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# taz.de -- Wohnungsunternehmen in Berlin: Gegen Corona und Mietendeckel
> Wegen des Mietendeckels und der Pandemie stocken die Investitionen,
> stellt der Verband Berlin Brandenburger Wohnungsunternehmen fest.
Bild: Es wird weniger gebaut als erwartet in Berlin
Wäre der Verband Berlin Brandenburgische Wohnungsunternehmen BBU eine
politische Partei, würde er eher links im Parteienspektrum stehen.
Zumindest was die mietenpolitischen Forderungen angeht. So soll die
Modernisierungsumlage von 8 auf 6 Prozent gesenkt werden und die
Kappungsgrenze der Mietpreisbremse von 10 auf 5 Prozent sinken. Auch soll
es keine Ausnahmetatbestände mehr bei der Mietpreisbremse geben. Zu guter
Letzt sollen Mieterhöhungen nur noch 10 Prozent in vier Jahren betragen
dürfen. Diese Bausteine einer „Mietrechts-Offensive“ stellte BBU-Vorstand
Maren Kern am Donnerstag auf der Jahrespressekonferenz des Verbands vor.
Doch der BBU ist keine Partei, sondern ein Interessenverband. Zu den 350
Wohnungsunternehmen, die er vertritt, gehören nicht nur die sechs
landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften und die meisten Genossenschaften,
sondern auch die Deutsche Wohnen, mit 110.000 Wohnungen Berlins größer
privater Vermieter.
Und da ist die Stoßrichtung klar: Von Anfang an hat der BBU den Berliner
Mietendeckel abgelehnt. Ohne das am 30. Januar von der rot-rot-grünen
Mehrheit im Abgeordnetenhaus beschlossene Gesetz, das die Mieten auf dem
Stand von Juni 2019 einfriert und auch Mietsenkungen auf sogenannte
Obergrenzen ermöglicht, würde es wohl auch nicht die mietenpolitischen
Vorstellungen des BBU geben, die sich politisch weitgehend mit denen von
Grünen, Linken und SPD decken.
„Wir sind die Guten am Wohnungsmarkt“, bilanzierte Maren Kern selbstbewusst
das Jahr 2019. Tatsächlich tragen die Unternehmen des Verbands mit ihren
insgesamt 1,1 Millionen Mietwohnungen in Berlin, aber auch im Umland zu
einer gewissen Stabilisierung auf dem Wohnungsmarkt bei. So sind die
Nettokaltmieten 2019 auf 6,28 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Ein Jahr
zuvor betrugen sie noch 6,15 Euro. Sie liegen damit weiterhin unter dem
Berliner Mietspiegel mit einem Mittelwert von 6,72 Euro. Dem Anstieg der
Wohnkosten um 1,6 Prozent in den BBU-Unternehmen steht ein Wachstum der
Bruttoeinkommen auf 3,9 Prozent gegenüber.
Ein guter Teil dieser Stabilisierung mag daher rühren, dass kaum mehr
jemand umzieht. Die Fluktuation in den Wohnungen des BBU ist 2019 auf 5,0
im Vergleich zu 5,3 im Vorjahr gesunken. 2009 hatte sie noch 8,6 Prozent
betragen. „Das wird wegen Corona noch weiter zurückgehen“, sagte Maren Kern
voraus. Die durchschnittliche Verweildauer in den BBU-Wohnungen beträgt
zwanzig Jahre.
Wenn jemand zu den Guten gehört, muss zwangsläufig jemand „das Böse“
verkörpern. Für Maren Kern ist das der Mietendeckel. „Schwierig“ sei vor
allem die Deckelung der Modernisierungsumlage auf 1 Euro pro Quadratmeter.
„Es ist ein Widerspruch, wenn Berlin klimaneutral werden will und
gleichzeitig die Modernisierung des Wohnungsbestands behindert“, sagte die
BBU-Chefin. Insgesamt würde die energetische Sanierung des gesamten
Berliner Wohnungsbestandes 91 Milliarden Euro kosten.
Demgegenüber steht eine Delle bei den tatsächlichen Investitionen. Die sind
2019 zwar um 6 Prozent gestiegen, allerdings betrugen die Steigerungsraten
im Jahr zuvor 25,2 Prozent. „Bei Investitionen im Jahr 2020 rechne ich
sogar mit einem deutlichen Rückgang“, sagte Kern.
Grund für die Wachstumsdelle bei den Investitionen ist laut Kern aber nicht
nur der Mietendeckel, sondern auch die Coronakrise. Das ergab eine Umfrage
des BBU bei den Mitgliedsunternehmen. So gaben mehr als die Hälfte der
Befragten an, dass es infolge der Pandemie zu einer Verzögerung der
Genehmigungsverfahren durch die Bezirksämter gekommen sei.
Noch mehr Unternehmen gaben an, dass die Hygiene- und Abstandsregeln bei
Modernisierungsmaßnahmen zur „Verlängerung von Prozessen“ führten. „Es…
auch Mieter, die lassen gerade keine Handwerker ins Haus“, erklärte Kern.
Trotz Kurzarbeit und der prekären Lage vieler Soloselbstständiger ist die
Coronakrise bislang keine Wohnungskrise gewesen. So haben im April nur 0,34
Prozent der Haushalte einen Antrag auf Mietstundung gestellt. Im Juni seien
es sogar nur 0,23 Prozent gewesen. „Ich hätte die Zahlen da deutlich höher
vermutet“, räumte Kern ein.
Was die Auswirkungen des Mietendeckels betrifft, erklärte fast die Hälfte
der befragten Unternehmen, dass sie eine „deutliche Reduktion“ der
Investitionen erwarten. 7,4 Prozent meinten gar, dass es gar keine
Investitionen geben werden.
Auch beim Neubau sind die Unternehmen skeptisch. 25,5 Prozent fürchten,
dass der Mietendeckel den Neubau komplett stilllege. Allerdings sagen auch
47,1 Prozent, dass das Gesetz keine Auswirkungen auf ihre Neubautätigkeit
habe. 2019 ist die Zahl der fertiggestellten Neubauwohnungen von 16.706 auf
18.999 gestiegen. Die Genossenschaften bauten 2019 dagegen nur 489
Wohnungen. Im Jahr davor waren es noch 840.
Maren Kern verteidigte unterdes die Praxis vieler Vermieter, beim Abschluss
eines neuen Mietvertrags neben der gedeckelten Miete eine sogenannte
Schattenmiete festzuhalten, die gelten würde, falls der Mietendeckel vom
Verfassungsgericht für ungültig erklärt werden sollte. „Im Grund ist das
eher eine Transparenzmiete“, sagte sie. Als Parteivorsitzende hätte sie
sich in dieser Frage auf die Seite von CDU und FDP geschlagen.
3 Jul 2020
## AUTOREN
Uwe Rada
## TAGS
Wohnungspolitik
Katrin Lompscher
Mietendeckel
Möckernkiez
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Wohnungsbau
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Mietendeckel
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