# taz.de -- Zum Tod von Ruth Bader Ginsburg: Justizikone und Popstar | |
> Intellektuelle Brillanz und eiserne Disziplin: Die | |
> Supreme-Court-Richterin Ruth Bader Ginsburg ist gestorben. Um ihre | |
> Nachfolge wird es einen Kampf geben. | |
Bild: Starb 46 Tage vor der US-Wahl an Krebs: Ruth Bader Ginsburg | |
KARLSRUHE taz | Sie wollte unbedingt noch bis zur Präsidentschaftswahl | |
durchhalten und hoffte auf einen Sieg von Joe Biden. Donald Trump sollte | |
nicht mehr über die Neubesetzung ihres Postens entscheiden. Nun ist | |
[1][Ruth Bader Ginsburg] doch 46 Tage vor der Wahl gestorben. Sie wurde 87 | |
Jahre alt. | |
Ruth Bader Ginsburg war die wohl bekannteste Richterin der Vereinigten | |
Staaten. Eine Ikone des liberalen und feministischen Amerikas. Ihr Kürzel | |
RBG wurde längst zu „Notorious RBG“ erweitert (in Anspielung auf den Rapper | |
„Notorious B.I.G.“). Es gibt T-Shirts und Tassen mit ihrem Konterfei. 2018 | |
kamen sogar zwei Filme über sie ins Kino. Die Dokumentation | |
[2][“][3][R][4][BG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“] und der Spielfilm | |
„Die Berufung“. | |
Der US Supreme Court ist nicht nur das höchste Gericht der USA. Er | |
übernimmt zugleich auch die Rolle eines Verfassungsgerichts und | |
kontrolliert damit auch den Gesetzgeber und den Präsidenten. Bader Ginsburg | |
gehörte dem Supreme Court seit 27 Jahren an. Supreme-Court-Richter*innen | |
werden auf Lebenszeit ernannt. | |
Doch Ginsburg war schon vor ihrer Berufung eine bekannte Juristin. In den | |
1970er Jahren war sie als Rechtsprofessorin von der großen | |
US-Bürgerrechtsorganisation ACLU beauftragt worden, im Zuge des Women's | |
Rights Project die Gleichberechtigung der Frau im US-Recht durchzusetzen. | |
Bis dahin gab es eine Vielzahl von Gesetzen, die auf den Mann als Ernährer | |
der Familie abstellten und Frauen zu Bürgern zweiter Klasse machten. Unter | |
Führung von Ginsburg führte die ACLU hunderte von | |
Diskriminierungsprozessen, sechs davon auch am Supreme Court, wovon | |
Ginsburg fünf gewann. In dieser Phase ihres Lebens hat sie wohl mehr | |
erreicht als in ihrer späteren Rolle als Richterin. | |
## Sondervoten mit Wirkkraft | |
1980 wurde Ginsburg vom damaligen demokratischen Präsidenten Jimmy Carter | |
zur Bundesrichterin an einem Berufungsgericht ernannt. 1993 folgte der | |
nächste Karriereschritt zum Supreme Court. Diesmal war es Bill Clinton, der | |
sie nominierte. Ihre Ernennung wurde auch von den Konservativen | |
mitgetragen. Ginsburg galt damals als Moderate. Anfangs konnte sie am | |
Supreme Court ihr emanzipatorisches Werk mit den Stimmen der Mehrheit | |
fortsetzen, zu der auch gemäßigt-konservative Richter*innen zählten. So | |
entschied der Supreme Court 1996, dass das staatliche Virginia Military | |
Institute auch Frauen offenstehen muss. | |
Doch unter Präsident George W. Bush rückte der Supreme Court nach rechts. | |
Kompromisse wurden schwieriger, Ginsburg fand sich immer häufiger in der | |
Minderheit und schrieb Sondervoten. Im besten Fall wurden diese später von | |
der Politik aufgegriffen – wie bei Ledbetter vs. Goodyear. Hier hatte | |
Ginsburg 2007 argumentiert, dass Frauen gegen ungleiche Bezahlung oft | |
deshalb nicht fristgerecht klagen können, weil sie gar nicht wissen, was | |
ihre männlichen Kollegen verdienen. Am Supreme Court konnte sie sich damit | |
nicht durchsetzen, doch der US-Kongress nahm ihr Anliegen 2009 in einem | |
Gesetz auf. | |
Die meisten ihrer Dissenting Opinions (abweichenden Voten) hatten aber | |
keine vergleichbare Wirkung – obwohl diese zunehmend im Internet und den | |
sozialen Netzwerken gefeiert wurden. In den letzten Jahren wurde Ginsburg | |
so immer mehr zu einer popkulturellen Ikone der liberalen und | |
feministischen Jurist*innen. Ginsburg, die ursprünglich eher scheu und | |
spröde wirkte, hatte später durchaus Spaß an ihrer Rolle als juristischer | |
Popstar gefunden. Bei Gelegenheit verschenkte sie selbst „Notorious | |
RBG“-T-Shirts. | |
Ginsburg galt im Privatleben als Vorbild für Rollenverteilung. Ihren Mann | |
Martin heiratete sie 1954. „Er war der erste Mann, der sich auch für mein | |
Gehirn interessierte.“ Er stellte später seine eigene Karriere als | |
Steueranwalt zurück und engagierte sich in der Erziehung und Betreuung der | |
beiden Kinder für die damalige Zeit ungewöhnlich stark. Die Frage, ob sich | |
das Juristenpaar oft gegenseitig Ratschläge gibt, verneinte Martin Ginsburg | |
selbstironisch: „Sie gibt mir keine Ratschläge beim Kochen. Und ich gebe | |
ihr keine Ratschläge für die Rechtsprechung.“ | |
## Ihr sehnlichster Wunsch: Durchhalten bis zur Wahl | |
Ruth Bader Ginsburg wurden neben intellektueller Brillanz auch großer Fleiß | |
und eiserne Disziplin attestiert. Als über 80-Jährige schaffte sie noch 20 | |
Liegestütze. Ginsburg erkrankte ab 1999 mehrfach an Krebs, konnte aber | |
jeweils geheilt werden – bis sie nun an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb. | |
Die Richterin war als Gegnerin von US-Präsident Trump bekannt, den sie | |
einst sogar einen „Schwindler“ nannte. [5][Nun hat Trump doch die | |
Möglichkeit, ihre*n Nachfolger*in zu bestimmen]. In den USA ernennt der | |
Präsident die Supreme-Court-Richter. Die müssen zwar vom US-Senat nach | |
öffentlicher Anhörung bestätigt werden, doch derzeit haben Trumps | |
Republikaner auch die Mehrheit im Senat. | |
Kurz vor ihrem Tod forderte Ruth Bader Ginsburg allerdings die US-Politik | |
auf, die Präsidentschaftswahlen abzuwarten. Ihrer Enkelin diktierte sie: | |
„Mein sehnlichster Wunsch ist, dass ich nicht ersetzt werde, bevor ein | |
neuer Präsident das Amt übernommen hat.“ | |
19 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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