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# taz.de -- Plagiat eines Fachhochschul-Dozenten: Wenn Polizeibeamte stehlen
> In Schleswig-Holstein hat ein Fachhochschul-Dozent der Polizei plagiiert.
> Das Innenministerium hat die Untersuchungen an sich gezogen – und mauert.
Bild: In Filmen wird ein falsches Bild von Polizeiarbeit vermittelt, hier beim …
Bremen taz | Oliver Hintz, Dozent der Fachhochschule Altenholz in der
Polizeiausbildung, früher bei der Kripo in Lübeck, ist beim Diebstahl
erwischt worden – ausgerechnet einer, der junge angehende PolizistInnen im
Fach Ethik unterrichtet. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der
Mann Bonbons geklaut hätte. Aber der Dozent der Fachhochschule hat sich am
[1][geistigen Eigentum] einer Studentin vergriffen und ihre Hausarbeit, die
sie im Studium geschrieben hatten, unter seinem Namen veröffentlicht. Für
die Polizei schien das ein minderschwerer Fall zu sein.
Die betroffene Studentin hatte, als sie ihre Hausarbeit in der
Gewerkschaftszeitschrift Die Kriminalpolizei entdeckte, ihren Dozenten
Hintz angerufen. Doch der habe „herablassend und abfällig“ reagiert. Dann
erst schaltete sie den Leiter des Fachbereiches ein. Der lud zu einem
klärenden internen Gespräch. Die Studentin holte sich Hilfe bei der
Gewerkschaft der Polizei (GDP). Rechtsbeistand Susanne Rieckhof bereitete
eine Unterlassungserklärung vor und eine Schadensersatz-Forderung.
Aber Hintz ließ die beiden Frauen abblitzen. Das sei doch nur ein Artikel
in einer „Sub-Altherrenzeitung“, wiegelte er ab. Und er erklärte trotzig,
er sei „nicht gewillt, einen Kniefall zu machen“. Es sei „schließlich das
an anderen Hochschulen gang und gäbe, dass Dozenten die Arbeiten ihrer
Studierenden unter ihrem eigenen Namen veröffentlichen“.
Schließlich rang er sich zu einer Entschuldigung durch und spendete die 170
Euro Honorar, die er erhalten hatte, an das Kinderhospiz Löwenherz.
Konsequenzen seitens der Fachhochschule gab es nicht. Das war vergangenen
September.
Hintz steht weiterhin im Dozentenverzeichnis der Fachhochschule, zuständig
für Ethik und Kriminalistik. Nicht einmal eine Information der studierenden
Polizeibeamten über ihr Urheberrecht aus aktuellem Anlass gab es.
## Andere Fachzeitschrift, noch ein Aufsatz
Der Fall wäre erledigt gewesen, hätte nicht die GDP-Juristin die Sache mit
Zitaten aus dem Hintz-Gespräch im März ebenfalls in der
[2][Kriminalpolizei] öffentlich gemacht. Der für die Zeitschrift
verantwortliche Polizeidirektor a. D. Hartmut Brenneisen kündigte an, dass
die Zeitschrift „angemessene Maßnahmen“ getroffen habe. „Ein Verhalten
dieser Art ist nicht hinnehmbar“, teilte er mit. Welche Maßnahmen er sich
vorstellt, will er nicht sagen.
Was weder die GdP-Juristin noch Brenneinsen ahnten: Hintz hatte Anfang des
Jahres wieder einen Aufsatz produziert und bei einer anderen
Fachzeitschrift, nämlich der [3][Kriminalistik], eingereicht. Offenbar ein
wenig verunsichert durch den Plagiatsskandal aus dem Jahr 2020 hatte er nun
hinter seinen Autorennamen ein Sternchen setzen lassen. Das Sternchen führt
in den Fußnoten zu der Feststellung: „Dieser Beitrag wäre ohne die
Datenerhebungen und Grundlagenforschung von KKA Tobias Evers nicht
zustande gekommen.“
KKA – Kriminalkommissar-Anwärter ist der Titel der Studierenden, es ging um
eine studentische Bachelorarbeit. Über diese „Fußnote“ scheint niemand
gestolpert zu sein, auch nicht der Chefredakteur der Kriminalistik.
