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# taz.de -- Schaden durch Steueroasen: 427 Milliarden US-Dollar fehlen
> Neue Regeln zur Berichterstattung ermöglichen erstmals genauere
> Abschätzungen zur Steuerflucht. Allerdings bleiben die Beteiligten
> anonym.
Bild: Kayman-Inseln, ein Paradies: für Zackenbarsche und Korallen – und Steu…
Berlin taz | Weltweit gehen jährlich mehr als 427 Milliarden US-Dollar an
Steuern verloren, weil multinationale Unternehmen ihre Gewinne in
Steuerparadiese verschieben oder Privatpersonen ihr Vermögen vor den
Finanzbehörden verstecken. Zu diesem Ergebnis kommt jetzt eine Studie von
[1][Tax Justice Network], die neue OECD-Daten erstmals auswertet. Mit
diesem fehlenden Steuermilliarden könnten fast 34 Millionen
KrankenpflegerInnen weltweit beschäftigt werden, wie die unabhängigen
Steuerexperten vorrechnen.
Die neue Studie kann die [2][weltweite Steuerflucht] erstmals relativ genau
abschätzen, weil sich die OECD-Länder darauf geeinigt haben, dass
multinationale Konzerne die sogenannte länderbezogene Berichterstattung
anzuwenden haben. Die Unternehmen müssen also angeben, wie hoch ihr Umsatz
in den einzelnen Staaten war – woraus sich wiederum errechnen lässt, wie
viel Steuern sie eigentlich hätten zahlen müssen, wenn sie ihre Gewinne
nicht in Steueroasen verschoben hätten.
[3][Tax Justice Network hatte bereits 2003 diese „länderbezogene
Berichterstattung“ gefordert] und konnte jetzt durchsetzen, dass die OECD
die Zahlen veröffentlicht. Allerdings wurden die Daten aggregiert und
anonymisiert, sodass sich nicht erkennen lässt, welche Unternehmen
besonders viele Steuern sparen. Immerhin verraten die Daten aber, welche
Länder von der Steuerflucht besonders betroffen sind – und wie die
Steuerflucht funktioniert.
Multinationale Unternehmen verschieben jährlich Gewinne von etwa 1,38
Billionen Dollar in Länder, die besonders niedrige Steuersätze haben. Durch
diese Verrechnungstricks sparen die Konzerne etwa 245 Milliarden Dollar an
Steuerzahlungen. Weitere 182 Milliarden Dollar gehen den Staaten jährlich
verloren, weil Privatpersonen Finanzvermögen von mehr als 10 Billionen
Dollar in Steueroasen geparkt haben.
## Steueroasen sind vor allem kleine Inseln? Von wegen
Die Steuerflucht schadet vor allem den armen Ländern: Sie verlieren im
Durchschnitt etwa 5,8 Prozent ihres Steueraufkommens. In den reicheren
Ländern sind es „nur“ 2,5 Prozent.
Umgekehrt sind es aber reiche Länder, die die weltweite Steuerflucht
organisieren. Es ist ein Vorurteil, dass die Steueroasen meist kleine
Inseln fernab im Ozean seien. Die fünf wichtigsten Steueroasen sind: die
Kaimaninseln, die als „britisches Überseegebiet“ zum Vereinigten Königrei…
gehören. Die dortigen Finanzinstitute werden direkt von der City of London
gesteuert und sind dafür verantwortlich, dass weltweit 70 Milliarden Dollar
an Steuereinnahmen verloren gehen. Als Nächstes folgt Großbritannien, das
für ein Minus von 42 Milliarden sorgt. Platz drei belegen die Niederlande
(ein Schaden von 36 Milliarden), Luxemburg (27 Milliarden) und die USA (23
Milliarden).
## „Schwarze Liste“ wenig zielgenau
[4][Keines dieser Länder taucht auf der „Schwarzen Liste“ der EU auf, in
der renitente Steueroasen aufgeführt werden]. Stattdessen finden sich dort
Palau oder Trinidad und Tobago, die sich zwar weigern, mit den europäischen
Behörden zusammenzuarbeiten – aber fast gar keine Steuerschäden anrichten.
Die Staaten auf der „Schwarzen Liste“ sind gemeinsam für etwa 1,72 Prozent
der weltweiten Steuerverluste verantwortlich – während EU-Staaten etwa 36
Prozent verursachen.
Die Studie rechnet auch durch, wie groß der Schaden in einzelnen Ländern
ist. Deutschland verliert jährlich etwa 35 Milliarden Dollar an Steuern.
Dies sind umgerechnet 429 Dollar pro Einwohner. Die Bundesrepublik ist
selbst aber auch eine kleine Steueroase: Anderen Ländern entgehen durch die
hiesigen Gesetze etwa 3,4 Milliarden Dollar an Unternehmensteuern.
Es ist kein Zufall, dass die Studie jetzt erscheint: An diesem Freitag
treffen sich die G20-Finanzminister zu einer virtuellen Konferenz. Tax
Justice Network will erreichen, dass die Länderberichte die einzelnen
Unternehmen nennen, damit die Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden
können.
20 Nov 2020
## LINKS
[1] https://www.taxjustice.net/
[2] /Was-Wirecard-uns-lehren-sollte/!5699461
[3] /Ranking-Schattenfinanzplaetze/!5055533
[4] /Steueroasen-und-Staatshilfen-in-Daenemark/!5690421
## AUTOREN
Ulrike Herrmann
## TAGS
Steuerflucht
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