# taz.de -- EU-Finanzminister vertagen sich: Streit um Steuerparadiese | |
> Die EU-Finanzminister können sich nicht auf eine neue schwarze Liste von | |
> nicht-kooperativen Staaten einigen. Die Türkei und Luxemburg atmen auf. | |
Bild: Wollte sich zu den Hintergründen zunächst nicht äußern: Bundesfinanzm… | |
BRÜSSEL taz | In der Europäischen Union ist Streit über den Umgang mit | |
Steueroasen entbrannt. Die 27 EU-Finanzminister konnten sich am Dienstag in | |
Brüssel nicht auf eine neue schwarze Liste der nichtkooperativen Staaten | |
einigen; die Entscheidung wurde vertagt. Davon profitiert vor allem die | |
Türkei, die erneut mehr Zeit für Nachbesserungen bekommt. Auch Luxemburg | |
kann aufatmen. | |
Die EU-Liste der Steuerparadiese war [1][nach dem LuxLeaks-Skandal in | |
Luxemburg] aufgelegt worden. Sie wird normalerweise zweimal im Jahr | |
aktualisiert – im Februar und im Oktober. Derzeit umfasst sie zwölf | |
Staaten, darunter Panama, Barbados, Fidschi oder die Seychellen. Nun sollte | |
die Türkei hinzukommen, da sie im Dezember eine EU-Frist zum besseren | |
Austausch von Steuerdaten ignoriert hatte. | |
[2][Doch Deutschland] und einige andere EU-Länder stoppten den Prozess – | |
offenbar aus politischen Gründen. Sie wollen die Türkei schonen, um eine | |
erneute Konfrontation wie im vergangenen Sommer und Herbst zu verhindern. | |
Damals wäre es fast zum Krieg zwischen der Türkei und Griechenland | |
gekommen, die EU bereitete Sanktionen vor. Nun bemühen sich die Europäer um | |
eine „positive Agenda“. | |
Vorangetrieben wird der neue, kooperative Kurs von Bundeskanzlerin Angela | |
Merkel (CDU). Sie hatte 2016 das umstrittene Flüchtlingsabkommen mit | |
Präsident Recep Erdoğan geschlossen. Nun will sie den Handel mit der Türkei | |
ausweiten. Eine Einstufung des Landes als Steuerparadies hätte diese Ziele | |
durchkreuzt. Deshalb wurde die brisante Frage kurzerhand von der | |
Tagesordnung genommen. | |
## Brisanter Konflikt | |
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) wollte sich zu den Hintergründen | |
zunächst nicht äußern. Auch die EU-Kommission ging in Deckung. Denn der | |
Konflikt ist brisant. Für eine Nennung der Türkei hatten sich neben | |
Griechenland und Zypern auch Frankreich, Österreich und Dänemark | |
ausgesprochen. Diese Länder fordern seit Langem eine härtere Linie gegen | |
das türkische Regime. | |
Weil man sich nicht einigen konnte, wurden der Türkei neue Fristen im Juni | |
und September gesetzt, um die Verpflichtungen beim Austausch von | |
Steuerinformationen zu erfüllen. Diese Vorgabe soll am Mittwoch von den | |
EU-Botschaftern bestätigt und dann formal am Rande des | |
Außenministertreffens am Montag in Kraft gesetzt werden. | |
Aus dem Europaparlament kam scharfe Kritik. „Die Uhr für die Türkei ist | |
abgelaufen“, sagte der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. „Wenn wir als EU nur | |
deswegen Zugeständnisse machen, weil es sich um ein großes Nachbarland | |
handelt, ist die Liste das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist.“ | |
Es werde mit zweierlei Maß gemessen. | |
## „Einladung zur Steuerhinterziehung“ | |
Ähnlich äußerte sich der [3][grüne Finanzexperte Sven Giegold]. „Der | |
Aufschub für die Türkei ist eine Einladung zur Steuerhinterziehung vom | |
Bundesfinanzminister höchstpersönlich“, sagte er. „Je länger die Türkei | |
keine Steuerdaten übermitteln muss, desto größer der Steuerschaden für | |
Deutschland und Europa.“ | |
Giegold setzt sich auch dafür ein, die EU-Liste der Steuerparadiese zu | |
überarbeiten. „Ein Land, das keinen effektiven Mindeststeuersatz für | |
Unternehmen vorzuweisen hat, muss als Steueroase eingestuft werden“, sagte | |
er. Eine Definition dieser Art könnte sicherlich auch EU-Länder wie | |
Luxemburg, Malta oder die Niederlande in Bedrängnis bringen. | |
16 Feb 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Luxemburg-bleibt-Steueroase/!5746602 | |
[2] /Kampf-gegen-Steueroasen/!5457989 | |
[3] /Spitzenkandidat-der-Gruenen-Sven-Giegold/!5591803 | |
## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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