# taz.de -- Coronapaket der EU-Finanzminister: „Eurobonds“ tauchen nicht auf | |
> Im Vergleich zu den deutschen Wirtschaftshilfen ist das Coronaprogramm | |
> der EU bescheiden. Aber: Es gibt eine Einigung – und auch einen | |
> Lichtblick. | |
Bild: Wird das „Rettungspaket“ der Eurozone ausreichen? | |
BRÜSSEL taz | Ohne Drama geht es in der EU nicht, auch nicht in der | |
Coronakrise. Drei Tage lang stritten die Finanzminister der Eurozone | |
erbittert über Kredite, Konditionen und Institutionen, bis sie sich | |
schließlich in der Nacht zu Freitag auf ein rund 500 Milliarden Euro | |
schweres Hilfspaket geeinigt haben. Es sieht Hilfen auf drei Ebenen vor: | |
für Arbeitnehmer (100 Milliarden Euro), kleine und mittelständische | |
Unternehmen (200 Milliarden) sowie klamme Staaten wie Italien oder Spanien | |
(bis zu 240 Milliarden). | |
Für die Beschäftigten ist ein Kurzarbeitergeld nach deutschem Vorbild | |
geplant. Die Firmen bekommen Geld von der Europäischen Investitionsbank. | |
Und die Staaten dürfen den Euro-Rettungsfonds ESM anzapfen. | |
Die Einigung wurde nur möglich, weil sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, | |
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron und der niederländische Premier Mark | |
Rutte persönlich einschalteten und um wohlklingende Kompromisse bemühten. | |
Italiens Regierungschef Giuseppe Conte und Spaniens Premier Pedros Sanchez | |
hatten zuvor vor einem Scheitern der EU und des Euros gewarnt. Wenn man | |
sich nicht solidarisch zeige, so Conte, “müssen wir Europa abschreiben, und | |
jeder macht sein Ding“. | |
[1][Der massive Druck aus Südeuropa] reichte allerdings nicht aus, um | |
gemeinsame Anleihen („Coronabonds“) oder ähnliche Formen finanzieller | |
Solidarität durchzusetzen. Das Wort Coronabonds taucht im Ergebnisprotokoll | |
der Eurogruppe nicht einmal auf. | |
## Beerdigung zweiter Klasse | |
Stattdessen versprechen die Finanzminister einen „Wiederaufbau-Fonds“. | |
Dieser „Recovery Fund“ soll aus Mitteln des EU-Budgets sowie mit | |
„innovativen Instrumenten“ finanziert werden, heißt es vage im | |
Eurogruppen-Bericht. Das letzte Wort sollen aber die Staats- und | |
Regierungschefs haben. | |
In der Praxis bedeutet dies eine Beerdigung zweiter Klasse. Merkel hatte | |
noch am Donnerstag ihren Widerstand gegen gemeinsame Anleihen bekräftigt. | |
Auch der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra bleibt hart: | |
“Eurobonds sind etwas, was für mich nicht in Ordnung war, nicht in Ordnung | |
ist und auch nie in Ordnung sein wird.“ | |
An Hoekstra wäre beinahe sogar das gesamte Paket gescheitert. Der als | |
Hardliner bekannte Holländer wollte durchsetzen, [2][dass Hilfen aus dem | |
ESM nur gegen strikte Konditionen gewährt werden,] wie schon in der | |
Eurokrise. Dazu zählen Sparprogramme, Rentenkürzungen und Privatisierungen. | |
## Budget-Disziplin ohne Troika | |
Anders als in der Eurokrise rückte Deutschland diesmal jedoch von harten | |
Bedingungen ab. Finanzminister Olaf Scholz sagte, man wolle keine Troika | |
nach Italien senden. Allerdings forderte auch er zunächst | |
„Budget-Disziplin“ und eine Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten nach der | |
Krise. | |
Als Kompromiss wurde nun vereinbart, dass ESM-Kredite zwar nicht an | |
Bedingungen gebunden sind, das Geld aber nur für direkte und indirekte | |
Gesundheitskosten genutzt werden darf. Das Programm soll bereits in zwei | |
Wochen bereit stehen, sage ESM-Chef Klaus Regling. | |
Allerdings ist unklar, ob es überhaupt in Anspruch genommen wird. Denn der | |
ESM vergibt nur Kredite, die zurückgezahlt werden müssen und den | |
Schuldenstand erhöhen. Für Italien dürfte dies wenig attraktiv sein – schon | |
jetzt liegt die Schuldenquote mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung | |
bedenklich hoch. | |
## Hoffnung liegt auf der EZB | |
Wesentlich interessanter ist das Corona-Sonderprogramm der Europäischen | |
Zentralbank, das den Euroländern eine fast unbegrenzte Kreditaufnahme | |
ermöglicht. Auch im Vergleich zu deutschen Wirtschaftshilfen ist das | |
„Rettungspaket“ der Eurozone bescheiden. Mit über einer Billionen Euro ist | |
der Scholz-Plan schon jetzt fast doppelt so groß wie die nun beschlossenen | |
Maßnahmen. | |
Die Reaktionen fielen gemischt aus. Während der CSU-Europaabgeordnete | |
Manfred Ferber von „ausgewogenen und angemessenen“ Hilfen sprach, | |
kritisierte der grüne Finanzexperte Sven Giegold den Plan als unzureichend. | |
Nur der Wiederaufbau-Fonds sei „ein Lichtblick“. Allerdings könne er noch | |
zerredet werden, weil Umfang und Finanzierung dieses Fonds letztlich offen | |
geblieben sind. | |
10 Apr 2020 | |
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## AUTOREN | |
Eric Bonse | |
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