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# taz.de -- EZB-Entscheid vom Bundesverfassungsgericht: Von der Leyen wird grü…
> Wie es nach dem Urteil zur EZB weitergeht, ist offen. Ein
> Vertragsverletzungsverfahren ist möglich, ein Showdown ist aber
> unwahrscheinlich.
Bild: Steht nach dem deutschen Urteil vor schweren Entscheidungen: Ursula von d…
Die EU-Kommission hat noch nicht entschieden, ob sie ein
Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten wird. Am
Wochenende [1][hatte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine
entsprechende Prüfung angekündigt]. Anlass ist das [2][Urteil des
Bundesverfassungsgerichts] zu den Anleihekaufprogrammen der Europäischen
Zentralbank (EZB). Die Verfassungsrichter hatten vorige Woche erklärt, ein
Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), mit dem das EZB-Programm
gebilligt wurde, sei wegen grober methodischer Mängel nicht verbindlich.
Die EU-Kommission betrachtet sich – zusammen mit dem Europäischen
Gerichtshof in Luxemburg – als Hüterin der Verträge. Wenn ein nationales
Gericht die Rechtsprechung des EuGH bewusst missachtet, sieht sie darin
einen gefährlichen Präzedenzfall. Um den Vorrang des EU-Rechts
durchzusetzen, könnte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren
gegen Deutschland einleiten. Adressat des Verfahrens ist weder das
Bundesverfassungsgericht noch die Bundesregierung, sondern die
Bundesrepublik Deutschland als EU-Mitgliedstaat.
Ein solches Verfahren ist auch möglich, wenn es um Gerichtsurteile geht.
Bei den regimetreu gewendeten Verfassungsgerichten in Polen und Ungarn
leuchtet das unmittelbar ein. Aber auch das Bundesverfassungsgericht hat
hier trotz seines guten Rufs keine Sonderstellung.
Da Gerichtsurteile schwer zu korrigieren sind und der Konflikt zwischen
EuGH und Bundesverfassungsgericht schon lange schwelt, wird sich die
EU-Kommission mit der Prüfung wohl Zeit lassen. Es gibt auch noch keinen
Termin, an dem sich die 26 Kommissare mit dem Fall befassen werden.
Vermutlich wird die Kommission zunächst beobachten, ob die EZB die von
Karlsruhe geforderte Verhältnismäßigkeitsprüfung für ihr Ankaufprogramm
nachliefert und ob sich die Verfassungsrichter damit dann zufrieden geben.
Nur die EU-Kommission und andere EU-Staaten können
Vertragsverletzungsverfahren einleiten. Klagen von EU-Staaten sind
allerdings extrem selten. Das Europäische Parlament kann ein solches
Verfahren nicht initiieren. Falls es zu einem Verfahren kommt, verläuft das
in mehreren Phasen: Zunächst fordert die Kommission den Staat auf, sich zu
dem Vorwurf zu äußern. Wenn dessen Antwort nicht überzeugt, gibt die
EU-Kommission eine begründete Stellungnahme ab.
## Zwangsgelder sind möglich
Wenn der Staat immer noch nicht nachgibt, kann ihn die EU-Kommission beim
EuGH verklagen. Der EuGH stellt dann endgültig fest, ob eine
Vertragsverletzung vorliegt. Falls der Staat auch eine Verurteilung durch
den EuGH ignoriert, kann die EU-Kommission die Verhängung von Zwangsgeldern
beantragen, über die ebenfalls der EuGH entscheidet. Diese müssen dann so
lange bezahlt werden, bis der Verstoß abgestellt ist.
Das Verfahren wäre besonders heikel, weil hier der EuGH in eigener Sache
entscheiden müsste. Es geht ja darum, ob er das letzte Wort hat oder ob er
unter der Aufsicht nationaler Verfassungsgerichte steht. Dennoch würde der
EuGH sich sicher nicht für befangen erklären – so wie sich ja auch das
Bundesverfassungsgericht nicht für befangen erklärt hat, als es sich über
den EuGH erhob.
Einen Showdown zwischen Luxemburg und Karlsruhe wollen aber wohl alle
Beteiligten vermeiden – schon wegen der gemeinsamen Sorge um die abnehmende
Rechtsstaatlichkeit in Osteueropa. Kommissionspräsidentin von der Leyen
stehe in Kontakt mit der Bundesregierung und der Kanzlerin, sagte ein
Sprecher der Brüsseler Behörde am Montag.
## Giegold warnt vor Eskalation
Versöhnliche Töne schlug auch der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold an.
„Es geht nicht um eine Drohung oder gar um eine Bestrafung – das wäre
absurd“, sagte er der taz. „Es geht mir darum, eine kooperative Lösung zu
finden.“ Eine Möglichkeit wäre, dass die Bundesregierung ein Angebot für
eine gemeinsame Fiskalpolitik in der Eurozone macht. „Das wäre eine
vertrauensbildende Maßnahme.“
Wenn sich Berlin nicht bewege, könne dies allerdings verheerende Folgen
haben, so Giegold. Im schlimmsten Fall müsse die Bundesbank dann in drei
Monaten aus dem Anleiheprogramm aussteigen. „Das würde das Vertrauen
erschüttern, dass Deutschland noch voll zur Währungsunion steht“, sagte der
Abgeordnete. „Diese Eskalation muss unbedingt vermieden werden.“
12 May 2020
## LINKS
[1] /EU-erwaegt-Verfahren-gegen-Deutschland/!5681608
[2] /Verfassungsrichter-zu-Anleihekaeufen/!5682971
## AUTOREN
Eric Bonse
Christian Rath
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