| # taz.de -- Plagiate im Modegeschäft: Diebstahl ist keine Hommage | |
| > Modedesigner vergreifen sich an kulturellem Eigentum indigener Menschen, | |
| > statt mit ihnen zusammenzuarbeiten. Das Plagiieren soll nun beendet | |
| > werden. | |
| Bild: Kein Diebstahl: die Designerin Marta Arrendondo gehört zu den Menschen d… | |
| Wes Gordon, Kreativchef der US-Modemarke Carolina Herrera (CH), hatte sich | |
| eine ziemlich peinliche Ausrede überlegt, um den Diebstahl seiner Firma zu | |
| rechtfertigen. Die Kollektion „Resort 2020“ sei eine [1][Hommage an den | |
| kulturellen Reichtum Mexikos], reagierte der Designer, nachdem bekannt | |
| wurde, dass die Firma grafische Muster einer indigenen Gemeinde | |
| widerrechtlich in ihren Kleidern und Röcken übernommen hatte. | |
| „Ich wollte meinen tiefen Respekt gegenüber verschiedenen Techniken und | |
| traditionellen Elementen des mexikanischen Kunsthandwerks zum Ausdruck | |
| bringen“, sagte er. Die Schönheit habe ihn gefangen genommen. | |
| Gordon hätte auch sagen können: „Wenn wir die kreativen Arbeiten der | |
| Indigenen einfach kopieren, ohne diese zu informieren und einzubeziehen, | |
| fällt für uns mehr ab.“ Außerdem kann er sich so mit seiner Chefin Herrera | |
| als innovativer Modeschöpfer verkaufen, während die tatsächlichen Designer | |
| einmal mehr unsichtbar bleiben. | |
| Zu Recht spricht die mexikanische Senatorin [2][Susana Harp in dem | |
| lateinamerikanischen Magazin Gatopardo] von einer Verhöhnung der Indigenen: | |
| „Eine Hommage wäre es gewesen, in die Gemeinden zu gehen und eine | |
| Kollaboration zu vereinbaren.“ | |
| ## Das Raubkopien-Business geht weiter | |
| Die CH-Kleider mit den bunten Blumen- und Tiermustern waren vergangenes | |
| Jahr en vogue, mittlerweile sind sie wohl wieder out. Doch das | |
| Raubkopien-Business geht weiter. Im November wurde bekannt, dass die | |
| Modeschöpferin Isabel Marant für einen Überwurf in ihrer jüngsten | |
| „Étoile“-Kollektion ohne Zustimmung Textilmotive der Purépecha-Indigenen | |
| aus dem Bundesstaat Michoacán übernommen hatte. | |
| Auch hier hagelte es Kritik. Auf welcher Grundlage sie kollektives Eigentum | |
| privatisiere, wollte Mexikos Kulturministerin Alejandra Frausto Guerrero | |
| von der Französin wissen. Der mexikanische Senat fragte nach, warum Marant | |
| ihren wirtschaftlichen Gewinn nicht mit der Gemeinde teile. Die | |
| Modeschöpferin entschuldigte sich. | |
| Auch die Inhaber der australischen Marke Zimmermann, deren Plagiate letzte | |
| Woche bekannt wurden, leisteten Abbitte, nachdem das Kunsthandwerkliche | |
| Institut des Bundesstaates Oaxaca (IAO) Druck gemacht hatte. Zimmermann | |
| nahm die Strandkleider mit den geklauten Motiven sofort aus dem Sortiment | |
| und zog sie aus allen Läden ab. Die Firma entschuldigte sich dafür, die | |
| kulturellen Eigentümer nicht eingebunden zu haben, und will nun mit der IAO | |
| zusammenzuarbeiten. | |
| Die eifrigen „Pardóns“ dürften vor allem zum Grund haben, dass Kundinnen | |
| und Kunden von Ethno-Kleidung empfindlich sind. Im Netz hagelte es | |
| Vorwürfe. Doch de facto hat die illegale Aneignung von Kultur und geistigem | |
| Eigentum zugenommen. Die Nichtregierungsorganisation Impacto spricht von 50 | |
| Fällen in Mexiko seit 2014, zu den Dieben zählen auch Benetton, Zara, Nike | |
| und Nestlé. | |
| Senatorin Harp und Ministerin Frausto wollen deshalb mit gesetzlichen | |
| Mitteln dafür sorgen, dass es mit den unbezahlten Kopien ein Ende hat. Auch | |
| die Nationale Menschenrechtskommission setzt sich für ein „Gesetz zum | |
| Schutz des Wissens, der Kultur und der Identität der indigenen Völker und | |
| afromexikanischen Gemeinden“ ein. | |
| ## Kreative Arbeit soll bezahlt werden | |
| Den Betroffenen selbst dürfte es weniger um Identitäten als darum gehen, | |
| dass ihr kreatives Arbeiten anerkannt, sichtbar gemacht und bezahlt wird. | |
| Keiner lehne es ab, dass die Motive durch die Welt gehen, betont Harp. | |
| Viele Indigene leben vom Verkauf von Kunsthandwerk. Aber während Marant für | |
| jeden Überwurf 530 Euro und Zimmermann für jedes Strandkleid 850 Euro | |
| kassiert, müssen die Indigenen zu Preisen verkaufen, die in keinem | |
| Verhältnis zur investierten Arbeit stehen. | |
| Das hat eine weitere Sparte von Raubkopierern ins Spiel gebracht. Seit | |
| Jahren verkaufen indigene Frauen an Touristen „traditionelle“ Schals, | |
| Mützen oder Decken, die längst nicht mehr in den Gemeinden produziert | |
| werden. Wer sie herstellt, macht häufig schamlos das Etikett klar: „Made in | |
| China“. | |
| 20 Jan 2021 | |
| ## LINKS | |
| [1] /Indigene-Frauen-im-Kultur-Business/!5695772 | |
| [2] https://gatopardo.com/noticias-actuales/carolina-herrera-plagio-diseno-indi… | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf-Dieter Vogel | |
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