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# taz.de -- Indigene Frauen im Kultur-Business: Mit der Mode sichtbar werden
> Yalitza Aparacio im Film, Karen Espinosa Vega auf dem neuen Titel der
> „Vogue“. Die öffentliche Präsenz von indigenen Frauen in Mexiko steigt.
Bild: Yalitza Aparaci, UNO-Sonderbotschafterin, bei der Premiere von „Roma“…
Mexikos derzeitiger Stern am Modehimmel heißt Karen Espinosa Vega.
Jedenfalls berichtet jetzt jede Zeitung und jedes bedeutsame Onlineportal
darüber, dass die 18-Jährige das neueste Cover der lateinamerikanischen
Ausgabe der [1][Zeitschrift Vogue ] ziert.
Die „Modebibel“, wie sich das Lifestyle-Magazin selbst lobt, zeigt eine
Fotostrecke mit der jungen Frau: Mal posiert sie in eng anliegendem Shirt
oder violetten Leggins und rosafarbenem Umhang, mal lässt sie sich mit
blauen Samthandschuhen oder einem Sombrero in einer einsamen
Berglandschaft ablichten. Meist ist ihr Blick intensiv, ansprechend,
manchmal erotisch. Kritikerinnen würden sagen: sexy sells.
Das allein wäre freilich keine Meldung wert. Modebusiness as usual. Aber
Karen Vega kommt aus Oaxaca, und man sieht ihr ihre Herkunft aus dem
indigen geprägten südlichen Bundesstaat deutlich an: tiefschwarze Haare,
braune Haut, dunkle Augen. Sie ist die erste Frau aus der verarmten Region,
die als Model in der Vogue erscheint – einer Zeitung, die in erster Linie
von der reichen Mittelschicht gelesen wird. Nur deshalb berichtet nun alle
Welt über die Südmexikanerin.
Das allein spricht Bände, ist aber wenig verwunderlich. Noch immer sind
Kultur, Mode und Lifestyle in Mexiko im Wesentlichen weiß geprägt. In den
Telenovelas, die in den abgelegenen Dörfern der Sierra Sur genauso beliebt
sind wie in den armen Barrios von Mexiko-Stadt, sind die Protagonistinnen
und Protagonisten meist hellhäutig, nicht selten blond und auf jeden Fall
ziemlich wohlhabend. Ein indigenes Model erscheint in dieser Welt noch
immer wie eine Außerirdische und läuft Gefahr, den sexistisch und
rassistisch geprägten Voyeurismus der Leser zu befriedigen.
## Das dominierende Schönheitsideal in Frage stellen
Doch darüber macht sich Karen Vega keine Sorgen. Im Gegenteil: Sie will die
Modebranche mit ihrer dunklen Haut und ihren indigenen Zügen erobern und
damit dazu beitragen, das dominierende Schönheitsideal in Frage zu stellen:
„Mein Sandkörnchen soll es sein, den Blick auf die Frau des Südens, auf
unsere Geschichte zu richten.“
Vor ihrem Auftritt in der Vogue war sie in ein Projekt namens „magischer
Realismus“ eingebunden, traditionell eine Art Verschmelzung von Realem und
Surrealem. Fotokünstler aus ihrer Heimat wollten explizit mit Einheimischen
wie ihr arbeiten.
Dass sich die 18-Jährige nun auf den Laufstegen der Mode-Industrie für mehr
Gleichberechtigung einsetzen will, mag jene verstören, die Indigene lieber
als traditionsbewusste Kämpferinnen denn als Sternchen einer
Macho-Glamourwelt sehen wollen.
Doch Vega hat ein erfolgreiches Vorbild. Vergangenes Jahr machte die
Indigene [2][Yalitza Aparacio] aus derselben Region als Darstellerin einer
indigenen Haushälterin in dem für den Oscar nominierten Film „Roma“
Karriere. Dafür erntete sie einen gewaltigen rassistischen Shitstorm. Nicht
wenige monierten auch, dass sie tat, was alle erfolgreiche
Schauspielerinnen tun: mit anderen Stars im Scheinwerferlicht feiern, in
Venedig Preise entgegennehmen oder in New York flanieren. Und dass auch sie
auf dem Titel der Vogue posierte.
Keine Frage: Das Geschäft mit dem scheinbar Exotischen rechnet sich für die
Zeitung. Jüngst zeigte die selbsternannte „Modebibel“ die Transgender
Estrella Vazquez, eine „Muxe“, also eine Frau aus der indigenen
Zapotekenregion, die körperlich als Mann geboren wurde. Auch diese
Darstellung dürfte der Zeitung gute Verkaufszahlen gebracht haben. Der
Titel mit Yalitza Aparicio bescherte Vogue ihre bis dato die größte
Verbreitung.
Weißer Voyeurismus? Aparacio hat sich von solchen Einwänden nicht abhalten
lassen. Heute ist sie Unesco-Sonderbotschafterin für indigene Völker und
schreibt in der New York Times über Rassismus und schlechte
Arbeitsbedingungen von Haushälterinnen in Mexiko.
22 Jul 2020
## LINKS
[1] /40-Jahre-deutsche-Vogue/!5638778
[2] /Roma-Darstellerin-Aparicio/!5568603
## AUTOREN
Wolf-Dieter Vogel
## TAGS
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Mexiko
Mode
Film
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Schwerpunkt Rassismus
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