# taz.de -- Debatte um ausgeladene Kabarettistin: Im harten Bett politischen Ha… | |
> Entscheidungen haben Konsequenzen. Deshalb hätten die Hausherren und | |
> Veranstalter zur Einladung der Kabarettistin Lisa Eckhart stehen müssen. | |
Bild: Bekommt gerade viel Aufmerksamkeit: Die österreichische Kabarettistin Li… | |
Viel ging es in den vergangenen Tagen um eine [1][ausgeladene | |
Kabarettistin], Lisa Eckhart, die mit ihrem Erstlingsroman für den im | |
Rahmen des Hamburger Harbour-Front-Festivals vergebenen Michael-Kühne-Preis | |
nominiert war. Ihre Lesung sollte im Nochtspeicher stattfinden, die | |
Nochtspeicher-Leute fürchteten Ärger, es soll Hinweise darauf gegeben | |
haben, da wollten sie den Ärger nicht und sagten dem Festival ab, das | |
daraufhin der Eckhart absagte, sie aber wieder einlud, aber dann sagte die | |
Eckhart endgültig ab. | |
Soweit die Fakten, über die jetzt viel diskutiert wurde, insbesondere | |
erregte man sich darüber, ob und wer sich welchen Leuten „gebeugt“ hätte. | |
Ob die Eckhart jetzt gut oder schlecht ist und wie ich die finde, darüber | |
will ich schweigen. Das ist vielleicht sogar egal, wenn es um solche Dinge | |
geht. Oder es ist ein anderes Thema. Worum es mir geht, ist die | |
Schwammigkeit im Aufzeigen der Zusammenhänge. Wer hat was getan und ist | |
ursächlich wofür verantwortlich? | |
Denn in der öffentlichen Wahrnehmung lautet die Erzählung so: Die | |
linksradikalen Autonomen aus dem Hafenstraßenumfeld (Parallelstraße der | |
Bernhard-Nocht-Straße, in der der Nochtspeicher liegt) haben den Auftritt | |
einer Künstlerin verhindert, weil sie ihnen nicht passt. Diese Leute also, | |
die wir nicht kennen, haben wahrscheinlich, ohne etwas zu tun, etwas | |
verhindert, was ihnen wahrscheinlich nicht gefällt. | |
Ich wünschte, ich könnte so manches, was mir nicht gefällt, auf ähnliche | |
Art verhindern. Nur kraft meiner bösen Gedanken. Was würde ich nicht alles | |
verhindern. Aber ich kann so ungefähr den ganzen Sachverhalt verstehen. | |
Wenn ich glaube, dass mir das, was ich tue, Ärger einbringen könnte, dann | |
verspüre ich so einen Widerstand in mir: Ist das jetzt wirklich so wichtig, | |
dass ich mir diesen möglichen Ärger einhandele? | |
Und dann wäge ich die Prioritäten ab und treffe meine Entscheidung. Wenn | |
ich, zum Beispiel, diesen Text schreibe, dann denke ich darüber nach, ob | |
ich den besser nicht schreibe, weil ich dann wieder einen Haufen blöder | |
Nachrichten kriege, die ich keine Lust habe, zu beantworten. Oder, wenn ich | |
auf eine Demonstration gegen Nazis gehe, dann überlege ich, ob mir das, das | |
Risiko, aufs Maul zu kriegen, wert ist. Wenn ich mich politisch engagiere, | |
dann riskiere ich, angezeigt zu werden, verprügelt zu werden, auf einer | |
Liste zu landen. | |
All das kann passieren, das ist politisch aktiven Menschen das Bett, in dem | |
sie schlafen. Ich kann mich gegen Handlungen entscheiden, weil ich keine | |
Lust auf Ärger habe. Ich kann sagen, es ist es mir nicht wert. Das ist mein | |
Recht. Das ist mein Leben. Ich finde es vielleicht nicht schön, dass mir | |
auf einer Demo gegen beschissene Nazis leider auch was passieren könnte. | |
Ich kann mich darüber beschweren, dass es so ist, aber am Ende treffe ich | |
meine Entscheidung, das Risiko einzugehen oder nicht. | |
Und hier haben wir also eine Kulturveranstaltung, die von manchen Leuten | |
aus verschiedenen Gründen gar nicht als rein kulturelle, sondern auch als | |
politische Handlung verstanden wird (und vielleicht gibt es solche rein | |
kulturellen Entscheidungen gar nicht, vielleicht gibt es rein gar keine | |
unpolitischen Handlungen). Und da sieht man sich dann seitens der | |
Veranstaltenden denselben Problemen gegenüber, denen sich politisch | |
agierende Menschen gewöhnlich gegenüber sehen. Und dann reagiert man empört | |
und meint: Die lassen uns nicht. Die haben es uns jetzt mit ihrer | |
Einstellung, die uns eventuell Ärger verschafft (und das halte ich sogar | |
für realistisch) unmöglich gemacht, diese Veranstaltung abzuhalten. | |
Und dazu würde die politische Aktivistin in ihrem harten Bett der | |
Repressionen nur müde mit den Augen plinkern. Natürlich ist es | |
diskussionswürdig, ob die Gründe, eine Autorin abzulehnen, richtig sind. | |
Aber, wenn ich sie nicht ablehne, sondern sie in meinen Räumen lesen lassen | |
möchte, dann treffe ich die Entscheidung, die in diesem Fall vielleicht | |
etwas schwieriger ist und einen anderen Aufwand bräuchte, eine andere | |
Strategie und mehr Auseinandersetzung. Und als Veranstalter treffe ich die | |
Entscheidung, sie ein- oder auszuladen. Das ist alles. | |
12 Aug 2020 | |
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## AUTOREN | |
Katrin Seddig | |
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