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# taz.de -- Idil Baydars Möllner Rede: Rede trotz Drohungen
> Die Komikerin Idil Baydar, bekannt als Jilet Ayse, hat Angst, Wut – und
> Kraft. Damit will sie des Heldenmuts der Überlebenden von Mölln gedenken.
Bild: Derb-poetisch: Jilet Ayse, eine der Kunstfiguren von Idil Baydar
Am 23. November 1992 ermordeten Neonazis drei Menschen durch einen
Brandanschlag auf das Haus der Familie Arslan in Mölln. 27 Jahre später
erhält die Comedian Idil Baydar folgende SMS-Nachricht: „Wenn du am
17.11.2019 die Möllner Rede im Exil hältst, knalle ich dich ab.“
Unterzeichnet ist die Nachricht mit „SS Obersturmbannführer“.
Es sei bereits die achte Morddrohung in diesem Jahr gewesen, sagt Baydar,
die sich nicht davon abbringen ließ, [1][ihre Rede zu halten]. Allerdings
unter Polizeischutz. „Ich habe Angst, ich habe Wut, aber am allermeisten
habe ich Kraft“, sagte sie.
Und dass sie nicht der „feigen Morde“ von Mölln gedenke, sondern des
Heldentums von Bahide Arslan, die ihren Enkel in nasse Tücher gewickelt und
vor dem Feuer gerettet hatte.
Die Möllner Rede wird jährlich vom Freundeskreis und den
Familienangehörigen der Opfer des rassistischen Mordanschlags organisiert.
Weil die Stadt Mölln die Angehörigen nicht mehr in die Planung einbezogen,
Angehörige nicht mehr eingeladen hatte, organisieren diese seit 2013 die
„Möllner Rede im Exil“, an anderen Orten. In diesem Jahr war es Frankfurt.
## Scharf wie eine Rasierklinge
Idil Baydar wurde mit ihrer Figur „Jilet Ayse“ bekannt. Sie ist eine junge
Göre mit Goldklunker und Trainingsanzug, türkisch-deutscher Geschichte und
derb-poetischem Zungenschlag. Daneben hat Baydar aber auch die Figur „Gerda
Grischke“ erfunden, eine etwas ältere Göre mit Dauerwelle und
Kittelschürze, deutsch-deutscher Geschichte und derb-poetischem
Zungenschlag.
Baydars Bühnenshows heißen zum Beispiel „Deutschland, wir müssen reden“ …
in der Regel geht es um Rassismus in den diversen Milieus dieser Republik.
[2][In einem Interview mit der taz 2015] erzählte Baydar, dass sie ihre
Jilet-Figur eigentlich „Massaker-Fatma“ nennen wollte. Aber ihre Mutter
hatte einen besseren Einfall: Jilet Ayse, weil die Zunge ihrer Tochter so
scharf wie eine Rasierklinge sei.
„Einige empfinden Jilet als Angriff. Oder sie sagen: ‚Die sind doch so, die
Ausländer, was is’n jetzt daran lustig?‘“, erzählte Baydar weiter.
„Überhaupt scheinen die Deutschen es witziger zu finden, wenn ich Türken
niedermache, als wenn ich mich über Deutsche lustig mache.“ Dabei sei Jilet
Ayse eine durch und durch deutsche Figur. In der Türkei würde es einen
solchen Charakter gar nicht geben.
## Antirassistin und Comedian
Baydar wuchs in Celle auf, ging dort auf eine Waldorfschule und zog im
Alter von 15 Jahren mit ihrer Mutter nach Berlin. Seitdem engagiert sie
sich in zahlreichen Initiativen gegen Rassismus, für Meinungsfreiheit und
Demokratie. Neben ihren Bühnenprogrammen mischt sie mittlerweile auch die
ein oder andere Talkshow auf und macht mit dem Comedian Ingmar Stadelmann
den Podcast „IIS“.
Trotz der Morddrohungen, die sie auch nach dem rechtsextremen Attentat in
Neuseeland bekam, hat Baydar ihr aktuelles Tourprogramm „Ghettolektuell“
nicht unterbrochen. Am 22. 11. ist sie noch mal in Saarbrücken und am 29.
11. in Osnabrück zu sehen.
18 Nov 2019
## LINKS
[1] https://gazete.taz.de/article/?article=!5642548
[2] /Comedian-Idil-Baydar-ueber-Deutschland/!5018297
## AUTOREN
Doris Akrap
## TAGS
Comedian
Mölln
Antirassismus
Idil Baydar
Rechte Gewalt
Rechtsextremismus
Schwerpunkt Rassismus
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Schwerpunkt Nationalsozialismus
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