| # taz.de -- Sachsens Verfassungsschutzchef: Versetzung nach Disput über AfD | |
| > Sachsens Innenminister versetzt Verfassungsschutzchef Meyer-Plath. | |
| > Offenbar gab es eine Auseinandersetzung über die Beobachtung der AfD. | |
| Bild: Gordian Meyer-Plath, versetzt ins Kultur- und Tourismusministerium | |
| Berlin/Dresden taz | Die Ablösung hatte sich bereits seit Monaten | |
| angekündigt, nun aber bekommt sie nochmal eine besondere Bedeutung. Am | |
| Dienstag verkündete Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) die | |
| sofortige Versetzung des Verfassungsschutzchefs Gordian Meyer-Plath ins | |
| Kultur- und Tourismusministerium. Gründe nannte er dafür nicht. Offenbar | |
| aber gab es einen schweren Disput zwischen Ministerium und Geheimdienst | |
| über die Beobachtung der AfD. | |
| Nachfolger von Meyer-Plath ist seit Mittwoch Dirk-Martin Christian, ein | |
| Jurist aus Wöllers Innenministerium. Seit Februar 2019 führte er die | |
| Fachaufsicht über den Verfassungsschutz aus und leitete schon von 2007 bis | |
| 2011 einmal die Zentralabteilung des Geheimdienstes. Offenbar lag er mit | |
| Meyer-Plath seit Längerem über Kreuz. | |
| Die [1][Sächsische Zeitung ] zitiert aus einem Schriftwechsel zwischen | |
| beiden, wonach Christian die Löschung von Daten über sächsische | |
| AfD-Abgeordnete beim Verfassungsschutz forderte – mit Verweis auf das | |
| besonders geschützte Mandat von Parlamentariern. Es soll um vier | |
| Abgeordnete des sächsischen Landtag, einen EU-Parlamentarier sowie drei | |
| Bundestagsabgeordnete, darunter AfD-Bundeschef Tino Chrupalla gehen. | |
| Meyer-Plath, damals noch Chef des Geheimdienstes, soll darauf vor einem | |
| „politischen Schaden für das Innenministerium und Minister Wöller“ gewarnt | |
| haben. | |
| „Der Freistaat Sachsen würde öffentlich wahrnehmbar in einem der | |
| dynamischsten Felder des modernen Rechtsextremismus, der auch als Nährboden | |
| für gewaltbereite Rechtsextremisten von Bedeutung ist, seine Arbeit | |
| einstellen“, schrieb Meyer-Plath an seinen späteren Nachfolger Christian im | |
| Mai diesen Jahres laut die Sächsische. Nicht nur ginge die Erkenntnislage | |
| zur AfD, sondern auch zur Neuen Rechten insgesamt verloren, so Meyer-Plath. | |
| Einstufungen, wie sie jüngst das Bundesamt für Verfassungsschutz vornahm, | |
| würden so unmöglich. Das Landesamt würde in diesem Bereich „nicht nur | |
| blind, sondern auch sprachlos“. | |
| ## Ausgerechnet in Sachsen keine Flügel-Beobachtung? | |
| Christian soll dagegen reine Meinungsäußerungen nicht als Beleg für | |
| verfassungsfeindliche Zielsetzungen bezeichnet haben. Auch wenn sich diese | |
| gegen Migranten, den Islam oder die Demokratie richteten, falle dies nur | |
| ins Gewicht, wenn es um eine Ablösung der Gesellschaftsordnung gehe, | |
| zitiert die Zeitung aus einem seiner Schreiben. | |
| Meyer-Plath soll es dagegen „mehr als erklärungsbedürftig“ genannt haben, | |
| wenn einzig Sachsen, die Arbeit zum bundesweit eingestuften Flügel und der | |
| AfD-Parteijugend einstellen müsse. | |
| Der sächsische Verfassungsschutz wollte sich am Mittwoch nicht zu dem | |
| Vorgang äußern, ebenso wenig das Innenministerium. Dort verwies man nur auf | |
| einen Pressetermin von Wöller mit dem neuen Geheimdienstleiter Christian am | |
| Donnerstagnachmittag in Dresden. | |
| In anderen Verfassungsschutzämtern blickt man nach taz-Informationen aber | |
| derzeit sehr genau nach Sachsen. Es wäre folgenreich, sollte sich das | |
| dortige Innenministerium durchsetzen. Denn die sächsische AfD gilt als | |
| dominiert von Akteuren des vom Verfassungsschutz als klar rechtsextrem | |
| eingestuften Flügels, der sich inzwischen offiziell aufgelöst hat. So | |
| gehört der Dresdner Jens Maier dort zu den Wortführern, auch Bundeschef | |
| Tino Chrupalla aus Görlitz stellte sich in der Vergangenheit an die Seite | |
| des Flügels. Ebenso taucht AfD-Landeschef Jörg Urban in | |
| Verfassungsschutzgutachten auf. | |
| Würde der sächsische Verfassungsschutz diese Akteure aus dem Blick nehmen, | |
| wäre das eine Abkehr vom Vorgehen der anderen Landesämter und des | |
| Bundesamtes – welche momentan die AfD und neurechte Szene genauer ins | |
| Visier nehmen. [2][Erst kürzlich stufte der Brandenburger Verfassungsschutz | |
| den AfD-Landesverband als Verdachtsfall ein], gleiches tat zuvor schon das | |
| Pendant aus Thüringen – was, in Grenzen, auch eine Beobachtung von | |
