | |
| zusammenkommen. Wenn der Verdienst nicht ausdrücklich vereinbart wurde, wie | |
| hier, dann gilt die „übliche Vergütung“. Der Fall geht nun wieder zurück | |
| ans LAG München. | |
| Das Urteil ist nur schwer verallgemeinerbar. Weil jede Plattform im Detail | |
| anders organisiert ist, kann man auch nach dem BAG-Richterspruch nicht | |
| sagen, dass nun alle Crowdworker „Arbeitnehmer“ sind. Vielmehr können die | |
| Plattformen sogar reagieren und die Mechanismen so verändern, dass wieder | |
| eindeutig Selbsttändigkeit vorliegt. Ein Grundatzurteil ist die jetzige | |
| BAG-Entscheidung nur in einer Hinsicht: Nun ist zumindest die Möglichkeit | |
| eines faktischen Arbeitsverhältnisses für Crowdworker juristisch geklärt. | |
| Wohl mit Blick auf das BAG-Verfahren hat Bundesarbeitsminister Hubertus | |
| Heil (SPD) vorige Woche einige Eckpunkte zur Plattformökonomie | |
| veröffentlichte. Heil will eine bessere soziale Absicherung für Coworker | |
| schaffen. So sollen sie Anspruch auf eine gesetzliche Rente haben und sich | |
| die Plattformen an der Finanzierung beteiligen. Noch ist das aber nicht | |
| mehr als eine Ideensammlung. Konkrete Gesetze sind noch nicht geplant. | |
| 1 Dec 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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