Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Verkehrsberuhigung im Bergmannkiez: Klappe zu in zwei Jahren
> Seit Jahren fordern AnwohnerInnen und das Bezirksamt in
> Friedrichshain-Kreuzberg die Sperrung einer Durchgangsstraße im
> Bergmannkiez – nun mit Erfolg.
Bild: So sieht ein Kiezblock natürlich nicht aus: Zossener Straße zwischen Be…
Berlin taz | Noch knapper wäre es nicht gegangen. Am Montagnachmittag, drei
Tage vor dem Ende des rot-grün-roten Giffey-Senats, konnte das Bezirksamt
Friedrichshain-Kreuzberg Vollzug melden: Die Senatsverwaltung für Mobilität
unter Bettina Jarasch (Grüne) hat den Straßenzug Zossener Straße –
Friesenstraße aus dem sogenannten übergeordneten Hauptstraßennetz
herausgenommen und in die bezirkliche Zuständigkeit übergeben.
Was erst einmal recht nebensächlich klingt, ist zentral für die
[1][Verkehrsberuhigung im Kreuzberger Bergmannkiez] und für viele
AnwohnerInnen ein nach Jahren zäh errungener Sieg über die Bevorzugung des
Autoverkehrs. Der Fall zeigt, wie mühsam es auch schon vor Schwarz-Rot sein
konnte, die viel beschworene Mobilitätswende tatsächlich auf die Straße zu
bringen.
Der verkehrsberuhigte Bergmannkiez sei „im besten Sinne ein Modellprojekt
für die Frage, wie unsere Straßen sicherer, klimafester und mit mehr
Aufenthaltsqualität ausgestaltet werden können“, sagte die zuständige
Bezirksstadträtin Annika Gerold (Grüne) am Montag. Sie sei „sehr froh“,
dass der Bezirk die Maßnahmen im Bergmannkiez jetzt in eigener
Zuständigkeit finalisieren könne.
Der Straßenzug, um den es geht, durchkreuzt den beliebten Kreuzberger Wohn-
und Ausgehkiez in Nord-Süd-Richtung. Autofahrende nutzen sie als
Parallelroute zum westlich davon verlaufenden Mehringdamm, um von Mitte zum
Tempelhofer Damm und zur Stadtautobahn zu gelangen.
Stark zugenommen hat das Problem, als vor zehn Jahren die
Axel-Springer-Straße am nördlichen Rand Kreuzbergs zum Spittelmarkt hin für
den Durchgangsverkehr geöffnet wurde. Über die Lindenstraße erreichen Pkws
dann in direkter Linie die Zossener Straße und den Bergmannkiez.
## Rund 10.000 Pkw am Tag
Fahren über den Mehringdamm, der Teil der Bundesstraße 96 ist, täglich rund
40.000 Kfz, sind es auf der Zossener und Friesenstraße immerhin um die
10.000. Mit dem Unterschied, dass hier Läden, Restaurants und die
Marheineke-Markthalle für dichten Fußverkehr sorgen. Die
Nord-Süd-Verbindung konterkariert bis jetzt auch das Konzept, das seit 2021
durch Einbahnstraßenregelungen und Poller den Durchgangsverkehr heraushält
– im Grunde Berlins erster großer Kiezblock.
Schon vor Beginn des 2019 nach etlichen Jahren abgeschlossenen
Beteiligungsverfahrens zur Verkehrsberuhigung hatte sich die
[2][Bürgerinitiative] „Leiser Bergmannkiez“ [3][für eine Schließung der
Alternativ-Rennstrecke stark gemacht]. Besonders litten viele AnwohnerInnen
unter der Lautstärke der Autos auf der kopfsteingepflasterten
Friesenstraße.
Die ist inzwischen asphaltiert, aber alle Appelle an Bezirk und Senat, die
Straße einfach in der Mitte zu sperren, wurden trotz Unterstützung durch
die BVV von der Landesebene abgeblockt. Die war nämlich – bis jetzt – wegen
der Einordnung der Verbindung in das übergeordnete Hauptstraßennetz
zuständig und konnte sich schlicht nicht vorstellen, noch mehr Verkehr auf
den Mehringdamm zu schaufeln.
