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# taz.de -- Wechsel bei der Berliner Linkspartei: „Es geht auch um Kraft“
> Carola Bluhm und Udo Wolf legen den Fraktionsvorsitz bei der Linkspartei
> nieder. Als Nachfolger schlagen sie Anne Helm und Carsten Schatz vor.
Bild: Carola Bluhm
taz: Frau Bluhm, Sie und Udo Wolf haben am Mittwoch den Rückzug vom
Fraktionsvorsitz der Linkspartei angekündigt. Schon am 2. Juni wollen Sie
den Staffelstab übergeben. Ist das nicht ein denkbar schlechter Zeitpunkt?
Carola Bluhm: Den idealen Zeitpunkt gibt es selten. Für die Fraktion und
für viele andere kommt das aber auch nicht völlig überraschend.
Schon bei der Fraktionsklausur der Linken Anfang März in Potsdam haben Sie
das anklingen lassen.
Die Medien hatten nachgefragt, weil wir bei der Klausur gesagt haben, dass
wir den Generationswechsel betreiben wollen. Das ist auch so. Heute genau
vor 30 Jahren bin ich das erste Mal in die Berliner
Stadtverordnetenversammlung gewählt worden.
Bei der Linkspartei sind Sie diejenige, die am längsten dabei ist.
In der Kontinuität der Berliner Landespolitik, ja. Gesine Lötzsch war
damals auch schon dabei, aber sie ist ja heute im Bundestag.
Warum gerade jetzt der Wechsel?
Natürlich hätte man sagen können, die Mitte der Legislaturperiode wäre
vielleicht der geeignete Zeitpunkt gewesen …
… das wäre Anfang/Mitte 2019 gewesen.
Da waren wir aber in den Auseinandersetzungen um den Mietendeckel. Um
dieses extrem wichtige Thema für die Stadt haben wir hart gekämpft. Da den
Generationswechsel zu vollziehen, wäre extrem risikobehaftet gewesen, und
zwar für die Sache.
Im Herbst 2019 kam es dann im Abgeordnetenhaus zum Eklat, weil die
Kandidatin der Linken für eine Richterstelle am Verfassungsgerichtshof
nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit bekommen hat.
Genau. Auch da war es überaus wichtig, die politische Erfahrung zu bündeln
und diese Krise entschlossen zu beenden. Jetzt aber ist der Zeitpunkt
gekommen. So habe ich mir das immer gewünscht: Einen Rücktritt, wo es nicht
zu sehr um mich geht, sondern um die Potenziale, dass Jüngere, die es
genauso gut können, den Vorsitz übernehmen. Mit einer Einarbeitungszeit, in
der man sie auch auch noch begleiten kann. Das ist doch eine wunderbare
Sache.
Hätte man den Zeitplan nicht noch mal wegen der Corona-Krise verschieben
müssen?
Natürlich haben wir das länger diskutiert. Aber wir halten unsere Fraktion
für so gut aufgestellt, dass wir es auch unter diesen Bedingungen schaffen
können. Wir haben dafür zwei personelle Vorschläge unterbreitet, weil wir
uns auskennen. Der Job der Fraktionsvorsitzenden ist einer der geilsten
überhaupt.
Wie bitte?
Wenn man klug agiert, ist man sehr einflussreich. Natürlich hat man auch
eine hohe Verantwortung, hat eine große zeitliche Belastung und es kostet
Nerven. Bei dem Wechsel geht es auch um Kraft. Natürlich hat man nicht mehr
so viel Energie mit 57 wie mit 37, Sitzungen von 17 Stunden und länger
durchzuziehen. Wir haben nun die Möglichkeit, mit zwei neuen jungen
Vorsitzenden mit einer wirklichen linken Ausstrahlung und einem linken
Selbstverständnis Politik zu machen. Trotz Corona.
Die Linken haben in Umfragen deutlich verloren. Sie liegen jetzt bei 14
Prozent, zuvor waren sie mal bei 20 Prozent. Ist das nicht auch deshalb ein
ungünstiger Zeitpunkt?
Es gibt gerade Wichtigeres als Umfragen für mich. Entscheidend ist, dass
Rot-Rot-Grün stabil dasteht. Wir haben ein sehr gutes, konstruktives
Verhältnis zu unseren Koalitionspartnern. Das werden auch die Grünen und
die SPD bestätigen. Was die Umfragen betrifft, mache ich mir keine Sorgen.
Das sieht man ja in allen Bundesländern. Es gibt eine starke Fokussierung
auf die Exekutive und einen Trend zu konservativen Strukturen. Nicht nur
Michael Müller, alle Ministerpräsidenten kriegen zurzeit einen Bonus.
Aber die Linke stellt den Kultursenator und die Senatorinnen für
Stadtentwicklung und Soziales.
Selbstverständlich. Aber wenn ich in den 30 Jahren, die ich in der Politik
bin, immer nur auf Umfrageergebnisse geschaut hätte, hätte ich den Kopf
nicht frei gehabt für notwendige strategische Debatten. Man muss doch
feststellen, dass wir sehr viel mehr linkes Selbstverständnis in das
ehemals stark auf Privatisierung ausgerichtete Berliner Gesellschaftsbild
getragen haben, hin zu sozialer Gerechtigkeit und Diversität.
In Ihrer Fraktion gibt es Leute, die Bauchschmerzen mit dem Prozedere
haben, dass Sie Anne Helm und Carsten Schatz schon als Nachfolger
vorgeschlagen haben.
Wenn dieser Prozess gänzlich ohne Debatten ablaufen würde, würde das nicht
zu uns passen (lacht).
Außerhalb der Linken sind Helm und Schatz nur bei Insidern bekannt. Was
befähigt die beiden?
Beide machen unterschiedlich lange sehr erfolgreich Politik. Nach einer
kurzen Einarbeitungszeit mit Udos und meiner Unterstützung werden sie einen
sehr guten Job machen.
Werden Sie und Udo Wolf noch mal als Abgeordnete kandidieren?
Das entscheiden wir später. Und Udo und ich müssen auch nicht die gleiche
Entscheidung treffen.
Harald Wolf hat sich schon aus der Landespolitik verabschiedet. Ist das das
das Ende der Gebrüder Wolf?
Ich würde sagen, für einen Nachruf ist es noch zu früh.
Und Sie, ist für Sie ein Leben ohne Politik denkbar?
Ich kann mir vieles vorstellen, aber erst mal bin ich ja noch da.
6 May 2020
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Rot-Rot-Grün
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Schwerpunkt Coronavirus
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