# taz.de -- Podcast „Nur Mut“: Ändern, was wir fühlen | |
> Hilfreiches in Coronazeiten: Hüpfen macht froh. Schaukeln auch. Im | |
> taz-Podcast geht es darum, wie unsere Körperhaltung steuert, was wir | |
> fühlen. | |
Bild: Gedanken-Verstopfungen einfach wegpömpeln: Toben kann in der Coronakrise… | |
KÖLN taz | Stellen wir uns folgende Szene vor: Wir treten aus der Haustür | |
und die Leute draußen hüpfen an uns vorbei wie Hasen. Wir gehen einkaufen | |
und im Supermarkt singen alle. Den Takt gibt die Kassiererin, die sich mit | |
der Faust auf die Brust klopft. Dann tragen wir die Einkäufe nach Hause und | |
sehen: Auf dem Spielplatz sind alle Schaukeln besetzt von Erwachsenen, die | |
wild hin und her schwingen. Das passiert natürlich nicht. Aber es wäre | |
vernünftig, sagt die Therapeutin Petra Muth. Vor allem in Krisenzeiten. | |
“Weil es uns gut tut.“ | |
Bitte, was?In der neuen Folge vom taz-Podcast “Nur Mut – Anleitung für den | |
Krisenkopf“ sprechen die Therapeutin Muth und die Journalistin Anett Selle | |
darüber, dass unsere Gefühle beeinflussen, wie wir uns im Raum bewegen. | |
Haben Sie schonmal traurige Kinder hüpfen sehen? Umgekehrt gilt: Bewegen | |
wir uns, als hätten wir gute Laune, dann schüttet unser Körper Endorphine | |
aus. Wenn wir schlecht drauf sind, können wir uns also gezielt aufmuntern, | |
indem wir uns verhalten, als wären wir gut gelaunt – und das Gehirn glaubt | |
uns das. | |
“Studien sind in verschiedenster Form durchgeführt worden und sind immer | |
zum selben Ergebnis gekommen“, sagt Muth. “Dass die Körperhaltung einen | |
gravierenden Einfluss auf die Selbstwahrnehmung und die Gefühle hat.“ Eine | |
Studie beispielsweise, führten Körperpädagog*innen in einer Reihe von | |
Seminaren mit Lehramtsstudierenden durch: Eine Gruppe sollte aufrecht durch | |
den Raum gehen, die andere in gebeugter Haltung. Wer aufrecht ging, | |
berichtete später von besserer Laune und davon, sich selbstbewusster | |
gefühlt zu haben. Wer selbst gebeugt ging, berichtete, sich klein, | |
niedergeschlagen und traurig gefühlt zu haben – und diese Gefühle seien | |
durch Begegnungen mit den Aufrechtgehenden noch verstärkt worden. | |
Eine weitere Studie führten Psycholog*innen mit Menschen durch, die | |
entweder an einer Depression akut litten, eine Depression überwunden hatten | |
oder nie depressiv waren. Dabei fanden sie heraus, dass Menschen mit | |
Depression langsamer und gebückter gingen – und dass der Körper ein langes | |
Gedächtnis hat. Auch Menschen, die die Depression überwunden hatten, gingen | |
noch ein wenig depressiver als diejenigen, die nie an Depression erkrankt | |
waren. | |
“Viele, die sich mit sich auseinandersetzen, haben die Idee: Jetzt mache | |
ich einen Strich und alles wird anders“, sagt Muth. “Aber es hat sich | |
gezeigt: Wir sind zwar in der Lage uns zu verändern, aber wir können nichts | |
ausradieren. Wir können nichts löschen oder überschreiben. Wir können nur | |
neue Verknüpfungen anlegen. Deswegen besteht immer die Gefahr, ins Alte | |
zurückzurutschen: Es ist sehr wichtig, das neue Körpergefühl zu stärken.“ | |
## Tanzen, klopfen und herumalbern | |
Um zu üben, die eigenen Gefühle via Körperhaltung zu steuern oder auch auf | |
Dauer am Ball zu bleiben, empfiehlt Muth “[1][Body 2 Brain]“, eine | |
kostenlose App. Und Musik. Nicht nur, dass wir tiefer atmen, wenn wir | |
singen, unsere Herzen im selben Takt schlagen, wenn wir das zusammen tun | |
und sich unsere Hirnwellen synchronisieren, wenn wir gemeinsam Instrumente | |
spielen: Auch Tanzen wirkt. | |
Eine Psychologin übte den [2][jüdischen Kreistanz Hava Nagila] („Lasst uns | |
glücklich sein“) mit depressiven Patient*innen ein. Dabei wird viel | |
gehüpft, das steigerte die Lebensfreude, so berichteten es die | |
Patient*innen. Denn: Das Auf und Ab lässt unseren Körper Endorphine | |
ausschütten. Lüpfend gehen, Trampolin springen, Schaukeln: All das macht | |
uns froh und wird zum Teil gezielt in der Nachsorge auch von Schmerz- und | |
Traumapatient*innen eingesetzt. | |
“Und was Sie zusätzlich auch noch machen können, [3][ist Klopfen]“, sagt | |
Muth. “Ein Beispiel aus der Tierwelt: Wenn ein Gorilla sich aufregt und | |
selbstbewusster werden will, klopft er sich auf die Brust, auf die | |
Thymusdrüse. Das stärkt uns, weil es aktiviert.“ Und so neu ist eigentlich | |
auch nicht: “All diese Bewegungen sind Dinge, die wir als Kinder | |
automatisch machen und die wir uns dann abgewöhnen. Weil wir uns entweder | |
zu wenig mit uns beschäftigen oder weil wir uns Sorgen machen, wie andere | |
das finden“, sagt Muth. “Aber beobachten Sie mal Eltern, die mit ihren | |
kleinen Kindern draußen toben und mithüpfen. Die haben ein dickes, breites | |
Grinsen im Gesicht.“ | |
15 May 2020 | |
## LINKS | |
[1] https://www.youtube.com/watch?v=K2gGRvzRpV0 | |
[2] https://www.youtube.com/watch?v=egvyLJnoZrs | |
[3] https://www.youtube.com/watch?v=g7a2u9v0V0c | |
## AUTOREN | |
Anett Selle | |
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