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# taz.de -- Busfahrer über Widerstand in Minneapolis: „Die Polizei ist rassi…
> In Minneapolis weigern sich Busfahrer:innen, festgenommene Protestierende
> abzutransportieren. Adam Burch hat diese Aktion angestoßen.
Bild: Die Polizei in Minneapolis nutzt Busse schon lange zum Abtransport festge…
taz: Herr Burch, wieso fordert die Polizei in Minneapolis Unterstützung von
den Verkehrsbetrieben an?
Adam Burch: Es gibt eine langjährige Übereinstimmung, wonach die Polizei,
wenn sie Massenfestnahmen macht oder viele Beamte transportieren muss,
Busse beim öffentlichen Verkehrsbetreiber Metro Transit anfragt.
Kommen Massenfestnahmen in Minneapolis oft vor?
Ich war schon selbst davon betroffen. Im Juli 2016 ist ein anderer
schwarzer Mann in unserer Gegend von der Polizei getötet worden. Sein Name
war Philando Castile. Ich war in der Protestbewegung. Wir haben den
Interstate Highway besetzt und die Polizei hat Busse der Metro Transit
benutzt, um mich und andere zum Bezirksgefängnis zu bringen. Damals war ich
noch kein Busfahrer.
Sie hatten die Idee, die Zusammenarbeit mit der Polizei zu verweigern.
Letzten Mittwoch hatte ich Nachtschicht. Aber ich wusste natürlich auch,
dass eine Besetzung des Platzes vor der Polizeiwache in Süd-Minneapolis
stattfand. Auf dem Monitor in meinem Bus kam die Mitteilung, dass ein Bus
für die Polizei gebraucht wird, sowie das Angebot, Überstunden bezahlt zu
bekommen. Ich habe auf Facebook gepostet, dass ich als Arbeiter und
Gewerkschaftsmitglied nicht der Polizei helfen möchte, die George Floyd
ermordet hat und die jetzt versucht, die Protestbewegung zu unterdrücken.
Ich bin solidarisch mit der Protestbewegung. Und ich will nicht den Ruf
nach Gerechtigkeit unterdrücken.
Wie waren die Reaktionen Ihrer Kollegen?
Viele Kollegen waren sofort dabei. Sie wollen nicht für eine Polizei
arbeiten, die so außer Kontrolle geraten ist. Und manche sympathisieren mit
der Protestbewegung, weil George Floyd auf so eine hasserfüllte und
ungeheuerliche Art ermordet worden ist. Aber andere sind vor allem an der
Überstundenbezahlung interessiert.
Was trennt Sie?
Wir verdienen alle dasselbe. Wir gehören alle zur selben Gewerkschaft. Aber
nicht alle denken politisch und verstehen die Situation, die sich
entwickelt. Und dann gibt es auch noch Leute, die einen Verwandten bei der
Polizei haben. Menschen, die schwarz sind oder zu anderen Minderheiten
gehören, unterstützen die Proteste sowieso stärker. Wir haben viele
Afroamerikaner, asiatisch-amerikanische und migrantische Personen in der
Belegschaft.
Müssen Sie jetzt um Ihren Job fürchten?
Ich habe möglicherweise das Management verärgert. Vielleicht suchen sie
einen Weg, mich zu disziplinieren. Aber ich habe eine gute Gewerkschaft.
Deswegen muss ich mir keine Sorgen um meinen Job machen.
Polizeigewalt gegen schwarze Personen in den USA ist nicht neu. Können Sie
erklären, warum [1][die Proteste dieses Mal stärker sind als sonst]?
Der Kontext ist wichtig. Mit Covid-19 befinden wir uns mitten in einer
medizinischen Krise. Zugleich sind wir in einer schweren Rezession. Es gibt
Massenarbeitslosigkeit. All das hat die politischen Spannungen und
Polarisierungen vergrößert. Das ist ein Pulverfass. Ein Funke genügt für
eine Explosion. Es kommt hinzu, dass dieses Verbrechen so hasserfüllt und
schlimm war. Wir haben einem Polizisten dabei zugeschaut, wie er einen Mann
tötet. Insbesondere Angehörige der Minderheiten wurden mit dem Video brutal
daran erinnert, wie die Polizei missbraucht und belästigt. Das alles gibt
ein Gefühl von Ungerechtigkeit.
Hat [2][die Verhaftung des Polizisten] nichts bewirkt?
Eine Verhaftung ist nicht genug. Da waren insgesamt vier Polizisten. Hier
in Minneapolis gibt es den Slogan: „Einer ist erledigt. Drei sind noch
übrig.“ Wenn die Polizei in der Vergangenheit unbewaffnete schwarze Männer
getötet hat und ein Polizist in Haft kam, wurde er in den meisten Fällen
vor Gericht freigesprochen. Wir wollen verhindern, dass das wieder
passiert.
Wie wirken sich die Plünderungen und Brandstiftungen auf die öffentliche
Meinung aus?
