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# taz.de -- PEN-Präsidentin über Eckhart-Debatte: „Wir sind für das freie …
> Die Hamburger PEN-Vorsitzende Regula Venske verteidigt ihre Kritik an der
> Ausladung der Kabarettistin Lisa Eckhart vom Harbour Front-Festival.
Bild: Eingeladen, ausgeladen, wieder eingeladen, Absage kassiert: Lisa Eckhart …
taz: Überrascht Sie die Kritik an Ihrem [1][offenen Brief] gegen die
Ausladung von Lisa Eckhart, Frau Venske?
Regula Venske: Von Kolleginnen und Kollegen habe ich sehr viel positive
Rückmeldung erhalten. Die Debatte ist sehr aufgeladen, überraschend wäre es
eher, wenn es keine Kritik gäbe.
Was macht die Debatte so aufgeladen?
Wir leben in einer Zeit, in der sehr schnell Erregung und Empörung um sich
greifen, sehr schnell auch jede Seite meint, dass sie im Besitz der
alleinigen Wahrheit sei. Da ist wenig Bereitschaft, anderen Positionen
zuzuhören und sie zu verstehen. Es wird sehr schnell etwas unterstellt; das
macht die Diskussionskultur insgesamt schwach und anfällig. Wir setzen uns
im PEN für das freie Wort ein, für offene Diskussion, weil wir glauben,
dass das die Gesellschaft zu einem Höheren voranbringt.
Gibt es Grenzen des Debattierbaren?
Wir kämpfen gegen jede Form von Hass, gegen Rassen-, Klassen-, Völkerhass,
Hass aufgrund des Geschlechtes, der sexuellen Vorliebe – und das gilt es
gegenüber der Freiheit des Wortes immer wieder auszubalancieren. Das ist
oft kompliziert und dann ist es ungünstig, wenn so schnell frontal Stellung
bezogen wird.
Sie selbst haben im offenen Brief an die Störung der Premiere von Remarques
„Im Westen nichts Neues“ durch Nazi-Schlägertrupps erinnert.
Lassen Sie mich ein Missverständnis, das leider entstanden ist, kurz
klarstellen. Ich habe nicht Eckhart mit Remarque vergleichen wollen, auch
nicht die historische Situation vor 90 Jahren mit unserer. Es geht darum,
dass es im Laufe der Geschichte viele unterschiedliche Formen von Zensur
gibt. Der einzige Vergleichspunkt ist, dass das Bürgertum sich damals nicht
genügend für die Meinungs- und Kunstfreiheit positioniert hat und heute, in
anderer Situation, vielleicht auch nicht. Wenn ich das verkürzt und
missverständlich ausgedrückt habe, tut mir das leid. Es ist leicht, wenn
wir nobelpreisverdächtige Literatur verteidigen oder wenn wir uns klar
gegen rechts positionieren oder uns für die Meinungsfreiheit in der Türkei
stark machen. Aber wir müssen uns auch da stark machen, wo wir vielleicht
nicht so überzeugt sind oder es uns selbst weh tut.
In der Kritik an der Ausladungskritik heißt es, dass der Hamburger
„Nochtspeicher“ als der eigentliche Veranstaltungsort inzwischen [2][klar
gestellt] habe, er habe nicht Drohungen, sondern nur Warnungen erhalten.
Damit sei das Szenario ein anderes als etwa im offenen Brief dargestellt.
Das Szenario kam ja nicht von mir. Aber: Wenn es die Drohungen nicht einmal
gegeben hat, um so schlimmer ist die Ausladung doch. Das Festival hat
ausgeladen mit der Information, man sei über die Sicherheitslage besorgt.
Was sagt eigentlich die Jury dazu, die über die acht für den
Heinz-Michael-Kühne-Preis nominierten Romane entscheidet? Haben die sie
auch ausgeladen?
Die KritikerInnen sehen im Vorwurf einer grassierenden „Cancel culture“
bloß fantasierte Maulkörbe und eine von der Rechten befeuerte
Scheindebatte. Tatsächlich ginge es um Kritik.
Es geht ja um eine reale Ausladung – und man kann nur kritisieren, wenn man
sich auf den Diskurs einlässt.
Die KritikerInnen von Lisa Eckhart argumentieren, dass bei Antisemitismus
der Diskurs für sie endet.
Für Antisemitismus gibt es keine Entschuldigung. Bei Lisa Eckhart müssen
wir über Satire und Figurenrede diskutieren. Der große Kabarettist Helmut
Qualtinger hat auch aus Naziperspektive gesprochen. Gerade in Österreich
gibt es da eine Tradition im Kabarett. Die Frage ist, ob sie nicht dem
Publikum den Spiegel vorhält, indem sie solche Positionen auf die Bühne
bringt. Dekonstruiert oder reproduziert sie? Diese Debatte wird verhindert,
wenn jetzt alle Antisemitismus schreien, die ihr Werk gar nicht kennen. Der
Feind steht rechts. Aber wenn wir solche Diskussionen im breiten
links-liberalen Spektrum nicht mehr führen, outsourcen wir den Einsatz für
die Meinungsfreiheit an die Rechten.
14 Aug 2020
## LINKS
[1] https://www.pen-deutschland.de/de/2020/08/10/offener-brief-von-pen-praeside…
[2] https://www.nochtspeicher.de/presse
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Antisemitismus
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Schwerpunkt Rassismus
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