# taz.de -- Konjunkturprognose der EU: Europa rutscht ungleich ins Minus | |
> Wo die Pandemie hart zuschlägt, wird auch die Wirtschaft am stärksten | |
> getroffen, sagt die EU-Kommission. Europa steht erneut vor einer | |
> Zerreißprobe. | |
Bild: Coffee to go in Mailand. In Italien und Spanien soll das BIP um mehr als … | |
BRÜSSEL taz | Die Europäische Union steuert auf ihre bisher tiefste | |
Rezession zu – und auf eine politische Zerreißprobe. „Europa erlebt einen | |
ökonomischen Schock, wie es ihn seit der Großen Depression nicht mehr | |
gegeben hat“, sagte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Mittwoch in | |
Brüssel. | |
Wegen der Coronakrise dürfte die Wirtschaftsleistung der 27 Mitgliedsländer | |
in diesem Jahr um 7,5 Prozent einbrechen, sagt Gentiloni voraus. Das wäre | |
deutlich mehr als in der Finanzkrise 2009 und könne zu Spannungen in der | |
Eurozone führen, warnte der Italiener. | |
[1][Der Corona-Schock erschüttert Europa nämlich nicht gleichmäßig. Am | |
schlimmsten dürfte es Italien und Spanien treffen.] Weil Covid-19 dort | |
besonders hart zugeschlagen hat und der Lockdown länger dauert, soll die | |
Wirtschaft in beiden Ländern um mehr als 9 Prozent schrumpfen. | |
Deutschland steht mit minus 6,5 Prozent vergleichsweise gut da. Auch Polen | |
kommt mit minus 4,3 Prozent glimpflich davon – genau wie Luxemburg, wo die | |
Wirtschaft um 5,5 Prozent einbricht. Generell sieht es in Osteuropa besser | |
aus als im Westen und im Norden besser als im Süden. | |
Problem: Ungleiche Erholung | |
„Diese Unterschiede sind eine Bedrohung für den gemeinsamen Markt und die | |
Eurozone“, sagte Gentiloni. Denn nicht nur der wirtschaftliche Absturz | |
verläuft unterschiedlich. Auch die für 2021 erwartete konjunkturelle | |
Erholung ist ungleich verteilt. | |
Während Deutschland die Verluste im kommenden Jahr fast wieder ausgleichen | |
dürfte (plus 5,9 Prozent), fallen Italien, Spanien und Frankreich zurück. | |
Hier schlägt der Tourismus zu Buche – wegen der Grenzschließungen und | |
Flugverbote droht eine verlorene Urlaubssaison. | |
Auch die Niederlande dürften sich nicht so schnell wieder erholen, da sie | |
stark vom Welthandel abhängig sind. Dabei ist Den Haag bisher – neben Paris | |
– der wichtigste Partner Deutschlands in der Eurozone. Wenn nun Frankreich | |
und die Niederlande als Zugpferde ausfallen und Italien und Spanien noch | |
mehr Schulden anhäufen, könnte dies zu massiven Spannungen in der Eurozone | |
führen. | |
Auch der Binnenmarkt ist gefährdet. Der Wettbewerb auf dem EU-Marktplatz | |
wird durch staatliche Beihilfen und Rettungsprogramme immer mehr verzerrt. | |
Während Deutschland ein Programm nach dem anderen auflegt, können die | |
anderen EU-Länder nicht mithalten. | |
Beihilfenmeister Deutschland | |
Schon jetzt entfielen mehr als 50 Prozent aller gemeldeten Beihilfen auf | |
das größte EU-Land, heißt es in Brüssel. Zudem starten die großen deutschen | |
Unternehmen schon wieder durch, während die Wirtschaft in Südeuropa, aber | |
auch in Großbritannien, noch am Boden liegt. | |
„Es ist extrem wichtig zu vermeiden, dass diese Krise die wirtschaftlichen, | |
sozialen und politischen Unterschiede vergrößert“, sagt Kommissionsvize | |
Valdis Dombrovskis. Die Erholung könne nur dann zum Erfolg werden, wenn | |
alle an einem Strang ziehen: „Gemeinsam sind wir stärker.“ | |
Doch die „starke und koordinierte Antwort“, die Dombrovskis und Gentiloni | |
fordern, lässt auf sich warten. [2][Die EU-Kommission wollte am Mittwoch | |
ursprünglich einen Vorschlag für ein neues EU-Budget vorlegen, das auch ein | |
„Recovery Instrument“ gegen die Krise enthalten soll.] | |
Der mit Spannung erwartete Entwurf wurde aber nicht rechtzeitig fertig, er | |
soll erst „in den nächsten Wochen“ folgen. Der Grund: Bundeskanzlerin | |
Angela Merkel hatte Bedenken. Merkel lehnt es ab, dass die EU-Kommission | |
wie geplant Schulden aufnimmt. Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat | |
versprochen, sich vor der Vorlage eines Entwurfs ganz eng mit ihrer | |
Parteifreundin abzustimmen. | |
Prognose für eine neue Coronawelle | |
„Wenn wir nicht schnell handeln, dann könnte das sehr negative Konsequenzen | |
haben“, warnt nun Gentiloni. Er sei jedoch zuversichtlich, dass bis Juni | |
eine Einigung gelingen könne. Von dieser Prämisse – weiteren EU-Maßnahmen … | |
geht auch die Konjunkturprognose aus. Sie basiert zudem auf der Annahme, | |
dass das Coronavirus auf dem Rückzug ist und die Wirtschaft wieder anläuft. | |
Doch was passiert, wenn im Herbst eine zweite Corona-Welle durch Europa | |
rollt und die Weltwirtschaft von Nationalismus und Protektionismus | |
erschüttert wird? Dann könnte die Rezession noch viel schlimmer ausfallen, | |
heißt es in Brüssel. Die Rede ist von bis zu minus 15 Prozent. | |
Das wäre dann noch mehr als in den 1930er Jahren. In der Großen Depression | |
schrumpfte die Weltwirtschaft im schlimmsten Jahr „nur“ um 10 Prozent. | |
6 May 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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