Natürlich will ich meinen Stadtteil nicht in Flammen sehen. Aber viele
verstehen die Frustration. Es hätte vermieden werden können, wenn die Stadt
früher das Richtige getan hätte und die Polizei zur Verantwortung gezogen
hätte. Die Frustrationen der Leute köchelt seit Langem. Die
Lebenssituationen sind nicht gut. Wir haben Obdachlosigkeit,
Arbeitslosigkeit und Menschen, die nicht genug zum Leben verdienen.
Gleichzeitig gibt die Stadt der Polizei mehr Geld und streicht Mittel für
Sozialwohnungen, für die Gesundheitsversorgung und Bildung. Sie tut nicht
genug, um die Grundbedürfnisse zu decken. Das ist der Grund für diese
riesige Revolte.
Sie sind also auch nicht mit dem Bürgermeister von Minneapolis
einverstanden?
Er sagt die richtigen Dinge bei einer Pressekonferenz und er sieht auch gut
aus. Aber die Leute wollen Resultate und Lösungen. Man hat uns versprochen,
dass Minneapolis progressiver werden soll. Aber wir sehen keine
Fortschritte. Der Bürgermeister und der Stadtrat kümmern sich mehr um die
Makler und Grundstücksentwickler als um die Lebenshaltungskosten.
Wie sehen das die Konservativen unter Ihren Kollegen?
Es ist eine sehr polarisierte Situation. Es gibt Leute, die sich
konservativ identifizieren und die grundsätzlich dagegen sind, die Polizei
infrage zu stellen. Sie stehen für Law and Order. Uns fehlt es noch an
Struktur. Aber ich glaube, da können die Gewerkschaften eine Rolle spielen.
Wir haben mehr Menschen hinter uns. Die ganze Situation ist anders als noch
2016 – wegen der Pandemie. Hierzulande ist es eine politische Frage, wer
eine Maske trägt. Präsident Trump hat das politisiert. Wenn du eine Maske
trägst, glaubst du nicht, was Trump sagt. Wenn du keine trägst, dann bist
du mit Trump.
Am Sonntag ist auf einer Brücke in Minneapolis ein Tanklaster auf
Demonstranten gerast. Das erinnert an eine terroristische Attacken.
Befürchten Sie weitere Gewalttaten dieser Art?
Wir in Minneapolis haben damit schon Erfahrungen gesammelt, nachdem die
Polizei Jamar Clark im Jahr 2015 erschossen hat. Als wir anschließend eine
Polizeiwache belagerten, kamen mehrere weiße Rassisten und haben
geschossen. Zum Glück ist dabei niemand getötet worden. Aber es wurden
Menschen verletzt. Natürlich fürchte ich das. Aber wir können es nicht
zulassen, dass diese Furcht unsere Bewegung untergräbt. Wir wollen
Gerechtigkeit für George Floyd und mehr als nur vier inhaftierte und
verurteilte Polizisten.
Was ist Ihr konkretes Ziel?
Wir brauchen eine echte Transformation unseres Polizeisystems. Es muss
komplett erneuert werden. Wir geben uns nicht mit kleinen Reformen
zufrieden, wie Körperkameras. Wir verlangen die Einführung eines
Aufsichtsgremiums, das aus der Community kommt und das das volle Recht hat,
über Neueinstellungen, Entlassungen und Haushalte bei der Polizei zu
entscheiden. Ohne das wird es mehr Revolten wie die jetzige geben.
Ist [3][die Polizei in Minneapolis] rassistischer als anderswo?
Mag sein, dass Minneapolis statistisch etwas mehr Morde und mehr Fälle von
heimischer Gewalt aufweist. Die Polizeigewerkschaft Fraternal Order of
Police hat hier Bob Kroll als Präsidenten, der ein notorischer Rassist ist
und Mitglied einer weißen, nationalistischen Biker-Gang war. Trotzdem würde
ich sagen, dass Minneapolis ziemlich repräsentativ für die Polizei in den
USA ist. Die Polizei ist definitiv rassistisch. Aber es geht hier um mehr
als die Frage, ob ein individueller Polizist rassistisch ist. Es geht
darum, wie die Polizei funktioniert und was ihre Rolle ist.
Die Proteste wachsen, aber zugleich gibt es jeden Tag mehr Gewalt und
Zerstörung. Wohin wird das führen?
Es würde helfen, wenn die Stadt Minneapolis und der Staat Minnesota die
Forderungen der Protestierenden ernst nehmen würden. Wir brauchen eine
Transformation der Polizei.
Was erwarten Sie von den Wahlen im November?
Bei den Protesten gibt es Menschen mit „Geht wählen“-Transparenten. Das
fühlt sich an wie ein leerer Slogan. Ganz besonders bei den kommenden
Wahlen, bei denen wir zwei Optionen wie Biden und Trump haben. Der
demokratische Kandidat Biden ist für vieles im Strafrecht und beim
Gefängnissystem verantwortlich, das viele schwarze Personen hinter Gitter
gebracht hat. Für viele ist Biden Teil des Problems. Vielleicht wäre es
anders, wenn Bernie Sanders der Kandidat wäre.
3 Jun 2020
## LINKS
[1] /Proteste-gegen-Rassismus-in-den-USA/!5686160
[2] /Nach-Toetung-von-George-Floyd-in-Minneapolis/!5689275
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## AUTOREN
Dorothea Hahn
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