# taz.de -- Regionalwahlen in Italien: Test für Rom | |
> In Italien ist die gemäßigt linke Regierungspartei PD unter Druck. Eine | |
> Niederlage bei den Regionalwahlen hätte symbolische Bedeutung. | |
Bild: Protest gegen Salvinis Wahlkampfauftritt in Neapel | |
ROM taz | Wahlen in sieben der 20 Regionen Italiens, dazu ein | |
Verfassungsreferendum über die Verkleinerung der beiden Kammern des | |
Parlaments: Am Sonntag und Montag sind die Bürger*innen des Landes zu | |
Entscheidungen aufgerufen, die weitreichende Folgen auch für die nationale | |
Regierung in Rom unter Ministerpräsident Giuseppe Conte haben können. | |
Beim Referendum ist ganz Italien an die Urnen gerufen, bei den | |
[1][Regionalwahlen] die Bürger*innen des Aostatals und Liguriens im | |
Nordwesten, des Veneto im Nordosten, der Toskana und der Marken in | |
Mittelitalien sowie Kampaniens und Apuliens im Süden. Damit findet dieser | |
Test gleichsam in einem Querschnitt durch ganz Italien statt, und die | |
betroffenen Regionen zählen mit 21 Millionen Einwohner*innen ein gutes | |
Drittel der Gesamtbevölkerung. | |
Schon deshalb werden die beiden Abstimmungen zu einem Test auch von | |
nationaler Bedeutung für die Regierungskoalition. Ihre beiden wichtigsten | |
Partner, die Anti-Establishment-Bewegung Movimento5Stelle (M5S – | |
5-Sterne-Bewegung) sowie die gemäßigt linke Partito Democratico (PD), sehen | |
sich allerdings in sehr unterschiedlicher Weise von den beiden Abstimmungen | |
betroffen. | |
Für das M5S mit seinem Frontmann, dem Außenminister Luigi Di Maio, zählt | |
vor allem das Verfassungsreferendum. Die Verkleinerung des | |
Abgeordnetenhauses von 630 auf 400, des Senats von 315 auf 200 Sitze ist | |
seit je ein Herzensanliegen der Bewegung, die damit ihren eisernen Willen | |
demonstrieren will, die „politische Kaste“ und die durch sie entstehenden | |
Kosten zurückzuschneiden. In der ersten, von Juni 2018 bis August 2019 | |
amtierenden Regierung unter Giuseppe Conte, die von einer Koalition | |
zwischen dem M5S und der rechtspopulistischen Lega unter Salvini getragen | |
war, trieben die Fünf Sterne ihr Vorhaben auch mit dem Plazet der Lega | |
voran. | |
Als dann Salvini diese Regierung platzen ließ, als das M5S dann von | |
September 2019 an, wiederum unter Conte, mit der PD weiterregierte, machte | |
es die endgültige Verabschiedung des Projekts zur Bedingung für die neue | |
Koalition. Tatsächlich stimmten im Oktober 2019 alle Parteien im Parlament | |
bei wenigen Gegenstimmen der Verfassungsreform zu. | |
Eigentlich sollte die Sache damit klar sein. Doch vorneweg bei | |
Vertreter*innen der Linken auch aus der Zivilgesellschaft stellten sich in | |
den letzten Monaten Bauchschmerzen gegen die in ihren Augen rein | |
populistische Reform ein – wie zum Beispiel der „Sardinen“-Bewegung, die … | |
letzten Winter bei den Regionalwahlen in der Emilia Romagna erfolgreich | |
gegen Salvinis Lega mobilisierte. Ein Gutteil der Wählerschaft der Rechten | |
wiederum sieht die Gelegenheit, mit einem Nein der Regierung Conte und den | |
Fünf Sternen einen Denkzettel zu verpassen. Damit dürfte der Ausgang weit | |
knapper werden als erwartet. | |
Völlig offen ist das Rennen bei den Regionalwahlen, und hier steht vor | |
allem die PD unter ihrem Vorsitzenden Nicola Zingaretti unter Druck. Sie | |
regiert bisher in gleich vier Regionen: der Toskana, den Marken, Apulien | |
und Kampanien. Sicher aber scheint der Sieg nur in Kampanien. | |
Vor diesem Hintergrund unternahm der PD-Chef Zingaretti in den letzten | |
Monaten alles, um die Fünf Sterne für regionale Wahlbündnisse zu gewinnen. | |
Am Ende entscheidet nämlich das Votum für den Regionalpräsidenten, nicht | |
für die einzelnen Parteilisten: Wer vorne liegt, erobert nicht nur das | |
Präsidentenamt, sondern erhält im Regionalparlament auch einen | |
Mehrheitsbonus. Doch für ein Bündnis ließ sich das M5S nur im bisher rechts | |
regierten Ligurien gewinnen, in dem die M5S-PD-Koalition allerdings kaum | |
Siegchancen hat. | |
## Lega setzt Hoffnungen auf Toskana | |
Vor allem in der immer schon links regierten, früher einmal als „rot“ | |
geltenden Toskana hätte eine Niederlage gegen die Rechten hohe symbolische | |
Bedeutung. Salvini schickt hier mit Susanna Ceccardi eine junge Frau ins | |
Rennen. Der 33-Jährigen gelang es 2016, der Linken die | |
45.000-Einwohner-Kommune Cascina zu entreißen, eine Stadt, in der die | |
„Roten“ noch vor einem Jahrzehnt sicher über 50 Prozent holten. Sie soll | |
jetzt auf regionaler Ebene das Lega-Wunder wiederholen, und den letzten | |
Meinungsumfragen zufolge liegt sie fast gleichauf mit dem PD-Kandidaten – | |
obwohl gut 60 Prozent der Toskaner*innen ihrer bisherigen Regionalregierung | |
gute Arbeit bescheinigen. | |
In solchen Zahlen spiegelt sich auch die Tatsache wider, dass zwar die | |
Mehrheit der Italiener*innen [2][mit der Arbeit der Regierung in der | |
Coronakrise zufrieden ist, dass Regierungschef Conte selbst äußerst gute | |
Popularitätswerte hat –, dass dies sich aber nicht in wachsende Zustimmung | |
für die Regierungsparteien umsetzt]. Diesen Parteien, vorneweg der PD, | |
graut vor der Vorstellung, sie könne am Ende bloß Kampanien halten. Doch | |
das Regierungslager baut vor: Von allen Seiten verlautet, dass das Votum | |
für die nationale Regierung ohne Belang sei. Glauben mag dies jedoch | |
niemand in Rom. | |
19 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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