| # taz.de -- Ausladung der Kabarettistin Lisa Eckhart: Satire muss wehtun dürfen | |
| > Über die eigenen Abgründe zu lachen, hilft. Außerdem lohnt es sich, | |
| > weniger in Opfergruppen zu denken und mehr das Individuum im Blick zu | |
| > haben. | |
| Bild: Böse – oder bloß Halterin des bösen Spiegels? | |
| Die Konfusion ist groß. [1][Lisa Eckhart], österreichische Kabarettistin, | |
| ist vom Harbourfront-Literaturfestival in Hamburg [2][ausgeladen] worden. | |
| Weil es angeblich Drohungen aus der autonomen Szene gab und, laut | |
| Veranstaltern, die Sicherheit von Künstlern und Publikum somit nicht | |
| gewährleistet werden konnte. Kann so gewesen sein oder auch nicht. Sicher | |
| ist: Kritiker werfen Eckhart vor, rassistische und antisemitische Klischees | |
| zu bedienen. | |
| Alles tutti also? Klar, nichts braucht der Mensch weniger als noch mehr | |
| unbewegliche Weltbilder im Kopf. Der kleine Fallstrick hier: Es geht um | |
| Satire. Auch die kann – man hat es etwa an den Karikaturen von Dieter | |
| Hanitzsch gesehen – Stereotype reproduzieren. Der hat nicht erst mit der | |
| Zeichnung, wegen der er schließlich zu Recht bei der SZ gehen musste – | |
| Netanjahu mit großen, abstehenden Ohren und wulstigen Lippen sowie eine | |
| Rakete mit Davidstern in der Hand und zugleich als Strippenzieher des ESC | |
| dargestellt –, so ziemlich alle Stereotype über Juden und Israel | |
| reproduziert, die auch in den Köpfen von Linken und Linksliberalen | |
| herumgären. | |
| Aber im Gegensatz zu plumper Reproduktion nutzt halt Kabarett schon immer | |
| und im besten Fall intelligent das Klischee, um dem vermeintlich | |
| aufgeklärten Publikum zu spiegeln, was da in ihm selbst gärt. Im besten | |
| Fall also lacht man erst laut und beißt sich dann auf die Zunge – weil man | |
| erkennt: Man hat gerade über die eigenen Abgründe und Vorurteile gelacht. | |
| So was kann mehr im Kopf auslösen als ernste politische Appelle. | |
| Das hat Eckhart gemacht, als sie mit ihrem Sketch über Weinstein [3][und | |
| Woody Allen], beide in Sachen #metoo verstrickt, auf den lästigen Zwiespalt | |
| stieß: Die eine als „Opfer“ abgestempelte Gruppe hat der anderen, ebenso | |
| als „Opfer“ im Diskurs geführt, was angetan. Wie geht man als Linker jetzt | |
| damit um? Echter Solidaritätskonflikt. | |
| Es sei denn, man erkennt, dass dahinter nur wieder falsche Vorannahmen | |
| stecken. Philosemitismus, oder allgemein die ungute Tendenz, | |
| Menschengruppen zu überhöhen, aus Angst, sie zu diskriminieren. Der Mist | |
| ist halt: Menschengruppen sind nix. Nicht per se Opfer, nicht per se Täter. | |
| Der Mensch als Individuum ist. Und immer ganz anders als sein Nachbar. Es | |
| lassen sich also aus dem Fall zwei Sachen lernen: Kabarett muss wehtun | |
| dürfen. Nur so kommt das Gärende aus den Köpfen raus, und man kann es | |
| gemeinsam würgend wegwerfen. Und: Es lohnt sich, weniger in Opfer- oder | |
| Menschengruppen zu denken. Jeder ist auf seine Art borniert. | |
| 9 Aug 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ariane Lemme | |
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