# taz.de -- Abos von gedruckten Zeitungen: Leerer Briefkasten | |
> Es gibt noch Menschen, die gedruckte Zeitungen lesen. Wird die aber | |
> wochenlang nicht geliefert, braucht man sich über Abokündigungen nicht | |
> wundern. | |
Bild: Manchmal träumt man von der einen Zeitung – und bekommt am Ende die fa… | |
Ich bin umgezogen. Ich habe es tatsächlich geschafft, eine Wohnung zu | |
finden und mitten im Coronachaos umzuziehen. Meine Möbel und | |
Familienmitglieder sind mitgekommen. Das Einzige, worauf ich sehr lange | |
warten musste, war meine Zeitung. | |
Dabei ist das gar nicht so schwer. Mein neues Haus: ein Neubau mitten in | |
Berlin. Der neue Briefkasten: groß, weiß und mit frisch gedrucktem | |
Namensschild. | |
Die große Wochenzeitung, die ich jeden Donnerstag bekomme, nennen wir sie | |
Z, hatte ich zwei Monate vor meinem Umzug über meine neue Adresse | |
informiert. Dann zog ich um, aber mein Briefkasten blieb leer. Also füllte | |
ich nochmal das Onlineformular aus. Mein Briefkasten blieb leer. Ich | |
schrieb eine Mail und bekam immerhin eine Antwort. Eine automatisch | |
generierte Mail, in der sinngemäß stand: Wir haben gerade echt viel zu tun | |
wegen Corona, puh. Wir melden uns irgendwann, aber bitte, BITTE!, melden | |
Sie sich nicht noch mal. | |
Mein Briefkasten blieb leer, die dritte Woche in Folge. | |
## Leere Kioskständer | |
Ich schrieb auch der Aboabteilung meiner kleinen Tageszeitung t. Deine t, | |
hieß es, wird am 16. 4. zum ersten Mal an deine neue Adresse geschickt. Ein | |
paar Tage später steckte sie tatsächlich in meinem Briefkasten – und gleich | |
noch eine Zeitung, die ich nicht bestellt hatte. Die B.Z., Berlins | |
Boulevardblättchen aus dem Hause Springer. Am gleichen Tag die t und die | |
B.Z. zu lesen ist erfrischend, man lernt: Für Filterblasen braucht es kein | |
Internet. | |
Auch am Kiosk war es schwierig, eine Zeitung zu bekommen. In meinem Späti | |
versuchte ich, eine Süddeutsche zu kaufen. Auch die hatte ich mal im Abo, | |
und weil ich einige Ausgaben verpasst hatte, hatte der Verlag mir | |
Gutscheine geschickt. Der Verkäufer im Späti guckte auf den Gutschein und | |
sagte: „Die nehm’ wa schon lange nich mehr.“ | |
Am nächsten Donnerstag blieb mein Briefkasten wieder leer. Ich wählte die | |
Hamburger Nummer des Z-Verlags. Nach zwanzig Minuten Warteschleifen-Düdel | |
meldete sich eine freundliche Frauenstimme mit sächsischem Akzent, | |
vermutlich aus einem Callcenter: „Ja, hm, verstehe, das ist ärgerlich … Tut | |
mir leid … Ja, Ihre Mail sehe ich hier … Hat keiner geantwortet? … Komisch | |
… Die neue Adresse, ja, die steht hier … Hm, verstehe ich nicht.“ Es | |
dauerte zwei weitere Donnerstage, bis die Zeitung endlich in meinem | |
Briefkasten steckte. | |
## Keine Krise der gedruckten Zeitung | |
Jetzt könnte man sagen: Selber schuld! Würdest du digital lesen, hättest du | |
keine einzige Ausgabe verpasst. Aber das ist nicht der Punkt. Der Punkt | |
ist, dass es immer noch viele Menschen gibt, die eine gedruckte Zeitung | |
haben wollen. Und die sauer werden, wenn die Zeitung nicht pünktlich | |
ankommt. Kein Wunder, wenn diese Leute ihre Abos kündigen. | |
Vielleicht ist die gedruckte Zeitung nicht in der Krise, weil sie nicht | |
aktuell genug ist, sondern weil sie für viele AbonnentInnen gar nicht ist, | |
jedenfalls nicht in ihrem Briefkasten. Gerade rief mich der Nachmieter aus | |
meiner alten Wohnung an: Wir sollten doch bitte die Zeitung umbestellen. | |
Sein Briefkasten quelle über. | |
17 May 2020 | |
## AUTOREN | |
Anne Fromm | |
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