# taz.de -- Steueroasen und Staatshilfen in Dänemark: Coronagelder auf den Cay… | |
> Dänemark hatte einen Plan: Keine staatlichen Coronahilfen für Firmen, die | |
> Steueroasen nutzen. Tatsächlich bekamen die aber nicht eine Krone | |
> weniger. | |
Bild: Komplizierte Eigentümerstruktur, die auf den Cayman-Inseln endet: Cateri… | |
Stockholm taz | [1][Keine Corona-Staatshilfen an Unternehmen mit Sitz in | |
Steueroasen]: Mit dieser Ansage hatten die Parteien im dänischen Parlament | |
Mitte April internationale Aufmerksamkeit erlangt. Dänemark erschien als | |
Vorreiter bei der Aufgabe, die staatlichen Zuschüsse, die durch die | |
Pandemiekrise notwendig wurden, gerecht zu verteilen. Wenn schon Milliarden | |
an Steuergeldern gebraucht wurden, „um Firmen und Arbeitsplätze zu retten, | |
dann müssen sie für diesen Zweck eingesetzt werden und nicht in einer | |
Steueroase auf der anderen Seite des Planeten landen“, begründete die | |
sozialdemokratische Regierung. | |
Die erste Bilanz ist jedoch ernüchternd. Alle 24.054 Unternehmen, die vor | |
Inkrafttreten der „Steueroasen-Klausel“ unterschiedliche | |
Corona-Staatshilfen bekommen hatten, erhielten diese auch mit der neuen | |
Regelung weiter – obwohl mindestens 247 von ihnen ihren Sitz in Steueroasen | |
haben. | |
Der TV-Sender TV 2 hat SteuerexpertInnen gebeten, ein halbes Dutzend | |
dieser Firmen genauer zu analysieren. Ihr Urteil: Die | |
Gesellschaftsstrukturen seien zweifelsohne mit dem „unmittelbaren Zweck | |
konstruiert worden, die Zahlung von Dividendensteuern an ausländische | |
Eigentümer zu vermeiden“, also in Dänemark möglichst wenig an den Fiskus | |
abführen zu müssen. Aufgrund der geltenden Rechtslage könnten die Zuschüsse | |
– umgerechnet über 35 Millionen Euro – aber nicht gestoppt werden. | |
## Juristisch nicht durchdacht | |
„Man kann nur von einem Schlag in die Luft sprechen“, sagt Søren Friis | |
Hansen, Professor für Steuer- und Gesellschaftsrecht an der Copenhagen | |
Business School. Das sei allerdings auch nicht verwunderlich, weil der | |
Parlamentsbeschluss juristisch nicht durchdacht gewesen sei. Wenn etwa eine | |
auf dem Papier in Dänemark registrierte Gesellschaft einem Unternehmen in | |
Luxemburg gehöre, das seinerseits Tochter einer Firma aus einer Steueroase | |
sei, könne sie nicht von Hilfsgeldern ausgeschlossen werden. Denn nach dem | |
EU-Recht ist für die Besteuerung durch den dänischen Fiskus nur die | |
juristische Person maßgeblich, die unmittelbare Eigentümerin ist – keine | |
Gesellschaft am Ende einer mehrgliedrigen Eigentümerkette. | |
Ein Beispiel ist die Luftverkehrscatering-Firma Gate Gourmet. Sie ist die | |
drittgrößte Empfängerin dänischen Staatsgeldes. Gate Gourmet gehört zur | |
Hälfte einem Fonds mit Sitz auf den britischen Cayman-Inseln. Die stehen | |
zwar in der EU seit Februar auf der schwarzen Liste der Steueroasen. Aber | |
Hilfe beantragte die dänische Tochtergesellschaft Gate Gourmet Denmark, die | |
wiederum Gate Gourmet Northern Europe gehört, wiederum eine Tochter von | |
Gesellschaften in Luxemburg und der Schweiz, bevor man über Hongkong und | |
Singapur auf den Caymans landet. „Bei einer solchen Struktur kann man gar | |
nichts machen“, sagt Hansen. „Es sei denn, es besteht der konkrete Verdacht | |
der Steuerhinterziehung.“ | |
Dänemark könne Unternehmen mit ausländischen Besitzern keine Leistungen | |
verweigern, die inländische bekämen, sagt der Steuerrechtler Anders | |
Nørgaard Laursen von der Universität Aarhus: „Das würde gegen die | |
Niederlassungsfreiheit in der EU verstoßen.“ | |
## Frage der Definition | |
Zudem seien Steueroasen nicht gleich Steueroasen, sagt Rune Lund, | |
finanzpolitischer Sprecher der linken Einheitsliste. [2][Für Brüssel zählen | |
dazu nur die 12 Länder auf der eigenen Liste der „nicht kooperativen | |
Staaten“.] Dort fehlen aber beispielsweise faktische Steueroasen wie | |
Luxemburg, die Niederlande oder die britischen Kanalinseln. Von den | |
umgerechnet rund 4,5 Milliarden Euro, die 2017 laut der [3][Studie „The | |
Missing Profits of Nations“] am dänischen Fiskus vorbei in Steueroasen | |
geschleust wurden, landete so gut wie keine direkt in diesen Ländern, | |
allenfalls am Ende einer längeren Kette. Der dänische Vorstoß habe eine | |
„sympathische Absicht“ gehabt, sagt Ludvig S. Wier von der Berkeley | |
University, einer der Verfasser der Studie. Unter geltendem EU-Recht habe | |
er aber „ein Schuss in den Ofen“ werden müssen. | |
„Peinlich“, kommentierte die Tageszeitung Information und fragte, ob man | |
das nicht erst einmal hätte prüfen können, bevor man sich so weit aus dem | |
Fenster lehnte. | |
Ganz wirkungslos aber muss der Vorstoß nicht gewesen sein. Dass dänische | |
VerbraucherInnen aufgrund der aktuellen Medienberichterstattung plötzlich | |
genau wissen, mithilfe welch ausgefuchster gesellschaftsrechtlicher | |
Konstruktionen Optikerketten, Sport- oder Babyartikelläden und sogar der | |
Bäcker um die Ecke dänische Steuern spart, scheint man bei diesen | |
Unternehmen gar nicht gern zu sehen. Der Bäckereikonzern Lagkagehuset mit | |
seinen 76 Filialen schaltete letzte Woche in allen Zeitungen ganzseitige | |
Anzeigen, um zu informieren, dass der Sitz auf Jersey und in Luxemburg nur | |
dazu diene, „eine korrekte Besteuerung der Gewinne in der Heimat unserer | |
Investoren sicherzustellen“. Ekstra Bladet bedankte sich: „Jetzt verstehen | |
wir, warum ihr in Dänemark keine Gewinne erzielen könnt, für die ihr hier | |
Steuern zahlen dürftet.“ | |
4 Jun 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Corona-Unterstuetzung-fuer-Unternehmen/!5677108 | |
[2] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-list-of-non-cooperative-juri… | |
[3] https://www.nber.org/papers/w24701 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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