# taz.de -- „48 Stunden Neukölln“ diesmal digital: Alles ohne anfassen | |
> Das Kunst- und Kulturfestival „48 Stunden Neukölln“ findet vom 19. bis | |
> 21. Juni mit wenigen Ausnahmen online statt. Ist das eine gute Idee? | |
Bild: Kunst aus dem letzten Jahrgang von 48 Stunden Neukölln: Bianca Kennedy, … | |
BERLIN taz | „48 Stunden Neukölln“ ist ein Festival, das weniger vom | |
Ausgestellten lebt als von dem, was das Publikum damit macht, von | |
Begegnungen, verabredeten wie ungeplanten, mit Menschen, aber auch mit | |
Räumen. Vor zwei Jahren etwa mit der alten Sparkasse an der | |
Karl-Marx-Straße. „Bank, Blank“ hieß die zentrale Ausstellung | |
passenderweise damals und war tatsächlich richtig gut. Durch ranzige Büros, | |
triste Flure, Geldautomatenschächte und Tresorräume stiefelte man vorbei an | |
Arbeiten, die sich auf die eine oder andere Art mit Wertesystemen | |
auseinandersetzten. Auch das macht nämlich Berlins „größtes freies | |
Kunstfestival“ aus: dass man zwischen ziemlich viel Kram immer auch etwas | |
Großartiges entdecken kann. | |
Im März, mitten in der Hochphase des Lockdowns, mussten die beiden | |
Festivalleiter Martin Steffens und Thorsten Schlenger entscheiden, was in | |
diesem Jahr geschehen sollte, auch unter dem Eindruck der Fördersituation. | |
[1][48 Stunden Neukölln] befindet sich aktuell im ersten Jahr einer | |
erstmaligen Förderung für vier Jahre. Sie entschieden sich gegen die | |
Absage, auch gegen ein Verschieben in den Spätsommer und für den üblichen | |
Termin mit Online-Version und kleinen analogen Beibooten – als da wären | |
Schaufensterausstellungen, Poster an Bushaltestellen und Installationen im | |
Außenraum. | |
Nun, drei Monate später, können Museen und Galerien schon seit einiger Zeit | |
unter neuen Regeln wieder besucht werden. Ab dieser Woche sind sogar | |
Open-Air-Veranstaltungen mit bis zu 500 Personen erlaubt. Eigentlich. | |
Unverantwortlich wäre es freilich dennoch gewesen, wieder die üblichen | |
48-Stunden-Neukölln-Menschenansammlungen herbeizukuratieren. Aber: Kann es | |
ohne überhaupt gehen? | |
„Wir hätten natürlich lieber analoge 48 Stunden Neukölln“, gab Schlenger | |
bei der Zoom-Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag zu. Die | |
Online-Variante sei ein „Experiment“. | |
## Charme des Improvisierten, Unperfekten | |
Das war 48 Stunden Neukölln andererseits schon immer. Das Festival lebt | |
gerade durch seinen Charme des Improvisierten, des Unperfekten. Online | |
jedoch ist es ja aber so – was nicht funktioniert, wird weggeklickt. Ob die | |
Idee Erfolg haben wird, wird also tatsächlich von der technischen Umsetzung | |
abhängen. Und der Qualität des Gezeigten natürlich. | |
Weitere Künstler*innen wurden nämlich keine eingeladen. Diejenigen, die | |
sich zu dem Zeitpunkt bereits beworben hatten, wurde gefragt, ob sie sich | |
darauf einstellen wollten – oder verzichten. Positiv sei die Online-Idee | |
von den Künstler*innen aufgenommen worden, heißt es von Seiten der | |
Veranstaltungsleitung, und dass 50 Prozent dabeigeblieben seien. | |
Letztlich sind immerhin 200 Teilprojekte zustande gekommen, die überwiegend | |
interaktiv sein sollen. „Ihre digitale Zwischennutzung“ nennt Schlenger den | |
sogenannten Live-Raum – ein digitaler Flur mit 48 Türen, hinter jeder ein | |
3-D-animiertes Projekt. Statt der Entdeckungsreise per pedes soll diese | |
dort per Klick erfolgen. Hinzu kam außerdem der #systemrelevant zum Titel | |
„BOOM“, was dann aber doch ein wenig zu trotzig und zu wenig selbstbewusst | |
klingt. | |
Vielversprechend mutet hingegen das eine oder andere aus dem Programm an, | |
zeitgemäß im besten Sinne etwa die Tanzperformance von Lisa Premke und | |
Mirjam Gurtner – übertragen aus dem Kesselhaus des KINDL – über Isolation | |
und Berührungslosigkeit. Die zentrale Ausstellung „Collapse“ wird aus dem | |
Umspannwerk in der Richardstraße gesendet, nicht nur als virtuelle Schau, | |
sondern inklusive Touren mit Kunstvermittler*innen und digitalem | |
Zusatzmaterial. | |
Einen Vorteil hat das Ganze zumindest: Dass die Wettervorhersage für das | |
kommende Wochenende tatsächlich eher bescheiden ausfällt, ist ziemlich | |
egal. | |
18 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://48-stunden-neukoelln.de/ | |
## AUTOREN | |
Beate Scheder | |
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