| # taz.de -- EU-Streit um Coronabonds: Kein Land geht pleite | |
| > Die Forderung nach gemeinsamen europäischen Staatsanleihen lässt bei | |
| > Deutschen die Alarmglocken schrillen. Warum Coronabonds notwendig sind. | |
| Bild: Europabefürworterin in Berlin: Keine Angst vor Coronabonds | |
| Superlative wirken immer etwas gewagt und oft auch albern. Trotzdem: Am | |
| Thema „Coronabonds“ entscheidet sich, ob Europa noch eine Zukunft hat. An | |
| diesem Donnerstag, wenn sich die Regierungschefs per Video treffen, wird es | |
| zentral um diese [1][Coronabonds] gehen. Mal mehr, mal weniger | |
| verklausuliert. | |
| Coronabonds wären Staatsanleihen, die die EU oder die Eurozone gemeinsam | |
| ausgeben. Die Zinsen wären sehr niedrig, weil die Wirtschaftskraft ganz | |
| Europas dahintersteht. Vor allem Frankreich, Spanien und Italien drängen | |
| auf diese Lösung – was bei vielen Deutschen die Alarmglocken schrillen | |
| lässt: Müssen „wir“ dann für einen Populisten wie [2][Matteo Salvini] | |
| zahlen, falls er die Macht in Italien übernehmen sollte? Viele Bundesbürger | |
| stellen sich vor, dass der Neofaschist die europäische Scheckkarte zücken | |
| könnte, um Wohltaten an sein Volk zu verteilen. | |
| Diese Sorgen und Klischees sind unbegründet. Erstens: Coronabonds wären nur | |
| dazu da, [3][die Schäden] durch die Pandemie zu beheben. Es geht weder um | |
| vergangene noch künftige Staatsschulden. Zweitens: Italien hat in den | |
| vergangenen zwanzig Jahren eisern gespart – und zwar deutlich härter als | |
| Deutschland. Drittens: Selbst Populisten wie Silvio Berlusconi haben den | |
| italienischen Staatshaushalt zusammengekürzt. | |
| Was stimmt: Italien hat hohe Staatsschulden – aber die sind uralt. Sie | |
| stammen noch aus der Zeit der Lira und wurden immer verlässlich bedient. | |
| Doch von diesen historischen Argumenten lassen sich viele Deutsche nicht | |
| überzeugen. Sie verweisen auf ein Paradox: Wenn die Italiener tatsächlich | |
| so gut wirtschaften – warum haben sie dann Probleme, Kredite zu günstigen | |
| Zinsen zu bekommen? | |
| ## Finanzinvestoren folgen Herdentrieb | |
| Diese Frage ist verständlich, geht aber völlig in die Irre, weil sie | |
| implizit annimmt, dass die Finanzmärkte rational wären. Doch das Gegenteil | |
| ist richtig: Die Finanzinvestoren folgen dem Herdentrieb. Selbst gesunde | |
| Staaten können in den Konkurs getrieben werden. | |
| Es setzt ein Teufelskreis ein: Die Investoren fürchten, dass Italien in die | |
| Pleite rutschen könnte, also verlangen sie hohe Zinsen. Doch diese hohen | |
| Zinsen sorgen dafür, dass Italien seine Schulden nicht bedienen kann und | |
| tatsächlich pleite wäre. Eine Prophezeiung erfüllt sich selbst. | |
| Im Moment verhindert die Europäische Zentralbank den Eurocrash, indem sie | |
| italienische Staatsanleihen aufkauft, um die Zinsen zu drücken. Aber das | |
| ist keine Dauerlösung. Gebraucht werden Coronabonds. Denn damit würden die | |
| EU-Chefs den Finanzinvestoren signalisieren: Kein Land geht pleite. Ende | |
| der Durchsage. | |
| 23 Apr 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Ulrike Herrmann | |
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