# taz.de -- Italiens Regierung lehnt ESM-Hilfen ab: Taktisches „Nein“ | |
> Die italienische Regierung hält die ESM-Hilfen für inadäquat. Mit der | |
> Rechtsopposition im Nacken plädiert sie für Corona-Bonds. | |
Bild: Italiens Premier Giuseppe Conte nach einer Pressekonferenz Mitte März | |
ROM taz | Wie weit trägt der Kompromiss, der letzte Woche in der Eurogruppe | |
gefunden wurde? Nicht allzu weit, wenn man zumindest den Stimmen sowohl aus | |
der italienischen Regierung als auch aus der Opposition glauben darf. | |
Gewiss, auch Italiens Finanzminister Roberto Gualtieri von der Partito | |
Democratico (PD) stimmte dem Maßnahmenbündel aus dem neuen europäischen | |
Programm „Sure“ zu. Dies beinhaltet die Absicherung von Arbeitslosen, | |
Interventionen der Europäischen Investitionsbank (EIB) in Höhe von 200 | |
Milliarden Euro und schließlich auch die Nutzung des Europäischen | |
Stabilitätsmechanismus (ESM). | |
Doch kaum hatte Italien Ja gesagt, kam das Nein gleich hinterher. Die | |
wirkliche Lösung seien [1][europäische Bonds] zur Finanzierung des | |
ebenfalls auf dem Eurogruppen-Gipfel ins Auge gefassten European Recovery | |
Fund. Das verkünden Gualtieri jetzt ebenso wie Ministerpräsident Giuseppe | |
Conte. Und beide zeigen bisher wenigstens öffentlich wenig Lust, überhaupt | |
auf die Mittel des ESM – für Italien stünden 39 Milliarden Euro zur | |
Verfügung – zurückzugreifen. | |
„Inadäquat“ sei der ESM, ließ Gualtieri wissen, „er hat nicht die adäq… | |
Dimension“. Die EU müsse darüber reden, Mittel bis zu 1,5 Billionen Euro | |
lockerzumachen. „Nicht in Anspruch nehmen“ werde jedenfalls Italien selbst | |
den ESM, verkündete auch Antonio Misiani, Staatssekretär im | |
Finanzministerium und auch von der PD. Zwar konnte Italien in der | |
Eurogruppe durchsetzen, dass die ESM-Mittel nicht an Bedingungen geknüpft | |
freigegeben werden sollen – also ohne die Auflagen einer Troika wie im | |
Falle Griechenlands oder Spaniens während der Eurokrise. Doch diese | |
Schlacht habe die italienische Regierung nur im Namen anderer, womöglich | |
auf den ESM angewiesener Länder geführt, heißt es in Rom. | |
Vorneweg sitzt Conte und Gualtieri die Rechtsopposition im Nacken, | |
[2][Matteo Salvinis Lega] und die von Giorgia Meloni geführten | |
postfaschistischen, stramm nationalistischen Fratelli d’Italia (FdI, Brüder | |
Italiens). „Hochverrat“ habe die Regierung begangen, tönte Meloni nach dem | |
Eurogruppen-Gipfel, und Salvini sprach von einer „dramatischen Hypothek auf | |
die Zukunft“. „Wir sind mittlerweile in einer Diktatur im Namen des Virus�… | |
wetterte er und kündigte ein Misstrauensvotum gegen Gualtieri an. | |
Vielleicht kommen diese Töne der Regierung gar nicht so unrecht, machen sie | |
doch womöglich Europa klar, in welche Richtung die öffentliche Meinung in | |
Italien zu driften droht. Mittlerweile sind dort zwei Drittel der Bürger | |
der Auffassung, die EU habe Italien auch in der Coronakrise mal wieder | |
alleingelassen, und der rechte Parteienblock liegt in allen Umfragen bei | |
etwa 50 Prozent – würde jetzt gewählt, so hieße Italiens Ministerpräsident | |
Matteo Salvini. | |
So ist Italiens Nein zum ESM durchaus als vorläufig zu verstehen, vorläufig | |
bis zum Rat der EU-Staats- und Regierungschefs am 23. April. | |
14 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Michael Braun | |
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