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# taz.de -- Internationales Filmfest Oldenburg: Wie viel Glamour geht schon wie…
> Am 16. September startet in Oldenburg das Internationale Filmfest – als
> erstes in Norddeutschland unter Coronabedingungen.
Bild: Bild aus vergangenen Zeiten: Die Eröffnungsgala des Internationalen Film…
Bremen taz | Der rote Teppich wird in Wohnzimmern ausgerollt – nicht nur
symbolisch, sondern ganz real. Aufwendige Galas mit Hunderten festlich
gekleideten Gästen wird es weder zur Eröffnung des diesjährigen
[1][Oldenburger Filmfestes] geben noch zum Abschluss oder der Präsentation
der Ehrengäste – nicht in Zeiten von Corona. Aber Festivalleiter Torsten
Neumann hatte eine Idee, wie sich trotzdem zumindest ein wenig festliche
Stimmung schaffen lassen könnte: Ganz normale Oldenburger*innen konnten
sich darum bewerben, ihre Wohnzimmer für Galavorstellungen zur Verfügung zu
stellen.
So wird nun etwa die Eröffnungsgala am kommenden Mittwoch in einem
Privathaushalt stattfinden, von einem Kamerateam aufgenommen und live
„ausgestrahlt“ auf der On-Demand-Plattform Pantaflix – für alle, die vor…
ein digitales Ticket erworben haben. Neumann wird feierlich dieses 27.
Festival eröffnen, ein paar prominente Gäste werden mit ihm und den
Gastgeber*innen mit Sekt anstoßen, und dann wird „Puppy Love“ gezeigt.
Zwei Tage später läuft der Film des kanadischen Regisseurs Michael Maxxis
dann auch noch mal auf einer großen Leinwand. Die kleine Eröffnungsgala
aber gibt es nur online: In den Kinos wird dieses Jahr nicht gefeiert. Wie
viel Festivalatmosphäre lässt sich retten unter den Bedingungen der
Pandemie?
Alle 45 Filme [2][im Programm] werden je einmal in einem der drei
Festivalkinos aufgeführt. In den großen, zum temporären Kino umgebauten
Saal [3][der Oldenburger „Kulturetage“] passen dann immerhin rund 100
Zuschauer*innen. Und es werden sogar ein paar Gäste anreisen, um ihre Filme
persönlich vorzustellen. Aber noch mehr bleiben zuhause und werden für
Einführungen oder Gespräche per Videolink zugeschaltet.
Das Festival findet also zum größeren Teil virtuell statt, nicht an realen
Orten in Oldenburg. Da ist es dann schon eine Herausforderung, in diesem
„sterilen Medium“ – wie Festivalleiter Neumann es selbst nennt – die
Spannung des „hier und jetzt passiert es!“ zu schaffen, die viel vom Reiz
so eines Filmfestes ausmacht.
Immerhin: Um dem Erlebnis so nahe zu kommen wie möglich, geschieht auch
online alles in Echtzeit. So stehen die Festivalfilme nicht etwa für 24
Stunden oder länger im Netz, sondern können auch von zuhause aus nur zu den
im Programm angegebenen Zeiten angesehen werden. „Wenn du zu spät kommt,
ist die Tür zu, und du kommst nicht mehr hinein“, sagt Neumann, der hofft,
für Disziplin auch unter virtuellen Festivalbesucher*innen sorgen zu
können. Aber er weiß auch: Einen Teil des potenziellen Publikum dürfte
diese Politik das Festival diesmal kosten.
Premierenatmosphäre soll auch der digitale Applaus schaffen: Die
Wohnzimmer-Zuschauer*innen können kurz vor dem Ende des Films darüber
abstimmen, ob sie danach leise, freundlich, laut oder begeistert
applaudieren wollen. Und wie in einer billigen TV-Komödie die Lachkonserve,
so wird nun in Oldenburg während des Abspanns der im Voting errechnete
Durchschnittsapplaus eingespielt – Buhrufe sind allerdings nicht möglich.
Für die digitalen Vorführungen wird es keine Dauerkarten geben, es muss
jeweils ein neues Ticket erworben werden. Dieses wird mit 5,99 Euro etwas
preiswerter sein als der Besuch eines physischen Festivalkinos mit 8,50
Euro. Die Erfahrung von anderen Online-Festivals ist, dass nicht selten
zwei und mehr Zuschauer*innen mit nur einem Ticket einen Film ansehen
werden; das senkt die Zahlen und die Einnahmen. Zum realen Kinobesuch soll
ermuntern, dass zu jeder Dauerkarte – für diese Vorführungen gibt es welche
– drei Gutscheine für einen digitalen Kinobesuch ausgegeben werden.
Technisch wird die Hybrid-Strategie eine große Herausforderung für den
Video-On-Demand-Anbieter Pantaflix werden. Für diesen Partner hat Neumann
sich recht kurzfristig entschieden hat: Noch Mitte Mai war mit Pornhub eine
der bekanntesten Pornowebsites im Gespräch – auch wegen eines, so Neumann,
„bedeutend umfangreicheren“ Angebots. Tatsächlich haben die Plattform und
das Festival schon zusammengearbeitet, so lief im vergangenen Jahr ein für
Pornhub produzierter Kurzfilm im Festivalprogramm. Der Filmfestchef hätte
ausdrücklich kleine Berührungsängste, die Zusammenarbeit scheiterte dann
aber an „zu vielen Verwerfungen“: Sponsoren oder auch Fördergremien legten
Einspruch ein.
Ein Film im Programm könnte digital wohl mehr Zuschauer*innen anlocken als
alle anderen zusammen: Mit „The Jesus Rolls“ hat John Turturro ein Spin-off
zu einem echten Kultfilm – und hier passt die oft bemühte Vokabel wirklich
– geliefert, nämlich zu „The Big Lebowski“ von den Coen-Brüdern. Die
weigern sich seit vielen Jahren standhaft, selbst eine Fortsetzung mit Jeff
Bridges in der Hauptrolle zu drehen. Sie haben aber Turturro einen eigenen
Film erlaubt – über die damals von ihm gespielte Nebenfigur Jesus. Und so
ist er jetzt noch einmal der kleine König der Bowling-Alley, der seine
Kugel ableckt und „Don’t fuck with the Jesus“ schreit.
[4][Auch der Festival-Trailer] sieht in diesem Jahr anders aus. Seit vielen
Jahren produziert Neumann selbst die kurzen Werbefilme, die in den Wochen
vor dem Festival in norddeutschen Programm- und Kommunalkinos laufen:
voller Selbstironie und cineastischen Anspielungen. In diesem Jahr hat er
stattdessen wiederum die Oldenburger*innen aufgefordert, selbstgedrehte
Filmchen einzuschicken, in denen sie zeigen, wie sie sich einen
Festivalabend im eigenen Heim vorstellen. Solche Collagen filmischer
Selfies sind [5][eine neue, im Lockdown entwickelte Stilform] – insofern
ist der diesjährige Trailer also nicht direkt originell. Aber er vermittelt
einen guten Eindruck davon, wie es in einigen Oldenburger Wohnzimmern
aussehen wird, wenn wieder Filmfest ist.
11 Sep 2020
## LINKS
[1] /Internationales-Filmfest-Oldenburg/!5530918
[2] https://www.filmfest-oldenburg.de/de/programm/filme/
[3] https://www.kulturetage.de/
[4] https://www.filmfest-oldenburg.de/en/festival/festival-news/der-festival-tr…
[5] /Corona-Filmcollage-aus-Hannover/!5689846
## AUTOREN
Wilfried Hippen
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