# taz.de -- 500 Milliarden Euro für Europa: Das Geld wird nicht reichen | |
> Wieso Italien und Spanien Hilfe brauchen und warum es dennoch keine | |
> Coronabonds gibt. Zehn Fragen und Antworten zur EU-Finanzpolitik. | |
Bild: Das Euro-Hilfsprogramm (winziger Auschnitt) | |
Es ging ums Ganze: Wochenlang sah es aus, als sei Europa nicht fähig, sich | |
in der Coronakrise solidarisch zu zeigen. Doch nun haben sich [1][die | |
Euro-Finanzminister geeinigt]. 10 Fragen und Antworten erläutern die | |
wichtigsten Punkte. | |
1. Wer hat sich durchgesetzt? | |
Der Kompromiss entspricht [2][den deutschen Vorstellungen]. | |
2. Um wie viel Geld geht es? | |
Offiziell heißt es, dass EU und Eurozone 500 Milliarden Euro mobilisieren | |
wollen. Tatsächlich dürfte weniger Geld fließen. | |
3. Um welche Maßnahmen geht es konkret? | |
Wichtigster Baustein ist der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). | |
Dieser „Rettungsschirm“ wurde 2012 während der Eurokrise gegründet und | |
stellt jetzt 200 Milliarden Euro zur Verfügung. Doch wahrscheinlich wird | |
nicht das ganze Geld abgerufen, denn jedes Euroland darf nur ESM-Kredite in | |
Höhe von maximal 2 Prozent der eigenen Wirtschaftsleistung aufnehmen. Für | |
Italien wären dies 39 Milliarden Euro, für Spanien 28 Milliarden. | |
4. Welche Hilfen gibt es noch? | |
Die EU-Kommission wird ein Programm namens „Sure“ auflegen, das 100 | |
Milliarden Euro umfasst. Dabei handelt es sich um Kredite, mit denen | |
schwache EU-Länder dann ein Kurzarbeitergeld finanzieren können. Außerdem | |
soll die Europäische Investitionsbank die Möglichkeit erhalten, Kredite | |
über insgesamt 200 Milliarden an kleine und mittlere Unternehmen | |
auszureichen. | |
5. Warum konnten sich die Finanzminister der Eurozone lange nicht einigen? | |
Vor allem [3][die Niederlande bestanden hartnäckig darauf], dass die | |
ESM-Kredite an Konditionen geknüpft werden. So sollten die hilfebedürftigen | |
Länder ihren Arbeitsmarkt oder ihr Rentensystem reformieren. Spanien und | |
Italien waren jedoch nicht bereit, sich wieder einer Art „Troika“ zu | |
unterwerfen. Als Kompromiss wurde beschlossen, dass eine einzige Bedingung | |
zu erfüllen ist: Die ESM-Kredite dürfen nur dazu verwendet werden, die | |
direkten und indirekten Gesundheitskosten abzudecken, die durch die | |
Corona-Epidemie entstehen. | |
6. Warum brauchen Italien oder Spanien überhaupt Hilfe? | |
Beide Staaten gehören zu den reichsten Industrieländern der Welt. Trotzdem | |
können sie in die Pleite rutschen, weil die Finanzanleger panisch sind. Die | |
Wirkungskette ist fatal: Banken und Versicherungen wollen keine neuen | |
Kredite gewähren, weil Italien und Spanien schon relativ hohe | |
Staatsschulden aufweisen. Bei Spanien entsprechen sie knapp 100 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung, bei Italien sind es 136 Prozent. Wenn jedoch fast | |
niemand spanische oder italienische Staatsanleihen kauft, beginnt das | |
Gesetz von Angebot und Nachfrage zu wirken: Die Zinsen schießen in die | |
Höhe. Die Kredite werden so teuer, dass Spanien und Italien keine neuen | |
Schulden aufnehmen können, um die ökonomischen Folgen der Coronapandemie zu | |
bekämpfen. Die Finanzanleger provozieren jene Staatspleite, die sie selbst | |
so fürchten. | |
7. [4][Viele Ökonomen favorisieren Coronabonds]. Wieso? | |
Coronabonds würden von der gesamten Eurozone gemeinsam ausgegeben. Für | |
Finanzanleger wäre es also nicht möglich, gegen einzelne Eurostaaten zu | |
spekulieren. Dieser Vorteil bewegt die Ökonomen zu ganz neuen Allianzen: | |
Neoliberale und Keynesianer haben gemeinsam Papiere verfasst, um | |
Coronabonds in Höhe von 1 Billion Euro zu fordern. Dies würde 8 Prozent der | |
Wirtschaftsleistung in der Eurozone entsprechen. Coronabonds wären gar | |
nicht neu: Michael Hüther vom arbeitgebernahen Institut der deutschen | |
Wirtschaft verweist darauf, dass die Europäische Gemeinschaft bereits | |
1974 eine Anleihe emittiert hat, um die Konsequenzen der Ölkrise zu | |
bekämpfen. | |
8. Wie geht es weiter? | |
Die Finanzminister wissen, dass ihre Beschlüsse nicht ausreichen, um den | |
Coronafolgen zu begegnen. Sie planen daher einen „Wiederaufbaufonds“, um | |
die Konjunktur in den besonders hart getroffenen Ländern anzukurbeln. | |
Allerdings ist unklar, wie der Fonds finanziert werden soll: Deutschland, | |
die Niederlande, Österreich und Finnland lehnen Coronabonds ab. Die | |
Finanzminister haben es daher ihren Regierungschefs überlassen, den | |
Wiederaufbaufonds voranzutreiben. | |
9. Und was macht die EZB? | |
Die Europäische Zentralbank hat bereits am 18. März beschlossen, weitere | |
750 Milliarden Euro einzusetzen, um Staatsanleihen aufzukaufen und die | |
Zinsen nach unten zu drücken. Momentan erwirbt sie vor allem italienische | |
und auch spanische Papiere. Ohne die EZB-Interventionen hätte sich die | |
Eurokrise längst wiederholt – nur noch schlimmer. | |
10. Besteht die Gefahr, dass die Eurozone auseinanderbricht? | |
Das ist unwahrscheinlich. Der Schaden wäre für alle zu groß. Aber die | |
Wirtschaft in ganz Europa leidet, wenn große Länder in die Dauerkrise | |
abstürzen. Italien und Spanien gehören zu den wichtigsten Handelspartnern | |
Deutschlands. | |
10 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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