„Seit über 10 Jahren setzt sich unsere Initiative gegenüber inzwischen vier
Verkehrssenator*innen dafür ein, dass Ihre Verwaltung […] die
Verkehrsgestaltung dieser Straßen in die Entscheidungshoheit des Bezirks
überführt“, hieß es in einem Schreiben, das die Initiative im Vorfeld der
Wiederholungswahl im Februar an Bettina Jarasch richtete. Nichts sei
passiert, der Durchgangsverkehr habe einer Untersuchung der Deutschen
Umwelthilfe zufolge sogar um mehr als 20 Prozent zugenommen.
## Gutachten hat überzeugt
Am Ende hat das Bezirksamt die Senatsverwaltung nun doch überzeugen können
– mit einem Verkehrsgutachten, das die Behörde schon vor zwei Jahren in
Auftrag gegeben hatte. Das erwartet durch die Sperrung zwar Verlagerungen
auf den Mehringdamm – aber „deren umweltbezogene Auswirkungen werden in den
kommenden Jahren durch den erhöhten Anteil von Elektromobilität
ausgeglichen“. Der Wermutstropfen: Weil der Anteil der lokal
emissionsfreien Fahrzeuge erst weiter steigen soll, darf der Schleichweg
durch den Kiez erst in zwei Jahren abgeschnitten werden.
Dabei rechnen die Verantwortlichen im Bezirk damit, dass die Verkehrsmenge
nach der Sperrung insgesamt abnimmt. „Das verlagert sich nicht eins zu
eins, wir beeinflussen damit ja auch die Verkehrsmittelwahl. Manche steigen
dann einfach um“, hatte Straßen- und Grünflächenamtsleiter Felix Weisbrich
nach der Beauftragung des Gutachtens der taz gesagt. Der Strom werde nicht
einfach umgeleitet, er „verdampfe“ nach den Erkenntnissen der
Mobilitätsforschung dabei auch teilweise.
Die verbleibende Zeit will das Bezirksamt nun nutzen, „um die Maßnahmen
technisch und organisatorisch sowie hinsichtlich der konkreten
stadträumlichen Ausgestaltung vorzubereiten“, heißt es in der Mitteilung
vom Montag. Vor allem sollen die BVG-Busse der Linie 248 weiter durch den
Kiez rollen dürfen – für sie und für Einsatzfahrzeuge werden wohl
fernsteuerbare Poller eingebaut werden. Voraussichtlich im kommenden Jahr
soll dann auch der städtebauliche Wettbewerb für die endgültige
[4][Umgestaltung der Bergmannstraße zur Fußgängerzone] starten.
25 Apr 2023
## LINKS
[1] /Verkehrsberuhigung-der-Bergmannstrasse/!5762811
[2] https://leiser-bergmannkiez.de
[3] /Bezirk-beschliesst-Fussgaengerzone/!5428577
[4] /Stadtumbau-in-Berlin-Kreuzberg/!5709958
## AUTOREN
Claudius Prößer
## TAGS
Kiezblock
Friedrichshain-Kreuzberg
Verkehrsplanung
Friedrichshain-Kreuzberg
Verkehrswende
Lesestück Recherche und Reportage
Kreuzberg
Schwerpunkt Klimawandel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Verkehrsplanung in den Berliner Bezirken: Langsam rollt die Wende an
Friedrichshain-Kreuzberg treibt den Umbau seiner Straßen voran – aus den
großen Plänen für den Bergmannkiez wird so schnell aber nichts.
Verkehrsberuhigung in Berlin: Ostkreuzkiez hat bald die Ruhe weg
Nach mehreren Beteiligungsrunden startet die Verkehrsberuhigung im Kiez am
Ostkreuz. Der Durchgangsverkehr für Pkw soll stark verringert werden.
Verkehrswende in Berliner Kiezen: Durchfahrt verboten
Es geht ihnen nicht darum, alle Autos aus den Kiezen herauszuhalten. Nur
den Durchgangsverkehr will die Kiezblock-Bewegung nicht mehr bei sich
haben.
Verkehrsberuhigung der Bergmannstraße: Ein Kiez macht dicht
Der Bergmannkiez in Kreuzberg leidet seit Langem unter zu viel Verkehr.
Nach jahrelangem Experimentieren wird es für AutofahrerInnen jetzt ernst.
Stadtumbau in Berlin-Kreuzberg: Schritt für Schritt ins Paradies
Fast ein Jahrzehnt wurde diskutiert, nun steht der Entwurf für eine
autofreie Bergmannstraße. Sie soll Vorbild für weitere Berliner Kieze sein.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.