# taz.de -- EU-Rettungspaket und Corona: Rosige und rote Ansichten | |
> Finanzminister Olaf Scholz lobt den EU-Gipfel, doch aus der SPD kommt | |
> Kritik. Interessanterweise nicht nur von den üblichen Verdächtigen. | |
Bild: Sieht große Einigkeit in der EU: Finanzminister Scholz, hier bei einer S… | |
BERLIN taz | Finanzminister Olaf Scholz ist zufrieden. Die EU hat ein | |
540-Milliarden-Euro-Programm verabschiedet – für den SPD Mann ist das ein | |
Zeichen, dass die EU anders als in der Finanzkrise 2009 rasch handelt. | |
Dieser „ziemlich schnelle Schritt“ werde auch die Skepsis in Italien | |
zerstreuen. Die Stimmung „dreht sich allmählich“, so Scholz im | |
Radio-Interview. [1][Die EU-Chefs hätten sich nicht nur auf schnelle Hilfen | |
geeinigt, sondern wollen würde nun den EU-Haushalt nutzen, um die | |
niederliegende Wirtschaft in der EU wiederaufzubauen]. | |
Es sei „ein großer Fortschritt, dass darüber fast schon ein wenig Einigkeit | |
in der EU besteht.“ Es ist gut – und es wird noch besser, so die frohe | |
Botschaft. Ganz so rosig wie Scholz sehen das nicht alle in der SPD. Der | |
SPD-Europaabgeordnete Udo Bullmann ist nach dem EU-Gipfel enttäuscht. Er | |
vermisst bei den EU-Staats- und Regierungschefs Mut und die Einsicht, dass | |
es ohne Gemeinschaftsanleihen nicht geht. | |
Auch das 540-Milliarden-Programm, das am 1. Juni abrufbar sein soll, | |
überzeugt nicht alle. Denn das ist zum Teil eine Luftbuchung. Maximal 100 | |
Milliarden Euro soll es in der ganzen EU per Kredit für Kurzarbeit geben. | |
Maximal 200 Milliarden sollen an Firmen als Kredit vergeben werden, wobei | |
unklar ist, ob die Kreditkriterien flexibel genug gefasst werden. Die | |
ESM-Kredite, mit 240 Milliarden Euro veranschlagt, werden mit Sicherheit | |
nicht annähernd ausgeschöpft. Reichere Länder brauchen sie nicht, ärmere | |
wollen sie eventuell nicht. [2][Und selbst wenn Italien seinen Widerstand | |
gegen den verhassten ESM aufgibt], könnte es nur knapp 35 Milliarden an | |
ESM-Krediten bekommen. | |
Michael Schrodi, SPD-Bundestagsabgeordneter im Finanzausschuss, hält das | |
für zu wenig. „Allein unser Nachtragshaushalt umfasst 156 Milliarden Euro“. | |
Auch Achim Truger, einer der fünf Wirtschaftsweisen und SPD-Mitglied, | |
beurteilt die Reichweite des Pakets skeptisch: „Das 540-Milliarden-Programm | |
ist nur ein politisch gesichtswahrender Kompromiss“ so Truger zur taz. | |
Lieber Streit in Brüssel als in Berlin | |
Denn die Corona-Krise wird wuchtiger und härter als die Finanzkrise 2008. | |
Die EZB rechnet mit einer scharfen Rezession. Die Wirtschaft in der EU | |
könne 2020 bis zu 15 Prozent schrumpfen. | |
Gegen den wirtschaftlichen Crash nach der Pandemie soll nun ein | |
Wiederaufbaufond im EU-Haushalt helfen. Für Wirtschaftsexperten Truger ist | |
dieser Fond „das entscheidende Mittel, um die Rezession zu bekämpfen. Der | |
wird nur funktionieren, wenn das Volumen groß genug ist. Wenn Kredite | |
vergeben werden, müssen die Laufzeit sehr lang sein.“ Doch wie und mit wie | |
viel der Fonds ausgestaltet wird, ist offen. Verhandlungen um den | |
EU-Haushalt sind komplex und langwierig. Das Kalkül von Merkel und Scholz | |
ist offenbar auch, mit der Verlagerung auf den EU-Haushalt den Streit um | |
das Geld aus innenpolitischen Arena zu entfernen. | |
Merkel hat nach dem Gipfel gemeinsame Schulden der EU-Staaten nochmal | |
ausdrücklich ausgeschlossen. Der SPD-Linke Schrodi hält das für fatal. | |
„Merkel muss sich ehrlich machen. Wir haben mit dem ESM faktisch längst | |
gemeinschaftliche Anleihen. Merkel hat Angst der deutschen Öffentlichkeit | |
zu erklären wie die EU-Finanzen funktionieren und was nötig ist. Eine große | |
Kanzlerin würde das in diesem Moment tun“. | |
Interessant ist, dass nicht nur SPD-Linke Scholz Optimismus widersprechen. | |
Auch Achim Post, Chef der einflussreichen Landesgruppe NRW in der | |
Bundestagsfraktion und eher ein SPD-Rechter, klingt anders als der | |
Finanzminister. Den EU-Gipfel hält er für „ernüchternd“. Merkel habe blo… | |
erklärt was nicht gehe, „ohne auf die Wiederaufbaufonds einzugehen“. Die | |
Wiederaufbauprogramme müssen „in erheblichem Umfang auf neuen gemeinsamen | |
europäischen Anleihen“ beruhen. | |
Der Streit um die Finanzierung der Anti-Crash-Maßnahmen hat erst begonnen. | |
In der EU. Und in der SPD. | |
24 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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