# taz.de -- Kunst digital: 48 Stunden Neukölln: Zu Besuch im Second Life | |
> Dieses Jahr digital: ein Gang durch Kunst bei 48 Stunden Neukölln. Unser | |
> Autor ist fasziniert, auch wenn ihm das „echte“ Flanieren fehlt. | |
Bild: Kunst digital bei 48 Stunden Neukölln nach dem Motto: Stay home, wir lie… | |
Das Coronajahr geht seine Wege. Die soziokulturellen Highlights des Jahres | |
finden im Netz statt. Das größte freie Kunstfestival „48 Stunden Neukölln�… | |
hatte sich viel Mühe gegeben. Auf der interaktiven Festivalplattform gab es | |
über 200 Kunstprojekte. Konzerte und Performances als Livestream, gefilmte | |
Ausstellungen, Atelierbesuche. 75 Werbeflächen an Bushaltestellen wurden | |
zur Galerie im Stadtraum. Das Festivalthema in diesem Jahr hieß mehrdeutig | |
„Boom“. | |
Um 19 Uhr am Freitag wurde [1][die Seite freigeschaltet]. Man stand in | |
einem hotelartigen Gang mit 48 Türen. Um nicht pedantisch alles | |
hintereinander abzuklappern, betritt man die 10. Die Ausstellung von | |
Jonathan Forrence heißt „Alone Now as in the Field“. Oktaeder hängen von | |
der Decke. In dem von Andrea Wilmsen gestalteten Raum „Fragile Reality“ | |
gibt es Fotos. Unter anderem der silhouettenhafte Schatten eines Mannes mit | |
Krücken an einer sonnenbeschienenen Wand und eine Goofy-Puppe, die | |
lebensmüde an einem Bahngleis liegt; nein – es ist ein Fensterrahmen. | |
Dann gibt es einen Sammmelausstellungsfilm von Karla Kunst. Ein ehemaliges | |
Umspannwerk, Fabriketage. Objekte und Bilder. Zum Beispiel ein „Black Drop“ | |
von Werner Koller, der auf dem Boden liegt und eventuell aus Lack besteht. | |
Eine weiße große Kugel in einer gelben Hängematte von Marta Djourina. Kunst | |
aus Speermüll. Fragile Drahtgebilde von Christian Pilz. Dazu ein Text mit | |
vielen Floskeln und kunstmäßigem Cellogespiel. „Können wir der Kunst neu | |
begegnen, auch wenn die Welt aus den Fugen ist? … Kunst reflektiert. Sie | |
bannt den Augenblick.“ Wenn man „Kunst“ durch „Virus“ ersetzen würde… | |
ein interessanterer Text dabei heraus. | |
Im echten Leben hätte man das Flanieren in der Fabrikhalle genossen und mit | |
anderen über Kunst gelästert; in Wirklichkeit redet man mit sich selbst, | |
bewegt den Cursor und landet in einer Second-Life-mäßigen Kunstausstellung. | |
Faszinierend! | |
## Online-Gespräche mit Zuschauern | |
Raum 5 heißt „Bad Infinity“. Ein roter Luftballon zerplatzt. Man sieht | |
Hannah Smith bei der Arbeit. In Zimmer 3 gibt es „Corona Laboratories“. | |
„The Mystery of Aerosols“ wird von Christian Jungeblodt verbildlicht. Er | |
studiert im Fachgebiet „Experimentelle Strömungsmechanik an der TU. | |
Irgendwo gibt es den „Barvatar-Film“, der in Tirol spielt. Es geht auch | |
darum, reale Leute in einer Bar sozusagen fernzusteuern. Das „Atelier | |
Busch“ ist live und online. Ein Künstler mit Bart und Zopf porträtiert | |
gerade eine junge Frau. Sympathisch, dass sich beide in ihrer Rolle auch | |
komisch zu fühlen scheinen. Dann ist man plötzlich in dem Jubiläumsfilm zu | |
48hNK und erfährt, dass seit 1999 20.000 KünstlerInnen auf 2.000 | |
Spielstätten dabei gewesen waren. Es geht um „Bedingungen und Möglichkeiten | |
der transkulturellen Gesellschaft“ und darum, „Wege in fremden Schuhen“ zu | |
gehen. | |
Dann wieder Livestreams: Ala Leresteux sitzt auf einem weinroten Sofa und | |
hört gerade „Greensleeves“ von John Coltrane. Über dem Sofa hängt eine A… | |
Triptychon mit androgynen Wesen. Sie würde es schön finden, wenn sie jemand | |
etwas fragte. Aber wie? | |
In „Contemporary Love“ räkeltanzt XXX so ein bisschen peepshowmäßig, aber | |
angezogen, teils in Zeitlupe und elegant. Sie sitzt auf einer Art Tablett | |
in einem Schaufenster. Es gibt noch einen Zuschauer, mit dem sie manchmal | |
spricht. | |
Am nächsten Morgen landet man in „Offenbar fragile Selbstliebe“ von und mit | |
Sandra Buttstädt. Der Kurzfilm spielt teils an einem See. Ich war der 17. | |
Betrachter des Youtube-Videos. | |
21 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://48-stunden-neukoelln.de | |
## AUTOREN | |
Detlef Kuhlbrodt | |
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