| Abgeordneten ermöglicht. Bundesamtschef Thomas Haldenwang erklärte zudem | |
| neben dem Flügel eine Reihe [3][neurechter Vereine zum Beobachtungsobjekt, | |
| zuletzt das Netzwerk Ein Prozent], mit Sitz in Sachsen. Auch den | |
| sächsischen Pegida-Anführer Lutz Bachmann nennt Haldenwang offen einen | |
| Rechtsextremisten. | |
| ## Sachsen bremst Beobachtung aus | |
| Sachsen aber gibt sich hier seit Jahren deutlich defensiver. Dies liegt zum | |
| einen an der Rechtslage, wonach im Freistaat erst über volle | |
| Beobachtungsfälle öffentlich berichtet werden darf, nicht über Prüf- oder | |
| Verdachtsfälle. Andererseits schlug nach taz-Informationen der | |
| Verfassungsschutz unter Meyer-Plath schon vor einiger Zeit vor, [4][Pegida | |
| zum Beobachtungsobjekt zu machen – scheiterte aber am Innenministerium]. | |
| Die Berichterstattung über den Streit zwischen Meyer-Plath und Christian | |
| löste in der sächsischen Politik breite Unruhe aus. Bereits am Donnerstag | |
| soll sich der Innenausschuss damit beschäftigen. „Die im Raum stehenden | |
| Vorwürfe müssen dringend aufgeklärt werden“, erklärte Valentin Lippmann, | |
| Innenexperte der mitregierenden Grünen. Zu klären sei, ob die sensiblen | |
| Daten zu den AfD-Abgeordneten rechtmäßig erhoben wurden und warum konkret | |
| sie gelöscht werden sollten. | |
| Auch die Linken-Politikerin Kerstin Köditz fordert Aufklärung. „Wenn es | |
| Anweisungen aus dem Innenministerium gab, verfassungsfeindliche | |
| Bestrebungen in der AfD nicht zu beobachten, haben wir einen | |
| Regierungsskandal“, sagte sie der taz. „Das wäre ungeheuerlich.“ Auf der | |
| anderen Seite sei ihr Meyer-Plath „bisher nicht als Speerspitze im Kampf | |
| gegen die Neue Rechte aufgefallen.“ | |
| ## Schon länger Kritik an Meyer-Plath | |
| Tatsächlich stand auch Meyer-Plath schon länger in der Kritik. 2012 war er | |
| zum sächsischen Verfassungsschutzchef ernannt worden. Der | |
| Geisteswissenschaftler und Burschenschaftler kam von der Partnerbehörde aus | |
| Brandenburg, wo er in den Neunziger Jahren unter anderem V-Mann-Führer von | |
| Carsten „Piatto“ Szczepanski war – ein gewalttätiger Neonazi mit Kontakt… | |
| bis ins NSU-Umfeld. [5][Schon diese Rolle brachte Meyer-Plath ins | |
| Zwielicht]. | |
| Auch später wurde seinem sächsischen Verfassungsschutz vorgeworfen, rechte | |
| Strukturen nicht oder zu spät zu erkennen sowie Geflüchtetengegner wie | |
| Pegida nicht richtig zu beobachten. Auf der anderen Seite handelte sich das | |
| Amt Kritik ein, weil es linke Bands einstufte, die später erfolgreich gegen | |
| ihre Einstufungen klagten. | |
| Der SPD-Innenexperte Albrecht Pallas spricht von einem „gelinde gesagt | |
| unglücklichen Agieren“ des Verfassungsschutz in den vergangenen Jahren. Es | |
| habe an Analysefähigkeit, richtiger Prioritätensetzung und proaktiver | |
| Zusammenarbeit mit Kommunen und Zivilgesellschaft gefehlt. Auch der Grüne | |
| Lippmann attestiert dem Verfassungsschutz zuletzt eine „unrühmliche Rolle“. | |
| Der neue Amtschef müsse das Amt kommunikativ neuaufstellen und | |
| rechtsextreme Netzwerke „rückhaltlos aufklären und zerschlagen“. | |
| Die Äußerungen von Neuchef Dirk-Martin Christian im Schriftwechsel mit | |
| Meyer-Plath lassen – wenn sie denn so zutreffend sind – daran allerdings | |
| Zweifel aufkommen. Der 58-Jährige ist öffentlich weitgehend unbekannt. | |
| Wöller preist den gebürtigen Bonner, der lange Jahre im Regierungspräsidium | |
| Dresden arbeitete, als erfahrenen Juristen, der „auf seine neue Aufgabe gut | |
| vorbereitet ist“. | |
| Der Versetzte Gordian Meyer-Plath wird sich laut neuem Arbeitgeber dagegen | |
| nun in der Kunstabteilung im Ministerium für Wissenschaft, Kultur und | |
| Tourismus verdingen. Um Geheimsachen geht es dort nicht mehr. Meyer-Plath | |
| wird Leiter des Referats „Strukturwandel und Industriekultur, Europa und | |
| Internationales“.“ | |
| Aktualisiert am 02.07.2020 um 8:45 Uhr. Es wurden weitere Details zu | |
| Dirk-Martin Christian und Gordian Meyer-Plath ergänzt. | |
| 1 Jul 2020 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.saechsische.de/plus/das-grosse-loeschen-sachsen-verfassungsschu… | |
| [2] /Verfassungsschutz-zur-AfD-Brandenburg/!5692601 | |
| [3] /Verfassungsschutz-beobachtet-Ein-Prozent/!5697477 | |
| [4] /Verfassungsschutz-vs-AfD/!5672100 | |
| [5] /Die-NSU-Serie-Teil-2/!5350062 | |
| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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