| # taz.de -- Nach Regionalwahl in Italien: Die wahren Gewinner sitzen in Rom | |
| > Italiens linke Regierungspartei PD geht gestärkt aus dem Votum in sieben | |
| > Regionen hervor. Dabei sahen die Prognosen zunächst mau aus. | |
| Bild: Italiener*innen entschieden zeitgleich, dass Senat und Abgeordnetenhaus k… | |
| Rom taz | Seit Wochen zitterte die italienische Regierungskoalition der | |
| gemäßigt linken Partito Democratico (PD) und der | |
| Anti-Establishment-Bewegung Movimento5Stelle (Fünf-Sterne-Bewegung) unter | |
| Ministerpräsident Giuseppe Conte dem Referendum der Bürger*innen über die | |
| Verfassungsreform sowie [1][der Wahl in sieben Regionen] entgegen – doch | |
| als am Montagnachmittag die Wahllokale schlossen, konnte sie befreit | |
| aufatmen. | |
| Überraschend klar konnte die PD unter ihrem seit März 2019 amtierenden | |
| Vorsitzenden Nicola Zingaretti gleich drei Regionen verteidigen. Das | |
| Wahlrecht sieht vor, dass die Bürger*innen die Parlamente sowie auch direkt | |
| die Präsident*innen der Regionen wählen. Am Ende ist aber das zweite Votum | |
| ausschlaggebend: Wer immer beim Rennen um die Präsidentschaft die Nase vorn | |
| hat, erhält im Parlament einen Mehrheitsbonus. | |
| Vier der sechs Region, die am Sonntag und Montag abstimmten, waren bisher | |
| von der PD geführt: die Toskana, die Marken, Kampanien und Apulien. Zwei | |
| Regionen dagegen – Ligurien und das Veneto – hatten bisher schon | |
| Rechtsregierungen. | |
| Die Meinungsumfragen waren für die Linke alles andere als vielversprechend. | |
| Die Marken mussten schon als verloren gelten, während [2][in der Toskana] | |
| und Apulien die Rechte unter ihrem Frontmann, dem [3][Lega-Chef Matteo | |
| Salvini], gute Chancen auf einen Sieg hatte. Die Fünf-Sterne-Bewegung hätte | |
| es in der Hand gehabt, diese Chancen zu mindern – durch Wahlallianzen mit | |
| der PD. Doch dazu waren sie bloß in Ligurien bereit, in einer Region, in | |
| der auch das kaum Aussicht auf Erfolg brachte. | |
| ## Eindeutige Resultate für die PD | |
| Zwar konnten die Rechten in den Marken und im Veneto wahre Erdrutschsiege | |
| erzielen: Der Lega-Mann Luca Zaia etwa kam im Veneto auf 77 Prozent. Doch | |
| in der Toskana ebenso wie in Apulien mussten sie überraschend deutliche | |
| Niederlagen einstecken. | |
| Statt eines Kopf-an-Kopf-Rennens gab es eindeutige Resultate. Zwar hatte | |
| die PD in der Toskana mit Eugenio Giani nur einen blassen Kandidaten | |
| anzubieten, doch der holte knapp 49 Prozent der Stimmen und ließ seine | |
| Kontrahentin Susanna Ceccardi von der Lega acht Prozentpunkt hinter sich. | |
| Entscheidend war wohl die Mobilisierung der Linken: Die Wahlbeteiligung | |
| stieg von 48 Prozent (2015) auf jetzt 63 Prozent. Auch in Apulien durfte | |
| sich der PD-Kandidat über 47 Prozent und einen Vorsprung von acht Prozent | |
| freuen. | |
| Das von Salvini erhoffte Debakel der römischen Regierungskoalition blieb | |
| mithin aus, auch wenn einer der Koalitionspartner, die | |
| Fünf-Sterne-Bewegung, mit starken Einbußen leben muss. Deren Kandidatin in | |
| Apulien kam auf magere 11 Prozent, während die Fünf-Sterne-Bewegung 2018 | |
| bei den nationalen Parlamentswahlen noch 45 Prozent geholt hatte. | |
| Als Trost bleibt der Fünf-Sterne-Bewegung immerhin das | |
| Verfassungsreferendum. Die Bürger*innen hatten über die Verkleinerung des | |
| Abgeordnetenhauses von 630 Sitze auf 400 und des Senats von 315 Sitze auf | |
| 200 zu befinden. Wirklich gewollt hatten diese Reform allein die | |
| Fünf-Sterne-Bewegung, doch mit 70 Prozent stimmte eine deutliche Mehrheit | |
| der Italiener*innen zu. | |
| ## „Italia viva“ mehr tot als lebendig | |
| Die eigentlichen Sieger aber heißen Giuseppe Conte, der amtierende | |
| Ministerpräsident, und Nicola Zingaretti, der PD-Vorsitzende. Die Regierung | |
| geht stabilisiert aus der Wahl hervor, und Zingaretti kann jetzt für sich | |
| beanspruchen, mit seiner PD diesen Erfolg garantiert zu haben. | |
| Matteo Renzi, der frühere Ministerpräsident und PD-Vorsitzende, kann | |
| deshalb als Verlierer gelten. Er hatte sich samt seinen Gefolgsleuten vor | |
| einem Jahr von seiner alten Partei abgespalten und die neue Formation | |
| „Italia viva“ („Lebendiges Italien“) ins Leben gerufen, die dem Kurs des | |
| französischen Präsidenten Emmanuel Macron folgt. | |
| Doch „Lebendiges Italien“, das jedenfalls sagen die Ergebnisse, ist eher | |
| tot als lebendig. Egal ob die Formation im Mitte-Links-Bündnis zusammen mit | |
| der PD antrat oder aber gegen die PD wie in Apulien – stets fielen die | |
| Resultat mit 1 bis 3 Prozent miserabel aus. Nur in Renzis Heimatregion | |
| Toskana reichte es für 4,5 Prozent. Auch deshalb können Conte und | |
| Zingaretti jetzt ruhiger schlafen. Angesichts der Aussicht, bei | |
| Parlamentswahlen ein erneutes Desaster zu erleben, dürfte Renzis [4][Lust | |
| auf Regierungskrisen] oder gar Neuwahlen deutlich geringer geworden sein. | |
| 22 Sep 2020 | |
| ## LINKS | |
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| ## AUTOREN | |
| Michael Braun | |
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