Ein Blick in den Hintz’schen Fachaufsatz zeigt dabei, dass da keine
„Datenerhebung“ verarbeitet wurde und auch keine „Grundlagenforschung“.…
dem Aufsatz des Dozenten wird die zugrunde liegende Arbeit seines Studenten
an keiner Stelle wörtlich zitiert.
Der Studierende Evers hatte 2019 eine Bachelorarbeit unter dem Titel „Der
Tatort als Psychogramm des Täters“ bei seinem Prüfer Hintz abgegeben.
Dieser fügte in seinem Kriminalistik-Aufsatz aus dem Februar 2021 bloß der
Überschrift ein Fragezeichen hinzu: „Der Tatort als Psychogramm des
Täters?“
Der Text in der Kriminalistik referiert Ausbildungsliteratur über die
Grundlagen der Tatortarbeit, etwa ein „Handbuch der
Kriminalistik-Kriminaltaktik für Praxis und Ausbildung“. Das polizeiliche
Allgemeinwissen wird in dem Aufsatz mit dem Gestus von besonderen
Erkenntnissen wiedergeben. Da erfährt man zum Beispiel: „Menschen werden
mit nur stark begrenztem Verhaltensrepertoire geboren. Im Vergleich von
Säugling und Erwachsenen wird schnell deutlich, dass der Mensch innerhalb
seiner Lebensspanne einem erheblichen Lernprozess unterliegt. Diesen
Lernprozess bezeichnet man auch als Sozialisation.“
Das wenig überraschende Fazit der fleißigen Arbeit: „Die Tathergangsanalyse
ist kein Allheilmittel“, in Filmen werde ein falsches Bild vom genialen
Profiler am Tatort gezeichnet. Es ist kaum vorstellbar, dass es sich bei
dem Text um die Arbeit eines Dozenten handelt, zu der ein Studierender in
seiner Bachelor-Arbeit zugearbeitet hat. Das spräche zumindest gegen die
Qualifikation des hauptamtlichen Dozenten.
Die Bachelorarbeit in der Bibliothek der Fachhochschule wurde nach der
Anfrage der taz gesperrt: „VS/Nur für den Dienstgebrauch“. Begründung des
Landespolizeiamtes Schleswig-Holstein: Es gehe um „bedeutsame Schutzgüter
der öffentlichen Sicherheit“. Da in dem Fachaufsatz des Dozenten keinerlei
Hinweis auf brisantes Polizeiwissen aus der Bachelor-Arbeit enthalten ist,
stellt sich die Frage, ob hier eher die öffentliche Thematisierung eines
Plagiatsfalles zum „bedeutsamen Schutzgut“ der Polizei erklärt wird.
Von der taz auf diesen möglichen zweiten Fall hingewiesen, ließ der
Innenminister von Schleswig-Holstein am 23. März mitteilen, der zweite
Aufsatz sei „bisher nicht Gegenstand der Überprüfung des möglichen
Urheberrechtsverstoßes gewesen“. Aber immerhin gibt es inzwischen eine
„Prüfung“, die eine „dienstrechtliche Würdigung“ einschließe.
Hintz selbst wollte sich gegenüber der Presse nicht auf Nachfragen
einlassen, er legt am Telefon sofort auf. Im Gespräch mit der GdP-Juristin
hatte er immerhin einen Hinweis auf sein Motiv gegeben: Er arbeitet an der
Fernuniversität Hagen an seiner Doktorarbeit und will sich mit
Publikationen für eine Stelle empfehlen – ihm sei es, so zitiert die
GdP-Juristin ihn wörtlich, „wichtig, raus aus der Polizei zu kommen“.
Offenbar hat die oberste Polizeibehörde des Innenministeriums die Sache an
sich gezogen – von Seiten der Fachhochschule gibt es keinen Kommentar.
Sowohl deren Präsident, Jens Kowalski, als auch der Leiter der Abteilung
Polizei, Michael Kock, verweisen Nachfragen an das Innenministerium.
9 Apr 2021
## LINKS
[1] /Plagiat/!t5007970
[2] https://www.kriminalpolizei.de/startseite.html
[3] https://www.kriminalistik.de/
## AUTOREN
Klaus Wolschner
## TAGS
Plagiatsaffäre
Plagiat
Gewerkschaft der Polizei GdP
Polizei
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Doktortitel
Franziska Giffey
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