| # taz.de -- Roma-Mahnmal in Gefahr: Gedenken bleibt auf der Strecke | |
| > Der Bahn AG ist das Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma im | |
| > Tiergarten im Weg. Protestschreiben gegen einen möglichen Eingriff / | |
| > Update: 23.05. | |
| Bild: Das Mahnmal im Tiergarten, im Hintergrund das Reichstagsgebäude | |
| Das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma | |
| Europas im Tiergarten ist bedroht: Weil in einigen Jahren unter dieser | |
| Stelle in der Nähe des Reichstagsgebäudes der neue S-Bahn-Tunnel zwischen | |
| Hauptbahnhof und Potsdamer Platz gebaut werden soll, soll die Anlage nach | |
| den aktuellen Plänen der Deutschen Bahn AG temporär entfernt oder in Teilen | |
| gesperrt werden. Beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma stößt das auf | |
| Empörung und Widerstand. | |
| Hintergrund ist der lange unklare und [1][erst Ende Januar festgelegte | |
| Verlauf der künftigen S21], die den Hauptbahnhof endlich auch in | |
| Nord-Süd-Richtung an das S-Bahn-Netz anschließen soll. Nach Norden hin ist | |
| die Verbindung zur Ringbahn fast fertiggestellt, nach Süden stand den | |
| Planungen lange Zeit die Frage im Weg, wie der Reichstag unterirdisch | |
| umfahren werden soll. | |
| Die Lösung, die schließlich vom Bundestag, dem Land Berlin und der | |
| Deutschen Bahn AG vereinbart wurde, sieht vor, dass sich der Tunnel nach | |
| der Spree-Unterquerung in zwei Arme spaltet, die westlich und östlich am | |
| Parlamentsgebäude vorbeiführen. Südlich davon laufen sie wieder zusammen. | |
| Ab hier wird das Tunnelbauwerk in offener Bauweise fortgeführt – und hier | |
| steht seit 2012 das Mahnmal für die Sinti und Roma. | |
| An dieses wurde von den PlanerInnen offenbar überhaupt nicht gedacht. Die | |
| für seine Betreuung zuständige Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden | |
| Europas und der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma luden daraufhin Anfang | |
| März VertreterInnen der DB, des Bundestags, der Kulturstaatsministerin, der | |
| Senatsveraltung für Stadtentwicklung und des Bezirksamts Mitte zu einem | |
| klärenden Gespräch. | |
| „Ich habe die Vertreter der DB bei diesem Gespräch gar nicht als stur | |
| erlebt, sondern als völlig verblüfft“, erinnert sich die für Grünflächen | |
| zuständige Bezirksstadträtin Sabine Weißler (Grüne), die von so viel | |
| Nonchalance offenbar selbst verblüfft war: „Die hatten einfach nicht | |
| erwartet, dass es problematisch sein könnte, wenn das Mahnmal tangiert | |
| wird.“ | |
| Anscheinend rückte die DB nach dem Gespräch davon ab, das von dem | |
| israelischen Künstler Dani Karavan gestaltete Mahnmal vollständig abbauen | |
| zu lassen. Stattdessen würde die Baugrube nun scharf am Rand des | |
| kreisrunden Wasserbeckens in der Mitte des Denkmals vorbeiführen, Teile | |
| davon wären dann nicht mehr begehbar. Kommuniziert wurde das offenbar nur | |
| der Denkmal-Stiftung, nicht aber dem Zentralrat. | |
| ## „Nicht akzeptabel“ | |
| Für die Familien der Opfer sei dieser Eingriff nicht akzeptabel, schrieben | |
| Zentralrat und Denkmal-Stiftung nun in einem gemeinsamen Brief an den | |
| Bahnvorstand, von dem die taz Kenntnis hat. Der Wissenschaftliche Leiter | |
| des Zentralrats, Herbert Heuß, bestätigte auf Nachfrage die Existenz des | |
| Schreibens und bekräftigte die Sicht seines Verbands, dass auch eine | |
| Teilschließung des Mahnmals nicht in Frage komme. | |
| „Das Denkmal ist ein guter und wichtiger Ort für die Sinti und Roma, für | |
| Teile der Mehrheitsgesellschaft und für Berlin“, so Heuß zur taz. Viele | |
| Angehörige von Opfern suchten es regelmäßig auf, viele Schulklassen gingen | |
| dorthin. Die deutschen Sinti und Roma hätten sehr lange um diesen | |
| Erinnerungsort kämpfen müssen. | |
| Auch Stadträtin Weißler findet, die derzeitige DB-Planung sei „für die | |
| Sinti und Roma eine Katastrophe. Das verstehe ich.“ Sie hoffe noch auf | |
| einen neuen Vorschlag der Bahn, könne allerdings nicht nachvollziehen, dass | |
| es seit März kein weiteres Gesprächsangebot gegeben habe: „Da hätte man | |
| längst schon mal eine Videokonferenz machen können.“ | |
| Ob der S-Bahn-Tunnel an dieser Stelle aus technischen oder aus | |
| Kostengründen oberirdisch gebaut wird – wofür auch viele Bäume im | |
| Tiergarten gefällt werden müssen – ist unklar. Der Konzernbevollmächtigte | |
| der Deutschen Bahn für Berlin, Alexander Kaczmarek, war am Freitag nicht zu | |
| erreichen. | |
| Update 23.05.: Mittlerweile hat Alexander Kaczmarek gegenüber der taz | |
| Stellung bezogen. Er schreibt: „Wir wissen um die herausragende Bedeutung | |
| des Denkmals und sind seit Monaten in Gesprächen mit dem Zentralrat | |
| Deutscher Sinti und Roma und weiteren Beteiligten. Für die Trassenführung | |
| des neuen S-Bahn-Tunnels durch das Regierungsviertel haben wir verschiedene | |
| Varianten vorgelegt. Zuletzt als Ergebnis einer gemeinsamen Besprechung bei | |
| der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, die das Denkmal | |
| betreut. | |
| Ich bin zuversichtlich, dass wir, wie schon zuvor mit der Baukommission des | |
| Deutschen Bundestages für den Bereich des Reichstagsgebäudes, gemeinsam zu | |
| einer guten Lösung kommen. Zeitlich befinden wir uns noch lange vor dem | |
| gesetzlich geforderten Beteiligungs- und offiziellen | |
| Planfeststellungsverfahren. Die neue City-S-Bahn als zweite | |
| Nord-Süd-Verbindung ist eines der wichtigen Zukunftsprojekte für das | |
| Schnellbahnnetz Berlins.“ | |
| 22 May 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Claudius Prößer | |
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