# taz.de -- EU-Wirtschaftshilfen in Coronakrise: Wohin die Reise gehen muss | |
> Die Chance nicht verspielen: Jetzt muss die EU die Weichen auf | |
> umweltfreundliches Wirtschaften stellen. | |
Bild: Schau hin, EU! Das Schiff „Energy Observer“ in Amsterdam produziert W… | |
Hurra, wir dürfen im Sommer Urlaub machen. Reisen in europäische | |
Nachbarländer sind ab Mitte Juni wieder erlaubt. Jetzt, da die Bundesliga | |
wieder spielen darf und der Strandurlaub möglich scheint, atmen viele auf. | |
Corona wird in der kollektiven Wahrnehmung zunehmend zu einem | |
Wetterleuchten. Allein der lästige Mundschutz beim Einkaufen, ärgerlich. | |
Die Zahl der Neuinfektionen darf zwar nicht wieder ansteigen, sonst sind | |
diese neu gewonnenen Freiheiten schnell wieder futsch. Aber darauf setzen | |
wir jetzt einfach mal. | |
Denken wir an Europa in diesen viel zu trockenen Frühjahrstagen, dann | |
stellt sich aber noch eine andere Frage: Hieß es nicht zu Anfang der | |
Coronapandemie, dass Europa [1][eine gemeinsame Antwort auf die Krise | |
finden] solle? Dass es um die Frage gehe, ob Europa solidarisch sei, und | |
den am stärksten von der Krise betroffenen Staaten, Regionen und Menschen | |
flexibel Unterstützung würde bieten können. Ging es nicht auch darum, ob | |
EU-Konjunkturprogramme Arbeitsplätze schaffen und erhalten können und | |
gleichzeitig Klima- und Naturschutz ermöglichen? | |
Wohin also geht die Reise? Dieser Tage wird in Brüssel um die Höhe des | |
europäischen Konjunkturpakets und die Bedingungen gerungen, die an die | |
Gelder geknüpft werden. [2][Das EU-Parlament hat zwei Billionen Euro für | |
Konjunkturhilfen gefordert]. In Europa werden derzeit Entscheidungen von | |
enormer Tragweite getroffen. Am Mittwoch sollen sowohl das nächste | |
mehrjährige EU-Budget als auch das Konjunkturpaket und der Recovery-Plan | |
für den Weg Europas aus der Coronakrise vorgestellt werden. Dabei geht es | |
nicht um ein paar Monate, sondern um die Ausgestaltung unserer Welt auf | |
Jahrzehnte. | |
Schon die kommenden Tage werden zeigen: Wird Europa auch in Zukunft mehr | |
sein als nur ein Ort der Reisefreiheit für uns alle, die wir im | |
Schengenraum leben? Wird die EU ein Projekt sein, das uns in die Zukunft | |
führt? Oder geht die EU womöglich schon bald baden? | |
## Ja zu Umweltstandards | |
Das europäische Konjunkturpaket und der neue Haushalt sollten folgende | |
Prinzipien einhalten: Die Coronakrise darf nicht missbraucht werden, um | |
Umweltstandards zu schleifen oder Klimapolitik zu verwässern, auch nicht, | |
um geplante Regulierung für den Schutz von Wasser, Boden und Klima zu | |
verschieben. [3][Existierende Standards, die Umwelt und Klima schützen], | |
dürfen nicht geschwächt werden. Denn Ökologie betrifft ausnahmslos alle | |
Menschen, ob arm oder reich. | |
Daran knüpft die soziale Frage an. Starke Schultern müssen größere Lasten | |
tragen. Es ist eine Frage von Solidarität und Gerechtigkeit, die besonders | |
Einkommensstarken auch stärker zu belasten. Die europäischen Regierungen | |
müssen dafür sorgen, dass zukünftige Generationen nicht für die Kosten der | |
Coronakrisenbekämpfung aufkommen müssen und Schwache nicht noch tiefer | |
abrutschen. | |
Um zu verhindern, dass die Lasten auf künftige Generationen abgewälzt | |
