Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Daten-Missbrauch in Hamburg: Wo die Corona-Daten landen
> Eigentlich sollten Gaststätten die Daten ihrer Gäste sammeln um
> Infektionsketten aufzuspüren. Aber die Listen locken Unbefugte und die
> Polizei an.
Bild: Abgehakt: Jeder Kontakt wird registriert
Hamburg taz | Es muss eine tumultartige Szene gewesen sein, die sich gegen
20 Uhr vor dem Restaurant „Loving Hut“ in der Markusstraße in der Hamburger
Neustadt abspielte. Ein Mann bedrohte angeblich Passanten und Gäste mit
einem Teppichmesser, mehrere Streifenwagen fuhren daraufhin zu dem
asiatischen Restaurant. Der Verdächtige wurde dank der Hilfe von Zeugen
eine Viertelstunde später im Planten un Blomen festgenommen, wo er weitere
Menschen bedrohte, und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Verletzt wurde
niemand.
Was diesen Vorfall so besonders macht, ist die Art, wie die Polizei im
Nachgang mögliche Zeugen ermittelte. Da nicht klar war, welche Gäste vom
„Loving Hut“ als Augenzeugen infrage kamen, nutzte die Polizei die
[1][Corona-Kontaktliste], die im Restaurant auslag und kontaktierte im
Auftrag der Staatsanwaltschaft die dort aufgeführten Personen.
Als „gesunder Menschenverstand“ bezeichnet die Hamburger Polizei das
Vorgehen, schließlich sei sie verpflichtet, Straftaten zu verfolgen und
dafür Zeugen zu suchen. Auch die Staatsanwaltschaft sah es als „zwingend
notwendig“ an, die Liste zu verwenden, um den Vorfall vom 26. Juni
aufzuklären. Als rechtliche Grundlage dient die Strafprozessordnung, laut
der die Polizei solche Informationen bei Unternehmen erfragen darf.
Ganz so unbedenklich, wie die Strafverfolgungsbehörden diese
Ermittlungstaktik darstellen, ist sie aber nicht. Die Behörde um den
Beauftragten für [2][Datenschutz] und Informationsfreiheit bezweifelt zwar
nicht die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Verwendung der Coronaliste,
warnt jedoch vor Normalität: „Dort, wo Daten zulässigerweise erhoben
werden, ergeben sich immer wieder weitergehende Begehrlichkeiten.“
Die Erhebung von Kundendaten sollte sich daher immer am Grundsatz der
Erforderlichkeit messen und es sei fraglich, ob es wirklich postalische
Adresse, Mailadresse und Telefonnummer benötigt, um eine
Corona-Infektionskette zu überprüfen. „Ferner muss klar sein, dass die
erhobenen Daten tatsächlich auch zum Zweck der Verfolgung von
Infektionsketten benötigt werden.“
Offen ausliegende Listen stellen ein Risiko für die Gäste dar, die sich mit
ihren richtigen Daten eintragen. Die Hamburger Datenschützer überprüften
stichprobenartig 97 Restaurants, zwei Bäckereien und einen Friseursalon in
mehreren Stadtteilen und stellten fest, dass ein Drittel der überprüften
Läden offene Listen benutzen, die nicht datenschutzkonform waren. In Altona
und Ottensen waren es sogar 43 Prozent.
Der Behörde liegt zudem ein Fall vor, bei dem eine Kundin nach einem
Restaurantbesuch über ihre angegebene Telefonnummer ungefragt zu privaten
Zwecken kontaktiert wurde. Im Einzelfall können die Datenschützer wenig
dagegen tun.
„Die Erfahrung unserer Prüfung hat gezeigt, dass oft schon ein Hinweis des
Gastes auf die datenschutzrechtlichen Defizite ausreicht, um bei
Gaststättenbetreibern vor Ort eine Änderung der Praxis herbeizuführen“,
kommentiert Johannes Caspar, der Beauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit in Hamburg, das Ergebnis der Stichprobe. Die Behörde
sei nicht ausgelegt für eine flächendeckende Überprüfung.
In Hamburg scheint der Datenschutz also in der Hand der Bürgerinnen und
Bürger zu liegen. Sollte das zum Anlass genommen werden, sich aus
Selbstschutz nicht mit korrekten Angaben in die Kontaktlisten einzutragen,
gefährdet das die Bemühungen aller Hamburger, das Coronavirus einzudämmen.
6 Jul 2020
## LINKS
[1] /-Corona-News-am-Dienstag-/!5690217
[2] /Die-deutsche-Corona-App/!5689412
## AUTOREN
Philipp Steffens
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
Datenschutz
Datenspeicherung
Grundrechte
Gaststätten
Fremd und befremdlich
Schwerpunkt Meta
Hamburgische Bürgerschaft
Jugendgewalt
Lesestück Recherche und Reportage
## ARTIKEL ZUM THEMA
Zugriff der Polizei auf Besucherdaten: Kein Freund und Helfer
Ich hinterlasse meine Daten in Restaurants, weil ich ein sozialer Mensch
sein will. Wenn die Polizei das ausnutzt, untergräbt sie meinen guten
Willen.
Rechte von Internet-Nutzer:innen in der EU: Entscheidung über Datenweitergabe
Der Europäische Gerichtshof entscheidet am Donnerstag, wann Daten von
EU-Nutzer:innen exportiert werden dürfen. Die wichtigsten Fragen und
Antworten.
„Corona-Party“ des Hamburger Innensenators: Neue Spielregel für Grote
Nach einem taz-Hinweis zum Stehempfang von Andy Grote ergänzt die
Senatskanzlei ihre Corona-Handreichung. Linke und CDU fordern seinen
Rücktritt.
Randalierende Jugendliche in Stuttgart: Politisches Motiv fehlt
Viele Clubs sind wegen Corona noch geschlossen. Das könnte ein Katalysator
für die Gewalt am Wochenende in Stuttgart gewesen sein.
Corona und die Gastronomie: Das erste Mahl
Es darf wieder auswärts gegessen werden. Das wird auch allerhöchste Zeit,
sagen die Wirtsleute Cornelia und Martin Rubin im oberbayerischen Hundham.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.