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# taz.de -- Bilanz über Junckers Rolle in der EU: Der Mann, der Europa liebte
> … und sich selbst erst recht: An Jean-Claude Juncker, dem scheidenden
> EU-Kommissionspräsidenten, gibt es einiges zu kritisieren.
Bild: Juncker gönnt sich eine „solide Erfolgsbilanz“
Fünf Jahre lang fühlte er sich unverstanden und ungeliebt. Nun will er noch
einmal versuchen, sich den Bürgern zu nähern: Jean-Claude Juncker, bei der
Europawahl 2014 der erste erfolgreiche „Spitzenkandidat“, zieht Bilanz.
Investitionen, Wachstum und Beschäftigung seien wieder auf
Vorkrisen-Niveau, außerdem wurde Griechenland im Euro gehalten. „Darauf bin
ich besonders stolz“, betont der 64-jährige Luxemburger.
Fast klingt es, als habe er, der letzte wahre Europäer, die Einheit der EU
und des Euro gerettet. In Wahrheit waren es Frankreich und Italien, die
sich gegen Ex-Finanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel
aufgelehnt und einen „Grexit“ verhindert haben. Doch das ficht Juncker
nicht an. Eine „solide Erfolgsbilanz“ schreibt er sich selbst zu. Damit
niemand sagen kann, er habe nicht gut gearbeitet, lässt er eine
Hochglanzbroschüre verteilen. Die „20 wichtigsten Errungenschaften“ sollen
auch den letzten Skeptiker überzeugen.
Trotz des Eigenlobs ist Juncker nicht ganz mit sich im Reinen. Zwei
Entscheidungen bedauere er, räumt er auf Nachfragen ein. Eine Entscheidung
betrifft die LuxLeaks – also den Luxemburger Steuerskandal, in dem auch
Junckers Name zitiert wurde und der seinen Start vergiftete. Da hätte er
sofort reagieren müssen, räumt der Ex-Premier des konzernfreundlichen
Großherzogtums ein. Warum er zögerte und was eine schnelle Antwort geändert
hätte, sagt er nicht.
Der zweite Seufzer gilt dem Brexit. „Ich habe zu sehr auf (den ehemaligen
britischen Premier) David Cameron gehört und mich nicht eingemischt“, so
Juncker. „Das war ein Fehler. Wenn wir reagiert hätten, wären wir die
Einzigen gewesen, die die Lügen (der Brexiters) widerlegt hätten.“ Nach
diesem „Mea Culpa“ gibt Juncker auch noch eine Empfehlung für die
Europawahl ab. „Bitte fragen Sie sich, was passieren würde, wenn alle so
abstimmen wie Sie. Wie würde Europa aussehen, wenn alle rechtsextrem
wählen?“ Es ist eine rhetorische Frage, man muss sie nicht beantworten.
## Was aus Brüssel kommt, ist gut
Eine eigene Verantwortung für das Erstarken der EU-Gegner sieht Juncker
aber nicht. Auf die Frage, warum Nationalisten und Populisten in Ländern
wie Italien, Österreich oder Ungarn an der Regierung sind, erklärt er, dies
sei nicht seine Schuld, sondern liege vor allem an nationalen Problemen.
Damit dreht der alte Europäer den Spieß einfach um: Was aus Brüssel kommt,
ist gut. Doch was die Mitgliedstaaten machen, ist im Zweifel schlecht.
Dabei liebt er sie doch alle – die 500 Millionen EU-Bürger, aber auch die
Staats- und RegierungschefInnen, denen er mal freundlich auf die Schulter
klopft, mal aufdringlich den Kopf küsst.
Nur auf einen ist er gar nicht gut zu sprechen: Emmanuel Macron. Auf die
Frage, ob er es nicht bedauere, dass die vielen Reformvorschläge des
französischen Staatschefs im Sande verlaufen sind, tut Juncker nicht einmal
so, als würde er eine diplomatische Antwort suchen. „Hat in Frankreich
irgendjemand auf meine letzte Rede reagiert?“, gibt er schnippisch zurück.
Fast klingt es so, als könne er es nicht verwinden, dass Macron als
Erneuerer Europas gilt – und er, Juncker, als Mann der Vergangenheit.
8 May 2019
## AUTOREN
Eric Bonse
## TAGS
Jean-Claude Juncker
Europäische Kommission
EU-Kommission
LuxLeaks
EU-Finanzpolitik
Schwerpunkt Europawahl
Grüne
EU
Europaparlament
Jean-Claude Juncker
EU-Kommission
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