werden, muss Steuervermeidung in Europa gesetzlich unmöglich werden. | |
Unternehmen, die in den Genuss von Staatshilfen und damit von Steuergeldern | |
kommen, dürfen keine Steuertrickserei betreiben. Konzerne, die ihre Gewinne | |
in Steueroasen verschieben, dürfen keine staatliche Unterstützung erhalten. | |
Einzelne europäische Länder wie Dänemark sind in dieser Frage rigoros. Das | |
muss zum Standard für alle in Europa werden. | |
Dasselbe gilt bei Dividenden und Boni. Unternehmen, die Steuergelder aus | |
Rettungsfonds erhalten, müssen sich dazu verpflichten, ihre Gewinne zu | |
reinvestieren und nicht an ihre Aktionäre auszuschütten. Großzügige Boni | |
für Vorstandsmitglieder und Dividenden an Aktionäre sind als das zu | |
brandmarken, was sie sind: unethisch und asozial. Der Missbrauch von | |
Steuergeldern kann und muss durch klare Übereinkommen mit den Unternehmen, | |
die staatliche Unterstützung bekommen, verhindert werden. | |
## Klimaabkommen bindet auch Unternehmen | |
Aber kommt man mit all dem schon in den grünen Bereich? Nein! Es gilt, alle | |
Rettungsgelder für Unternehmen sowohl an rote als auch grüne Standards zu | |
knüpfen. Im sozialen Bereich steht die Sicherung und Schaffung von gut | |
bezahlten Arbeitsplätzen im Vordergrund. Im grünen Bereich muss als | |
verbindlicher Minimalstandard gelten, dass Unternehmen die negativen | |
Auswirkungen von Produktionsverfahren auf die Umwelt und das Klima | |
schrittweise reduzieren und dafür einen Aktionsplan vorlegen. Unternehmen | |
aus klimarelevanten Bereichen, wie etwa die Automobil- oder die | |
Zementindustrie, müssen Aktionspläne zur Emissionssenkung im Einklang mit | |
dem Pariser Klimaschutzabkommen vorlegen. | |
Unternehmen, deren Geschäftsmodell auf der Förderung und dem Verkauf von | |
Kohle, Öl und Gas beruht, dürfen keine staatlichen Gelder bekommen. Die | |
Nachfrage nach diesen klimaschädlichen Produkten war nach dem Pariser | |
Abkommen wie zu erwarten rückläufig. Es schadet der Allgemeinheit, wenn | |
diese Firmen künstlich am Leben erhalten werden. Jetzt ist die Zeit, von | |
fossilen Brennstoffen auf die viel günstigeren erneuerbaren Energien | |
umzusteigen und die Beschäftigten in diesem Strukturwandel mitzunehmen. | |
EU-Kommissionspräsidentin [4][Ursula von der Leyen hat unlängst Europas | |
Zukunft skizziert]: Wie so oft in ihrer politischen Vergangenheit hat sie | |
bei der Ausrufung des European Green Deal begrifflich geklotzt statt | |
gekleckert. Daran muss sich die EU-Kommission nun messen lassen. | |
Der Green Deal muss umgesetzt werden. Nur ein Beispiel: Mit einer klug | |
umgesetzten „Renovierungswelle“ (Renovation Wave) kann Brüssel die | |
EU-Mitgliedstaaten im Gebäudesektor dazu bringen, die enormen Potenziale | |
für Klimaschutz und Wohnkomfort zu heben, die Dämmung bietet. In vielen | |
Bereichen bedarf es gar nicht so viel, damit das Haus Europa wohnlich | |
bleibt und die Menschen nach Reisen gern zurückkehren. Europas Zukunft | |
entscheidet sich in diesem Sommer. | |
26 May 2020 | |
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[1] /Konjunkturprognose-der-EU/!5683156 | |
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## AUTOREN | |
Olaf Bandt | |
Jagoda Munic | |
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