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# taz.de -- Schweinepest in Brandenburg: Stallpflicht gefährdet Biobauern
> Die Afrikanische Schweinepest schränkt alle Landwirte im Südosten
> Brandenburgs ein. Doch die Öko-Viehhalter bangen besonders.
Bild: Kommt die Schweinepest, müssen die Tiere der Biobauer-Brüder Staar in d…
Oder-Spree-Kreis taz | An seinen Zaun müsse ein [1][hektisch aufgestellter
Wildschwein-Elektrozaun] erstmals herankommen, sagt Landwirt Henrik Staar
und rüttelt an der Konstruktion. Stabile Holzposten und ein 2 Meter hohes
Gitter umgeben das Gut Hirschaue im Landkreis Oder-Spree in Brandenburg. 50
Zentimeter reicht der Wühlschutz aus Draht in die Erde. „Wölfe und
Wildschweine graben sich hier nicht durch“, sagt der Landwirt und öffnet
das Tor. Erst dahinter beginnen die Weiden – nochmals mit Elektro- und
Metallzäunen gesichert. Das ganze Jahr stehen hier Hirsche, Mufflons,
Schafe und Schweine im Freien. Staar hält sie gemeinsam mit seinem Bruder
nach Bioland-Richtlinien. Dass die [2][Afrikanische Schweinepest] das
ändern könnte, ist ihre große Sorge.
Seitdem am 10. September das erste infizierte Wildschwein im Südosten
Brandenburgs tot gefunden wurde, ist die Zahl bestätigter Fälle bis
vergangenen Dienstag auf 49 Tiere gestiegen. Drei Schutzzonen mit
unterschiedlichen Einschränkungen umgeben die Fundorte. Sie sollen die
Ausbreitung des tödlichen Virus unter Wildschweinen und das Überspringen
auf Hausschweine verhindern. Die äußerste, die sogenannte Pufferzone,
reicht bis auf 2 Kilometer an den Hof der Staars heran.
Problematisch wird es für die Brüder, falls sie in die zweite, die
gefährdete Zone rutschen. Felder abzuernten oder zu pflügen ist dort
verboten, Streu darf erst nach langer Lagerung verwendet werden. Schweine
und Schweinefleisch dürfen nur noch innerhalb der Zone verkauft werden, die
Tiere sind nach Tierseuchen-Allgemeinverfügung des Landkreises Oder-Spree
„abgesondert“ zu halten. „Wir fürchten, dass wir dann aufstallen müssen…
sagt Michael Staar – dass sie die Schweine also in einen geschlossenen
Stall ohne Auslauf bringen müssen. Der Landkreis Oder-Spree hat das
bestätigt.
Das Problem: Einen Stall müssten die Staars erst suchen und anmieten. Und
damit nicht genug. Ställe für Biohaltung brauchen Einstreu, ein
Spaltenboden ist nicht erlaubt. „Das Stroh müssen wir zukaufen, außerdem
brauchen wir Personal, das streut und mistet. Unser Haltungskonzept wäre
damit futsch“, sagt Henrik Staar. Wirtschaftlich sei das nicht mehr zu
machen.
## Existenzielle Bedrohung
Damit sind die Brüder nicht allein. Von 36 befragten Biohöfen mit
Schweinehaltung in Brandenburg gab über ein Drittel an, keinen Stall für
die Tiere zu haben, sagt Sascha Philipp, agrarpolitischer Sprecher der
Ökoanbauverbände Brandenburg. Die Bedrohung sei für diese Höfe
„existenziell“, fügt Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologisc…
Landbau Berlin Brandenburg (FÖL) hinzu.
Dass die Schutzmaßnahme notwendig ist, halten sie für fraglich. Die Viren
der Afrikanischen Schweinepest überleben wochenlang im Boden und können
über Hunde oder Vögel weitergetragen werden. Für Menschen ist das Virus
ungefährlich, für Schweine fast immer tödlich. „Klar ist das
Übertragungsrisiko in der Freilandhaltung größer“, sagt Philipp. Doch
Wimmer findet das vertretbar. „Es geht um die Wahrscheinlichkeit, dass eine
Krähe vorbeizieht und über der Weide etwas fallen lässt.“ Dass die
doppelten Zäune durchbrochen werden, hält er für unwahrscheinlich. Das
Landwirtschaftsministerium Brandenburg und der Landkreis Oder-Spree
begründeten die Entscheidung zur Stallpflicht auf Anfrage der taz nicht.
Noch schnüffeln die 85 braun-schwarzen Schweine auf Gut Hirschaue in der
Erde, wälzen sich in den Suhlpfützen. Wird ein Tier geschlachtet, erfolgt
das einzeln auf der Weide. Verarbeitet wird das Fleisch in der hofeigenen
Fleischerei, in Berlin und Brandenburg verkauft. Dass der [3][Preis für
konventionelles Schweinefleisch wegen der Schweinepest gefallen] ist,
betrifft die Brüder nicht. Ihre Fleischprodukte sind Luxusware. Doch die
Vermarktung wäre trotzdem schwierig. Denn in der Gefährdungszone ist
bereits der 60 Kilometer entfernte Stadtrand von Berlin zu weit.
## Auslauf gewohnt
Außerdem steckt Schweinefleisch in weiteren Produkten wie der Hirschsalami,
die das gefährdete Gebiet dann auch nicht mehr verlassen dürfe. Dass die
Afrikanische Schweinepest die ökologische Schweinehaltung deutschlandweit
ausbremst, fürchtet Wimmer hingegen nicht, „solange das Virus nicht die
Regionen mit intensiver Schweinehaltung bei Vechta oder Cloppenburg
erreicht“.
Wie die Staars mit der Stallpflicht weiterarbeiten könnten, ist ihnen noch
nicht klar. Wenn sie der Auflage nicht nachkommen, müssen sie die Tiere
sofort schlachten. Michael Staar ärgert, dass alternative Haltungsformen in
der politischen Diskussion kaum Beachtung finden. Sein Hof hat Preise
gewonnen, gehört zu den Demonstrationsbetrieben des ökologischen Landbaus.
Jetzt fragt er sich, was die Auszeichnungen wert sind: „Wenn wir bei der
ersten Krise die Freilandhaltung ausschließen, kann man die Debatte ums
Tierwohl beenden.“ Dass er seine Tiere einfach in einen Stall sperren kann,
bezweifelt er. „Die sind es gewohnt, Auslauf zu haben, haben hier ihre
soziale Ordnung ausgehandelt.“ Sperre er sie in einen Stall, griffen die
Großen die Kleinen an.
7 Oct 2020
## LINKS
[1] /Die-Pest-mit-dem-Schwein/!5709689
[2] https://msgiv.brandenburg.de/msgiv/de/themen/verbraucherschutz/veterinaerwe…
[3] /Nach-Ausbruch-der-Schweinepest/!5714616
## AUTOREN
Isabel Röder
## TAGS
Afrikanische Schweinepest
Landwirtschaft
Schwerpunkt Bio-Landwirtschaft
Landwirtschaft
Fleischindustrie
Kommentar
Afrikanische Schweinepest
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