# taz.de -- Stadtumbau in Berlin-Kreuzberg: Schritt für Schritt ins Paradies | |
> Fast ein Jahrzehnt wurde diskutiert, nun steht der Entwurf für eine | |
> autofreie Bergmannstraße. Sie soll Vorbild für weitere Berliner Kieze | |
> sein. | |
Bild: Die Bergmannstraße der Zukunft: mit Bächlein! | |
Unter einem – oder dem – Paradies versteht jede und jeder ein bisschen was | |
anderes. Aber dieser [1][im Kreuzberger Rathaus ausgestellte Entwurf] der | |
Bergmannstraße kommt einem innerstädtischen Wohlfühlort ziemlich nahe. | |
Statt fahrender und parkender Autos dominieren RadfahrerInnen und | |
FußgängerInnen, die nicht länger an den Rand gedrängt werden, das Bild. | |
Zwischen beiden, als natürliche Trennung quasi, soll ein Wasserlauf gebaut | |
werden, was stark an die „Bächle“ im südwestdeutschen Freiburg erinnert, | |
der ursprünglichen Heimat vieler BewohnerInnen dieses Kreuzberger Viertels. | |
Motorisierte Fahrzeuge hingegen sind mit Ausnahme von Lieferfahrzeugen ganz | |
verschwunden. | |
„Der Bergmannkiez wird unser Modellprojekt für den Kiez der Zukunft“, sagt | |
Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann am Mittwoch bei der Vorbesichtigung | |
der Ausstellung. Nach dem Willen des Bezirksamts soll die Bergmannstraße | |
zwischen Nostitz- und Schleiermacherstraße für den motorisierten | |
Individiualverkehr gesperrt und zur Fußgängerzone werden, die RadlerInnen | |
bekommen baulich separiert davon einen zweispurigen, mindestens vier Meter | |
breiten eigenen Weg, die Baumscheiben werden vergrößert. Überall gilt Tempo | |
20. Und der umliegende Kiez wird durch ein umfassendes System von | |
Sperrungen und Einbahnstraßen in das Verkehrskonzept eingebunden. Grüner | |
soll das Viertel werden, weniger mit Schadstoffen belastet, leiser und auch | |
sicherer für die Menschen. | |
Beschlossen wurde das Konzept vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg am | |
Dienstag. Nun muss das Bezirksparlament der Planung in mehreren Sitzungen | |
bis Ende November noch zustimmen. Passiert das – wovon | |
Bezirksbürgermeisterin Herrmann offenbar ausgeht –, soll es nächstes Jahr | |
einen städtebaulichen Wettbewerb geben, bei dem genau geklärt wird, wie die | |
Umsetzung aussehen soll. Dabei gilt, wie Felix Weisbrich, Leiter des | |
Straßen- und Grünflächenamts, betont: „In Details kann es noch Änderungen | |
geben, bei den wesentlichen Vorgaben nicht.“ | |
Wer den Entwurf genauer betrachtet, fragt sich, warum eine solche | |
Umgestaltung nicht schon früher möglich war. Schließlich ist der | |
Bergmannkiez politisch eine grüne Oase, umgeben von großen Straßen, die den | |
Durchgangsverkehr aufnehmen können. Die Antwort liefert die noch bis 2. | |
Oktober zu sehende Ausstellung im Rathaus: Neun Jahre sind vergangen, seit | |
der Senat mit seiner Fußverkehrsstrategie die Grundlage für die | |
Umgestaltung schuf. Dazwischen liegen [2][viele Beteiligungsformate mit | |
AnwohnerInnen und Gewerbetreibenden,] repräsenative Umfragen, verpatze | |
Versuche wie mit den überwiegend als problematisch beurteilten Parklets | |
oder unverständlichen Straßenmarkierungen sowie aus dem Ruder gelaufene | |
Diskussionsveranstaltungen. | |
Von einer insgesamt „sehr dynamischen Debatte“ spricht Monika Herrmann, | |
betont dabei aber die Vorteile dieses langen Vorlaufs: „Jeder und jede, die | |
sich einbringen wollte, hatte dafür die Chance.“ Nun werde der Bürgerwille | |
umgesetzt. | |
Natürlich erwartet Herrmann weitere Diskussionen, schließlich fallen | |
zwischen 90 und 190 Parkplätze weg. Aber eher in Richtung Zukunft: „Viele | |
Initiativen in Berlin erwarten eine solche Umgestaltung auch für ihren | |
Kiez.“ Sie geht davon aus, dass die Umsetzung „selbst in Berlin durchaus | |
schneller vorangehen könne“. Aber auch im Bergmannkiez wird es noch eine | |
Weile dauern bis zum Paradies: Erst 2023 oder 24 werde der Umbau fertig | |
sein, sagt Amtsleiter Weisbrich. | |
16 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] http://www.berlin.de/bergmannkiez/ausstellung/ | |
[2] /Berliner-Begegnungszonen/!5540671 | |
## AUTOREN | |
Bert Schulz | |
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