| # taz.de -- Hessischer Polizeiskandal: Brecht die Schweigemauer! | |
| > Prominente Frauen werden bedroht – mit Daten, die offenbar von | |
| > Polizeicomputern abgerufen wurden. Ein ungeheuerlicher Vorgang. | |
| Bild: Wer hat die Daten abgerufen? Ein Polizist in Griesheim, Hessen, vor seine… | |
| Ein ungezügelter Hass spricht aus den Mails, die die Frauen lesen mussten. | |
| Stumpfe sexistische Beschimpfungen, Drohungen, man werde sie oder die | |
| namentlich genannte Tochter „schlachten“, erklärte „Todesurteile“. Um … | |
| [1][Ernst der Drohungen] zu unterstreichen, wird die Wohnadresse genannt. | |
| Solche Botschaften erhielten die Linke-Politikerinnen Janine Wissler, | |
| Martina Renner, Anne Helm, die Anwältin Seda Başay-Yıldız und [2][die | |
| Kabarettistin Idil Baydar] zuletzt, in ihren privaten Mails oder auf ihre | |
| Handys, unterzeichnet mit „NSU 2.0“. | |
| Schon das ist widerlich genug. Aber es kommt ein ungeheuerlicher Verdacht | |
| hinzu: Haben Polizisten etwas mit den Hassbotschaften zu tun? Denn, so | |
| wurde dieser Tage öffentlich, zumindest zu Başay-Yıldız, Wissler und Baydar | |
| wurden vor den Drohschreiben ihre Privatdaten an Polizeicomputern in Hessen | |
| abgefragt, offenbar ohne dienstlichen Bezug. Es ist ein Verdacht, der | |
| schwerwiegender nicht sein kann. Das schafft einen Vertrauensverlust, der | |
| weit über die Betroffenen hinausgeht. Da hilft auch der [3][Rücktritt des | |
| hessischen Landespolizeipräsidenten Udo Münch] nicht weiter. | |
| Inzwischen schließt selbst der hessische CDU-Innenminister Peter Beuth | |
| nicht mehr aus, dass es ein rechtsextremes Netzwerk in der Landespolizei | |
| gibt. Umso erstaunlicher, wie ruhig es bleibt. Wie das Problem als rein | |
| hessisches behandelt wird. | |
| Dabei steht der Verdacht im Fall von [4][Seda Başay-Yıldız] bereits seit | |
| August 2018 im Raum. Wer ihre Daten in einem Polizeirevier in Frankfurt am | |
| Main abfragte, ist bis heute nicht geklärt. Auch weil die infrage kommenden | |
| Beamten dazu eisern schweigen. Aufgespürt wurden dafür rechtsextreme | |
| Chatgruppen Dutzender Polizisten. Im Fall von Wissler und Baydar sind | |
| dagegen zwei Beamte bekannt, unter deren Log-ins die Daten abgefragt | |
| wurden. Sie selbst wollen die Abfragen dennoch nicht getätigt haben. Die | |
| Ermittler führen sie nur als Zeugen, von Durchsuchungen ihrer privaten | |
| Datenträger ist nichts bekannt. | |
| ## Was kommt von Seehofer? | |
| Das ist zu wenig. So können Ermittlungen bei diesen Vorwürfen nicht geführt | |
| werden. Und tatsächlich fühlt der oder die Täter sich davon nicht im | |
| mindesten abgeschreckt – sie legen vielmehr immer weiter nach, erst dieser | |
| Tage wieder. Die Ermittlungen gehören damit längst auf eine andere Ebene. | |
| Warum schaltet sich Bundesinnenminister Seehofer nicht ein? Warum übernimmt | |
| nicht die Bundesanwaltschaft? Klar ist: Die Ermittlungen sollten nicht mehr | |
| von den überforderten – oder nicht weiter gewillten? – hessischen | |
| PolizistInnen, sondern von außerhalb angeführt werden. | |
| Auch weil das Problem eben kein rein hessisches ist. Auch in Berlin wurde | |
| kürzlich bekannt, dass ein Beamter Polizeidaten an eine Neuköllner | |
| AfD-Chatgruppe weitergab, zu der auch ein Verdächtiger einer rechtsextremen | |
| Anschlagsserie im Bezirk gehörte. Oder 2017 schon verschickte ein Berliner | |
| Polizist Drohschreiben an mehrere Linke mit ihren Fotos und Adressen. | |
| In Mecklenburg-Vorpommern wiederum soll ein Beamter persönliche Daten von | |
| Bürgern in eine rechte Facebook-Gruppe eingestellt haben. In dem Bundesland | |
| legte auch die unter Rechtsterrorverdacht stehende [5][Preppertruppe | |
| „Nordkreuz“] Feindeslisten an, bis hin zum Wohnungsgrundriss eines | |
| Betroffenen. Anführer der Gruppe war: ein Polizist. Dieser Datenmissbrauch | |
| der Polizisten ist indes nicht nur Imageschädigung – er ist ein Vergehen, | |
| das schwerste Gewalttaten gegen die Betroffenen nach sich ziehen kann. | |
| All dies zeigt, dass es längst ein bundesweites Vorgehen braucht. Und zwar | |
| so, dass es von den Beamten tatsächlich als Stoppsignal verstanden wird. | |
| Aber auch jeder Polizist und jede Polizistin selbst sollte sich fragen, was | |
| da in den eigenen Reihen los ist – und was er oder sie dagegen tun kann. Es | |
| ist nicht zu viel verlangt, von ihnen das Benennen von KollegInnen | |
| einzufordern, die mit Rechtsextremen paktieren oder selber welche sind. Die | |
| Mauer des Schweigens im Apparat muss gebrochen werden. Jetzt! | |
| 18 Jul 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Konrad Litschko | |
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