# taz.de -- Rassismus in Deutschland: Weißes Schweigen | |
> Auch in Deutschland gibt es rassistische Polizeigewalt. Aber die weiße | |
> Mehrheit positioniert sich nicht dagegen. Das fängt bei den Medien an. | |
Bild: Der breite gesellschaftliche Aufschrei bleibt bei rassistischer Polizeige… | |
Am 12. 1. 2019 starb der Grieche Aristeidis L. in Berlin. Der 36-Jährige | |
war von der Polizei festgenommen worden, weil er in einer Bäckerei | |
randaliert hatte. Er wurde an Händen und Füßen gefesselt und in einem | |
Fahrstuhl von vier PolizistInnen in Bauchlage auf den Boden gedrückt, bis | |
er erstickte. | |
Das Ermittlungsverfahren gegen die Polizisten wurde eingestellt. Die | |
Staatsanwaltschaft hatte nicht einmal alle vernommen, die mit L. im | |
Fahrstuhl waren, als der starb. Ob auch er „I can’t breathe“ gesagt hat, … | |
wie der von einem Polizisten [1][getötete George Floyd] vergangene Woche in | |
den USA, wissen wir nicht. Es gibt von L.s Tod kein Video, keinen | |
Twitter-Hashtag, keine Proteste. Was es auch nicht gab, war | |
Berichterstattung. Mein Kollege Gareth Joswig hat [2][den Fall gerade | |
ausgegraben]. | |
Dass Menschen durch Polizeigewalt sterben, ist auch in Deutschland keine | |
Seltenheit. 269 Menschen kamen seit 1990 [3][hierzulande durch | |
Polizeischüsse um]. Erinnern Sie sich an die letzte Talkshow zum Thema? | |
Minneapolis ist nun überall Thema. Das liegt auch daran, dass es von Floyds | |
Tod ein Video gibt, das jedeR im Internet sehen kann: wie eiskalt und | |
scheinbar genüsslich der Polizist auf Floyd kniet, wie der um sein Leben | |
fleht und irgendwann erschlafft. „Racism isn’t getting worse, it’s getting | |
filmed“, hat der Schauspieler Will Smith gesagt. Auch deswegen gehen nun so | |
viele Menschen in den USA auf die Straße, berichten viele deutsche Medien | |
jetzt so groß – und über Tote nach Polizeigewalt hierzulande so wenig. | |
## Fehlendes Hinterfragen | |
Die deutsche Polizei wird von vielen JournalistInnen immer noch als eine | |
neutrale Quelle verstanden, deren Darstellung im Zweifel eher zu glauben | |
ist als anderen Beteiligten. Wenn PolizistInnen gewalttätig werden, dann | |
werden sie schnell zu Einzelfällen in einem sonst sauberen Polizeiapparat | |
gemacht. Wer sich öffentlich mit der Polizei anlegt, steht alleine da. Die | |
Grünen-Chefin Simone Peter zum Beispiel, die den Polizeieinsatz der Kölner | |
Silvesternacht 2015/16 kritisiert hatte, oder die SPD-Chefin Saskia Esken, | |
die es gewagt hatte zu fragen, ob die Polizeitaktik in der diesjährigen | |
Silvesternacht in Leipzig angemessen war. | |
[4][Auch Polizeigewalt in Deutschland ist rassistisch], sie trifft häufig | |
nichtweiße oder nicht deutsch sprechende Menschen. Die mutmaßlichen Mörder | |
von Oury Jalloh, der 2005 in einer Zelle in Dessau verbrannte, [5][laufen | |
noch immer frei herum]. Es ist AktivistInnen zu verdanken, dass der Fall | |
noch in der Öffentlichkeit ist. Medien interessierten sich lange kaum für | |
ihn. | |
Wahrscheinlich auch deshalb, weil das gesellschaftliche Echo auf die | |
Polizeigewalt verhalten ist. Was die USA von Deutschland unterscheidet, ist | |
nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die vielen Menschen, die | |
gegen rassistische Polizeigewalt auf die Straße gehen. Eine Bewegung, die | |
von der weißen Mehrheitsgesellschaft unterstützt wird, fehlt in | |
Deutschland. Denn auch hier ist das leider nicht selbstverständlich: Black | |
lives matter. | |
2 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Rassistische-Polizeigewalt-in-den-USA/!5688834 | |
[2] /Tod-im-Polizeigewahrsam/!5684340 | |
[3] https://taz.atavist.com/polizeitote#chapter-1957584 | |
[4] /Berater-ueber-rassistische-Polizeigewalt/!5671660 | |
[5] /Vor-15-Jahren-starb-Oury-Jalloh/!5650368 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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