# taz.de -- Verkehrswende in Berlin: Weiter in die Pedale treten | |
> Radfahren ist in Berlin gefährlich. Trotz Zusagen der Politik kommt der | |
> Ausbau von Radwegen kaum voran, Verbesserungen könnten zurückgedreht | |
> werden. | |
Bild: Sicherer unterwegs auf dem Pop-Up-Radweg am Halleschen Ufer in Berlin-Kre… | |
BERLIN taz | Der [1][Berliner Verkehr ist gefährlich]. Vor allem für | |
diejenigen, die nicht in einem Metallkäfig mit Knautschzone sitzen. Täglich | |
befinden sich Radfahrer*innen in gefährlichen Situationen und Konflikten. | |
Zum einen, weil sie nicht als gleichwertige Verkehrsteilnehmer*innen | |
anerkannt werden, aber auch, weil die Stadt nach wie vor auf Autos | |
ausgelegt ist. Berlin ist vieles – fahrradfreundlich ist es nicht. | |
Die [2][Initiative „Volksentscheid Fahrrad“] will das ändern und hat 2017 | |
einen ersten Entwurf für ein Mobilitätsgesetz verfasst. Das Gesetz wurde | |
nach einem Volksbegehren vom Senat verabschiedet. Die Politiker*innen | |
beschlossen, dass Fuß-, Rad- und öffentlicher Personennahverkehr bei allen | |
Planungen Vorrang erhält. „Einen Meilenstein in der Berliner | |
Verkehrspolitik“ nennt [3][Changing Cities], der Verein, der aus dem | |
Volksentscheid entstanden ist, diesen Schritt. | |
Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Genügend Zeit, erste Veränderungen in | |
die Wege zu leiten und die Straßen für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen | |
sicherer zu gestalten. Viel ist allerdings nicht passiert. Laut Changing | |
Cities ist ein Radverkehrsplan der erste Schritt, um das | |
[4][Mobilitätsgesetz] vom Papier auf die Straßen zu bringen. Der Verein hat | |
einen Vorschlag eingereicht, der Senat hat ihn bisher aber nicht | |
angenommen. Radfahrer*innen haben also nach wie vor mit fehlenden oder | |
schlecht ausgebauten Radwegen, gefährlichen Kreuzungen und parkenden Autos | |
auf den Fahrradstreifen zu kämpfen. | |
2020 sind bereits 15 [5][Radfahrer*innen im Verkehr] getötet worden – die | |
meisten von ihnen aufgrund der Infrastruktur. Die betreffenden Kreuzungen | |
und Straßenabschnitte wurden danach nicht verändert oder gesperrt, der | |
Verkehr fließt wie zuvor. „In einem Betrieb würde man auch keine | |
gefährliche Maschine oder Gerüst weiter einsetzen, wenn Menschen zu Schaden | |
gekommen sind – das ist schlichtweg verboten!“, kritisiert Ragnhild | |
Sørensen, Sprecherin von Changing Cities, die fehlende Reaktion des Senats. | |
So ist und bleibt Vision Zero, das Ziel, keine Verkehrstoten und | |
Schwerverletzten mehr zu haben, genau das – eine Vision. | |
## Veränderungen kamen erst durch Corona | |
Das Mobilitätsgesetz fordert breite, gut ausgebaute und vor allem | |
geschützte Radwege. Sie sollen es Radfahrer*innen ermöglichen, schnell und | |
sicher durch die Stadt zu kommen und Fahrradfahren attraktiver zu | |
gestalten. Bisher gibt es einige hundert Meter Radwege, die den Kriterien | |
entsprechen. Sie sind etwa durch Poller von der Straße abgegrenzt und breit | |
genug, um einen fließenden Radverkehr zu ermöglichen. | |
Tatsächliche Veränderungen kamen erst mit der Coronapandemie: | |
[6][Pop-up-Radwege] wurden eingerichtet, um Abstandsregelungen einzuhalten, | |
den öffentlichen Nahverkehr zu entlasten und Menschen zur körperlichen | |
Bewegung einzuladen. Sie stießen bei Radfahrer*innen auf große Zustimmung, | |
denn sie verringern Unfälle. | |
Doch es wurde wieder einmal klar, dass die Bereitschaft für die | |
Verkehrswende bei einigen Parteien – wenn überhaupt – nur so lange | |
vorhanden ist, bis der Autoverkehr eingeschränkt wird: Die AfD [7][klagte | |
gegen die Pop-up-Radwege] und bezeichnete sie als „rechtswidrig“ – CDU und | |
FDP stimmten zu. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag gegen die Radwege | |
stattgegeben. Wenn das Urteil bestätigt wird, ist das, laut Sørensen, ein | |
großer Rückschlag für die deutschlandweite Verkehrswende. Es liegt nun an | |
der Senatsverwaltung, sich für die Radwege einzusetzen. | |
Der rot-rot-grüne Senat hat mit dem Mobilitätsgesetz die Möglichkeit, die | |
Verkehrswende – und damit nicht nur die Sicherheit der Radfahrer*innen, | |
sondern auch den Klimaschutz – deutlich voranzutreiben. Dafür müssen klare | |
Zielvorgaben und ein Ablaufplan für die Umsetzung des Gesetzes her. Der | |
Aufstieg hat geklappt, jetzt muss weiter in die Pedale getreten werden. | |
25 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Sarah Grzondziel | |
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