# taz.de -- Nachfolge von Ruth Bader Ginsburg: Fehler im System | |
> Ein dysfunktionaler Kongress politisiert das Oberste Gericht immer mehr. | |
> Das ist undemokratisch und untergräbt das Vertrauen in die Justiz. | |
Bild: Washington fordern Menschen vor dem Supreme Court eine Neubesetzung erst … | |
Der Tod der obersten [1][US-Richterin Ruth Bader Ginsburg] so kurz vor der | |
Präsidentschaftswahl am 3. November hat einen politischen Konflikt | |
ohnegleichen ausgelöst. Der ohnehin schon vollzogene Rechtsruck des | |
obersten Gerichtshofs könnte mit einer weiteren Ernennung auf Jahrzehnte | |
zementiert werden – die Demokrat*innen wollen das um jeden Preis | |
verhindern. | |
Dabei ist die Einteilung der Richter*innen in „konservativ“ und „liberal�… | |
politisch zwar nicht unzutreffend, er suggeriert allerdings klare | |
parteipolitische Loyalitäten. Das stimmt so aber nur zum Teil. | |
Denn im Kern sind es zwei Rechtsschulen, die da aufeinandertreffen: Die | |
eine, die „liberale“, geht davon aus, dass die Verfassung ein Rahmen ist, | |
der angesichts gesellschaftlicher Weiterentwicklungen im Konkreten immer | |
neuer Auslegung bedarf. Die andere, die „konservative“ Linie, gibt vor, die | |
Verfassung stets im Sinne der Gründerväter zu interpretieren – alles andere | |
sei der Versuch, von der Richterbank aus Politik zu machen. | |
Dabei sind es in Wirklichkeit Letztere, die die Gerichte politisieren. | |
Indem sie sich in der Federalist Society organisiert haben und klare | |
Vorschlagslisten für republikanische Nominierungen ausarbeiten, haben sie | |
erst die politische Lagerbildung unter Jurist*innen geschaffen, die sie | |
angeblich kritisieren. | |
Dennoch liegt das Problem eigentlich woanders. Die Ausgestaltung einer | |
Verfassungswirklichkeit durch das Beschließen allgemeiner Regeln, also | |
Gesetzen, obliegt eigentlich nicht den Gerichten, sondern der Legislative. | |
Die aber ist in den USA schon seit vielen Jahren gelähmt, weil sich nur | |
noch in Ausnahmesituationen beide Kammern des Kongresses und der Präsident | |
auf irgendetwas einigen können. | |
So [2][regieren Präsidenten zunehmend mit Dekreten] – und es liegt an den | |
Gerichten, das zuzulassen oder zu stoppen. Gesetze einzelner Bundesstaaten | |
l[3][anden vor dem obersten Gerichtshof] – und dessen Entscheidung hat dann | |
Auswirkungen auf das ganze Land, ohne dass der Kongress je entschieden hat. | |
Je dysfunktionaler die Legislative, desto politisierter die Judikative. | |
Solange das so ist, wird um Richternominierungen gekämpft werden, als gäbe | |
es kein Morgen. Das ist wenig demokratisch und untergräbt letztlich auch | |
das Vertrauen in eine unabhängige Justiz – aber in diesem System | |
unausweichlich. | |
20 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Bernd Pickert | |
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