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# taz.de -- Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Geldpolitik, das sind wir
> Was gute Geldpolitik ist, bestimmt am Ende die EZB selbst: Das mag in
> einem demokratisch verfassten Staatswesen aufstoßen, ist aber
> unvermeidlich.
Bild: Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Dienstag macht deutlich, dass
wir uns von der wirtschaftspolitischen Lebenslüge verabschieden müssen, man
könne Geld- und Wirtschaftspolitik sauber trennen und rechtsfest
definieren, was Geldpolitik sei. Das Gericht hatte geurteilt, [1][dass die
Anleihen-Käufe der EZB teilweise nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind].
Geldpolitik war historisch Geldmengensteuerung, heute versuchen die
Zentralbanken der Welt, bestimmte Zinsen und damit
Vermögensanlageentscheidungen so zu steuern, dass Preisstabilität herrscht.
In geldpolitischen Normalzeiten genügt es, einen speziellen kurzfristigen
Zins, der nur für Banken relevant ist, festzulegen; die restlichen, für
Verbraucher relevanten Zinsen, zum Beispiel fürs Sparbuch, ergeben sich
dann am Markt.
In geldpolitischen Normalzeiten leben wir aber nicht, so dass die
Europäische Zentralbank (EZB) die für den Verbraucher relevanten
längerfristigen Zinsen direkt steuern muss, wenn sie ihr gesetzliches Ziel
– die Preisstabilität – erreichen will. Das geschieht wegen deren Relevanz
am praktischsten durch den An- und Verkauf von Staatsanleihen.
Zinsänderungen aber sind in einer Marktwirtschaft so zentral, dass sie
Auswirkungen aufs gesamte wirtschaftliche Geschehen haben. Zum Teil ist das
intendiert, siehe Inflationsbekämpfung, zum Teil vielleicht nicht: niedrige
Zinsen für deutsche Sparer. Vermeiden lässt sich dies aufgrund vielfältiger
systemischer Verflechtungen kaum.
## EU ist nicht für deutsche Sparer zuständig
In der Praxis ist es daher nahezu unmöglich, geldpolitische Entscheidungen
unter höchstrichterlichen Vorbehalt zu stellen. Was gute Geldpolitik ist,
bestimmt am Ende die EZB selbst: „Geldpolitik – das sind wir“. Das mag in
einem demokratisch verfassten Staatswesen aufstoßen, ist aber
unvermeidlich. Nur das Ziel, Preisstabilität bei Unterstützung der
allgemeinen EU Wirtschaftspolitik zu wahren, lässt sich demokratisch
vorgeben.
Zur allgemeinen EU-Wirtschaftspolitik gehört es jedenfalls nicht, deutschen
Sparern gute Zinsen zu sichern. Dafür wäre alleine die deutsche
Wirtschaftspolitik zuständig. Die EZB ist nur durch die Auseinandersetzung
mit ihrer Geldpolitik und durch das Überprüfen ihrer geldpolitischen
Zielerreichung sinnvoll zu kontrollieren. Dazu braucht es ein
Grundvertrauen in die EZB, dem das Karlsruher Urteil nicht förderlich war.
7 May 2020
## LINKS
[1] /Verfassungsrichter-zu-Anleihekaeufen/!5682971
## AUTOREN
Rüdiger Bachmann
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